Begabte Mädchen, schwierige Jungs
Wieso geben sich Frauen trotz Einser-Examen mit einem netten Teilzeitjob zufrieden, während es Männer trotz Legasthenie an die Spitze der Gesellschaft schaffen? Auf der Suche nach einer Antwort schildert Susan Pinker detailreich mehr als zwei Duzend Lebenswege. Unaufgeregt fordert die Psychologin, die geschlechtspezifischen Unterschiede endlich zu akzeptieren - allerdings ohne die bestehenden Unterschiede, vor allem bei den Gehältern, länger zu tolerieren.
In "Das Geschlechterparadox" erzählt Susan Pinker reale Geschichten "Über begabte Mädchen, schwierige Jungs und den wahren Unterschied zwischen Männern und Frauen", so der lange Untertitel des spannend geschriebenen Sachbuchs. Als Psychologin behandelte die Autorin 30 Jahre lang verhaltensauffällige Kinder, in der Mehrzahl Jungen, die mit Lese-Rechtschreibe-Schwäche oder dem Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom zu kämpfen hatten.
Nun ist sie von Neugier getrieben. Sie will wissen, wie etliche jener labilen Jungen, die einst von ihren besorgten Müttern mit ihren Schulnöten in ihre Praxis geschleppt wurden, es schafften, berühmte Starköche, Designer oder Finanzexperten zu werden. Gleichzeitig irritieren sie Statistiken zu Frauenkarrieren. Beispielsweise jene, dass in den reichen Ländern trotz Gleichstellungs- und Frauenförderprogrammen weniger Mädchen Physik studieren als in armen Ländern. Dabei könnten sie als Expertin auf dem Gebiet doppelt soviel verdienen wie in anderen Fachrichtungen.
Wieso kommt es zu diesen gegenläufigen Karrieren von fragilen Männern und hochbegabten Frauen? fragt Susan Pinker. Zu diesem, wie sie es nennt, Geschlechterparadox? Wieso geben sich Frauen trotz Einser-Examen in Schule und Hochschule mit einem netten Teilzeitjob zufrieden, während es Männer trotz Legasthenie und Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom an die Spitze der Gesellschaft schaffen?
Auf der Suche nach einer Antwort schildert Susan Pinker auf den 440 Seiten detailreich die Berufswege und Lebenswünsche von mehr als zwei Dutzend Frauen und Männern, wie beispielsweise Ron Randolph-Wall und Donna.
Mit einem Jahresumsatz von mit 50 Millionen Dollar ist Ron Randolph-Wall einer der Superreichen der USA - und das, obwohl er sich bis heute nicht auf eine Sache konzentrieren kann, ständig in Bewegung und leicht ablenkbar ist. Ganz anders dagegen der Karriereverlauf der kanadischen Informatikprofessorin Donna, die nach erfolgreichem Studium und 16 Jahren ihren Universitätsjob schmiss, um fortan als schlechtbezahlte Computerlehrerin zu arbeiten.
Beide Biografien sind klassische Beispiele für Pinkers Geschlechterparadox. Denn anders als Donna nutzt Ron seinen Drang, immer neuen Stimulationen nachzujagen, als positive Kraft für seinen Job als Marketing-Experte. Donna hingegen entscheidet sich trotz Bilderbuchkarriere für einen klassischen Frauenweg, sich lieber um Menschen zu kümmern, als in der Wissenschaft erfolgreich zu sein.
Doch was treibt Frauen wie Männer in diese Richtung? Akribisch versucht Susan Pinker diese Frage zu beantworten: Sie zitiert neuste Erkenntnissen über die biologischen und hirnphysiologischen Unterschiede von Mädchen und Jungen, lässt ausführlich Wissenschaftler zu Wort kommen und erklärt deren Studien.
Dabei stehen vor allem zwei Thesen im Vordergrund: So bewirkt das männliche Geschlechtshormon Testosteron bei Jungen und Männern, dass sie Spaß an Wettstreit und Konkurrenz empfinden. Da sie sich ständig beweisen müssen, lernen sie auch ihre Schwächen zu nutzen, um daraus Stärken zu entwickeln. Beim weiblichen Geschlecht hingegen ist das Hirn von klein auf Einfühlung und Harmonie gepolt. Mädchen und Frauen scheuen daher von früh an, Konkurrenz zu leben, und verzichten deshalb auch gerne auf anstrengende Karrieren.
Dabei kommt Suzan Pinker zu dem Schluss, dass Frauen keine biologischen Klone von Männern sind. Sie wollen nicht das Gleiche wie diese - weder im Beruf, noch im Leben. Deshalb sieht sie es als vergeudete Mühe, Frauen zu puschen, sie in ihren fortpflanzungsfähigen Jahren wie Männer 80 Stunden pro Woche arbeiten zu lassen und die Gleichberechtigung anhand der Anzahl weiblicher Führungspersonen messen zu wollen.
Und so fordert die Psychologin folgerichtig, die geschlechtspezifischen Unterschiede endlich zu akzeptieren. Allerdings ohne die bestehenden Unterschiede, vor allem in der sozialen Anerkennung und der Bezahlung, länger zu tolerieren. Männer und Frauen, so das unaufgeregte Plädoyer von Susan Pinker, sollen endlich gleiche Gehälter für ihre Arbeit bekommen und nicht länger als sozial minderbemittelt belächelt werden, wenn es sie statt in den Chefsessel eines Wirtschaftsunternehmens lieber in den Pflegeberuf treibt.
Je schneller dieser gesellschaftliche Umdenkungsprozess stattfindet, umso weniger bedeutend wären zukünftig biologische und hirnphysiologische Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Großartig, die Geschlechterdebatte so unaufgeregt und mit langem Atem zu einem neuem Punkt zu treiben!
Rezensiert von Barbara Leitner
Susan Pinker: Das Geschlechterparadox. Über begabte Mädchen, schwierige Jungs und den wahren Unterschied zwischen Männern und Frauen
Aus dem Englischen von Maren Klostermann,
Deutsche Verlagsanstalt, München 2008,
448 Seiten, 17,95 Euro
Nun ist sie von Neugier getrieben. Sie will wissen, wie etliche jener labilen Jungen, die einst von ihren besorgten Müttern mit ihren Schulnöten in ihre Praxis geschleppt wurden, es schafften, berühmte Starköche, Designer oder Finanzexperten zu werden. Gleichzeitig irritieren sie Statistiken zu Frauenkarrieren. Beispielsweise jene, dass in den reichen Ländern trotz Gleichstellungs- und Frauenförderprogrammen weniger Mädchen Physik studieren als in armen Ländern. Dabei könnten sie als Expertin auf dem Gebiet doppelt soviel verdienen wie in anderen Fachrichtungen.
Wieso kommt es zu diesen gegenläufigen Karrieren von fragilen Männern und hochbegabten Frauen? fragt Susan Pinker. Zu diesem, wie sie es nennt, Geschlechterparadox? Wieso geben sich Frauen trotz Einser-Examen in Schule und Hochschule mit einem netten Teilzeitjob zufrieden, während es Männer trotz Legasthenie und Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom an die Spitze der Gesellschaft schaffen?
Auf der Suche nach einer Antwort schildert Susan Pinker auf den 440 Seiten detailreich die Berufswege und Lebenswünsche von mehr als zwei Dutzend Frauen und Männern, wie beispielsweise Ron Randolph-Wall und Donna.
Mit einem Jahresumsatz von mit 50 Millionen Dollar ist Ron Randolph-Wall einer der Superreichen der USA - und das, obwohl er sich bis heute nicht auf eine Sache konzentrieren kann, ständig in Bewegung und leicht ablenkbar ist. Ganz anders dagegen der Karriereverlauf der kanadischen Informatikprofessorin Donna, die nach erfolgreichem Studium und 16 Jahren ihren Universitätsjob schmiss, um fortan als schlechtbezahlte Computerlehrerin zu arbeiten.
Beide Biografien sind klassische Beispiele für Pinkers Geschlechterparadox. Denn anders als Donna nutzt Ron seinen Drang, immer neuen Stimulationen nachzujagen, als positive Kraft für seinen Job als Marketing-Experte. Donna hingegen entscheidet sich trotz Bilderbuchkarriere für einen klassischen Frauenweg, sich lieber um Menschen zu kümmern, als in der Wissenschaft erfolgreich zu sein.
Doch was treibt Frauen wie Männer in diese Richtung? Akribisch versucht Susan Pinker diese Frage zu beantworten: Sie zitiert neuste Erkenntnissen über die biologischen und hirnphysiologischen Unterschiede von Mädchen und Jungen, lässt ausführlich Wissenschaftler zu Wort kommen und erklärt deren Studien.
Dabei stehen vor allem zwei Thesen im Vordergrund: So bewirkt das männliche Geschlechtshormon Testosteron bei Jungen und Männern, dass sie Spaß an Wettstreit und Konkurrenz empfinden. Da sie sich ständig beweisen müssen, lernen sie auch ihre Schwächen zu nutzen, um daraus Stärken zu entwickeln. Beim weiblichen Geschlecht hingegen ist das Hirn von klein auf Einfühlung und Harmonie gepolt. Mädchen und Frauen scheuen daher von früh an, Konkurrenz zu leben, und verzichten deshalb auch gerne auf anstrengende Karrieren.
Dabei kommt Suzan Pinker zu dem Schluss, dass Frauen keine biologischen Klone von Männern sind. Sie wollen nicht das Gleiche wie diese - weder im Beruf, noch im Leben. Deshalb sieht sie es als vergeudete Mühe, Frauen zu puschen, sie in ihren fortpflanzungsfähigen Jahren wie Männer 80 Stunden pro Woche arbeiten zu lassen und die Gleichberechtigung anhand der Anzahl weiblicher Führungspersonen messen zu wollen.
Und so fordert die Psychologin folgerichtig, die geschlechtspezifischen Unterschiede endlich zu akzeptieren. Allerdings ohne die bestehenden Unterschiede, vor allem in der sozialen Anerkennung und der Bezahlung, länger zu tolerieren. Männer und Frauen, so das unaufgeregte Plädoyer von Susan Pinker, sollen endlich gleiche Gehälter für ihre Arbeit bekommen und nicht länger als sozial minderbemittelt belächelt werden, wenn es sie statt in den Chefsessel eines Wirtschaftsunternehmens lieber in den Pflegeberuf treibt.
Je schneller dieser gesellschaftliche Umdenkungsprozess stattfindet, umso weniger bedeutend wären zukünftig biologische und hirnphysiologische Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Großartig, die Geschlechterdebatte so unaufgeregt und mit langem Atem zu einem neuem Punkt zu treiben!
Rezensiert von Barbara Leitner
Susan Pinker: Das Geschlechterparadox. Über begabte Mädchen, schwierige Jungs und den wahren Unterschied zwischen Männern und Frauen
Aus dem Englischen von Maren Klostermann,
Deutsche Verlagsanstalt, München 2008,
448 Seiten, 17,95 Euro