Bedrohte Schätze

Von Hilde Weeg · 05.08.2008
Ob im Lindenau-Museum in Altenburg, im Museum für Angewandte Kunst in Gera, der Heidecksburg in Rudolstadt, in Meiningen oder Mühlhausen - in den 200 Thüringer Museen werden wahre Schatzkammern geboten. Doch die Personal- und Finanzdecke ist dünn. Manche der Häuser stehen kurz vor der Schließung.
Die Kultur des Landes Thüringen sei identitätsbildend und sogar identitätsbestimmend, so steht es auf den Internetseiten des Kultusminsteriums zu lesen. Einen wichtigen, aber kaum beachteten Anteil an dieser kulturellen Identität haben die rund 200 Museen des Landes. Mehr als vier Millionen Besucher haben im vergangenen Jahr Ausstellungen besucht. Das sind fast doppelt so viele Besucher, wie Thüringen überhaupt Einwohner hat.

In den Häusern vom Lindenau-Museum in Altenburg über das Museum für Angewandte Kunst in Gera, der Heidecksburg in Rudolstadt; in Meiningen oder Mühlhausen werden wahre Schatzkammern geboten. Aber den Schätzen darin - den menschlichen wie den materiellen - geht es schlecht, seit Jahren schon.

" Man muss sicherlich in schwierigen Zeiten ab und an den Gürtel enger schnallen. Das ist im Leben so, und das ist in der Kultur sicherlich auch so. Wenn der Gürtel aber dann immer so eng geschnallt ist, dass er alles abschnürt, dann ist es natürlich eine gefährliche Situation. Und in vielen Einrichtungen wird tatsächlich viel auf Verschleiß gearbeitet. "

Dass die Museen so unglaublich viele Projekte realisiert werden, - die Besucher bedanken sich ja dafür - das ist wirklich nur möglich, weil mit dem wenigen Personal die Mitarbeiter ständig mit dem Wasser an der Oberkante gearbeitet wird. Und das kann nicht dauerhaft so sein.

So dramatisch schildert Holger Nowak, im Vorstand des Thüringer Museumsverbands und Leiter des Jenaer Stadtmuseums, die Situation.

Während vor 10 Jahren noch 19 Millionen D-Mark in die Museen flossen, sind es in diesem Jahr nur 6,9 Millionen Euro, 2007 waren es sogar nur 6,6 Millionen Euro Landesmittel für 200 Museen. Im Streit um den Bestand der Orchester und Theater im Land wurden die Museen einfach stillschweigend auf Diät gesetzt, der Personalbestand halbiert. Mit den Etats sind allenfalls die Häuser in Betrieb zu halten. An eine Erweiterung von Sammlungen, an Erhaltungs- und Restaurierungsmaßnahmen bei den Beständen ist nicht zu denken.

Holger Nowak: " Was wir seit Jahren nicht mehr können, das sind Restaurierungsmaßnahmen. Wir haben in Thüringen einen Restaurierungsstau ... "

Ein Gutteil des Ausstellungsbetriebes wird ohnehin schon von Praktikanten geleistet, die überhaupt kein Geld bekommen oder von 1-Euro-Jobbern. Zu den Jenaer Beständen gehört eine Kunstsammlung. An sammeln ist seit Jahren nicht zu denken, Geld für Ankäufe sind kaum vorhanden.

Holger Nowak: " Wir haben Mitte der 90er Jahre mal einen Ankauffonds von 50.000, 60.000 DM gehabt, und das haben wir jetzt nicht mehr. Sie wissen, in der Kunst sind 10.000 Euro eigentlich nichts. Museen werden so zu Bittstellern bei Wirtschaft und Privatpersonen oder sie hoffen auf Schenkungen von Künstlern, denen sie als Gegenleistung eine Ausstellung einrichten können. "

Abgesehen von den Flaggschiffen der Klassik-Stiftung Weimar oder der Thüringer Stiftung Schlösser und Gärten sieht es bei allen Museen so aus.

Manche stehen kurz vor der Schließung. Oder, wie die Mühlhäuser Museen, sind einer Schließung gerade knapp entronnen. Dabei gelten die Mühlhäuser Museen als Leitmuseum der gesamten Region im Nordwesten. Dazu gehören das bundesweit einzigartige Bauernkriegsmuseum mit Zeugnissen zur Reformationszeit und Luthers Gegenspieler Thomas Müntzer, die drittumfangreichste archäologische Sammlung des Landes oder eine umfangreiche Kunstsammlung zur Thüringer Kunst des 20. Jahrhunderts.

Museumsleiter Thomas Müller schildert die Personal-Situation seines Hauses: " Wir haben seit Jahren keinen Restaurator mehr im Haus, wir haben fünf Häuser offen zu halten, von Dienstag bis Sonntag, sechs Tage die Woche, haben aber nur vier Kassenkräfte. Wir haben an Gebäuden drei ehemalige Kirchen, ein ehemaliges Gymnasium und eine 300m lange Wehranlage - und haben aber nur zwei Teilzeitkräfte für die Reinigung. "

Ein fachkundiger Betreuer für die naturkundliche Sammlung musste schon vor Jahren gehen, weil das Geld fehlte. Ankaufsbudget insgesamt für ein Jahr: 2500 Euro. Wenn Müller etwas restaurieren lassen will, muss er das Ankaufsgeld dafür ausgeben, dann gibt es eben gar kein Geld für Anschaffungen. Dabei kosten Museen nicht nur, sie bringen Geld ein.

Thomas Müller: " Zum Einen als sogenannter "weicher" Standortfaktor, zum zweiten ganz konkret. Weil - gemessen an unserem Beispiel: Wir haben im vergangenen Jahr 60.000 Besucher gehabt - diese Leute müssen irgendwo Mittag essen, diese Leute gehen vielleicht auch einkaufen, sodass ein Museum durchaus zu einem Mehrwert für die Gewerbetreibenden einer STadt werden kann. "

Sowohl Müller, als auch Nowak sind sich über die weithin unterschätzte Bedeutung von Museen einig:

Holger Nowak: " Museen sind nach den Schulen der größte Bildungsanbieter, mit den meisten Konsumenten - hier muss man einfach mal hingucken - ein Ort der Entspannung, ein Ort der Sammlung. Wir sagen von uns selbst, wir sind das materielle Gedächtnis der Menschheit. Wir sind die Schatzkammern auch der Kommunen und in einigen Bereichen in Thüringen kann man sehen, dass diese Schatzkammern vernachlässigt werden. "

Den bisher härtesten Einschnitt mussten die Museen zwischen 2002 und 2005 hinnehmen, damals wurde ihr Etat von der Landesregierung von 10,3 Millionen auf 6,6 Millionen Euro gesenkt. Der im April abgesetzte Kultusminister Jens Goebel hatte noch Mittel für Restaurierung und Museumspädagogik angekündigt. Der Neue im Amt, Bernward Müller, hält sich bedeckt..

Holger Nowak: " Ich habe aus Erfurt diesbezüglich noch keine Signale gehört, in diese Richtung werden wir weiter hartnäckig bleiben und unsere Forderung aufrechterhalten. "

Im Herbst soll ein umfassendes Kulturkonzept vorgelegt werden. Nicht nur für Theater und Orchester, auch für die Museen ist das längst überfällig.