Bedingungslose Solidarität mit Israel

Von Oliver Heilwagen |
"Bild Dir dein Volk!": Mit dieser Abwandlung des Werbeslogans "Bild Dir Deine Meinung" betitelt das Jüdische Museum Frankfurt eine Ausstellung über "Axel Springer und die Juden". Der erfolgreichste deutsche Verleger der Nachkriegszeit verordnete seinen Blättern einen strikt pro-israelischen Kurs.
An Axel Springer scheiden sich bis heute die Geister. Für die einen war und ist der Verleger, der vor 100 Jahren geboren wurde und 1985 starb, der Inbegriff konservativer Gesinnung – für die anderen ein rechtslastiger Presse-Mogul, der sich skrupelloser Methoden bediente.

Die ambivalente Persönlichkeit Axel Springers wurde besonders deutlich in seiner Haltung zu Israel. Aufgrund der "Schuld der Deutschen" durch die NS-Verbrechen setzte er sich für Versöhnung ein und verpflichtete seine Redakteure, im Sinne der "Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen" zu schreiben.

"Das ist aus meiner Sicht in erster Linie ein religiöser Aspekt. Springer war ein religiöser Mensch, für den die Frage der Schuld, aber andererseits auch die Frage der Versöhnung auch eine eindeutig christlich gefärbte, religiöse Frage war",

so der Historiker und Kurator der Ausstellung Dmitrij Belkin. Und er ergänzt weitere Gründe, warum Axel Springer diese Prinzipien so wichtig waren:

"Das ist zweitens eine politische Frage, denn Axel Springer verstand – ich glaube, wie kein anderer Intellektueller in der Bundesrepublik – wie man sich auch der Linie der jeweiligen Regierung anpassen kann. Seine Zeitungen, seine Blätter waren eindeutig auf dieser Linie: Wiedergutmachung, diplomatische Beziehungen mit Israel. Und das ist drittens eine sehr persönliche Frage. Denn Axel Springer liebte Israel und liebte die Juden. Er hatte wahnsinnig viele Freunde in diesen Milieus, und er war äußerst gern in Israel. Und der umstrittenste Deutsche in Deutschland war der beliebteste Deutsche in Israel."

Springer reist ab 1966 bis zu seinem Tod mindestens einmal jährlich nach Israel; außerdem unterstützt er als Mäzen großzügig und diskret jüdische Einrichtungen. Das hindert ihn nicht, neben dem Juden Ernst Cramer auch Journalisten und Karikaturisten mit NS-Vergangenheit zu seinen Vertrauten und Beratern zu zählen. Und schließt ebenso wenig nationalistische Positionen aus: Die deutsche Einheit war Springers oberstes politisches Ziel. Dabei sollte die Aussöhnung mit Israel seinen Patriotismus gleichsam unangreifbar machen, betont Dmitrij Belkin:

"Für Springer war der Begriff Volk sehr zentral. Deswegen nennen wir auch diese Ausstellung ‚Bild Dir Dein Volk!’. Springer hat im Grunde zwei medienpolitische Angebote an die Israelis und die Deutschen abgegeben, dass man sozusagen eine Einheit bilden soll; eine Art mediale Symbiose, wie ich das nenne, einerseits. Andererseits war Axel Springer einer, mit dem in den deutschen Konservatismus auch ein absolutes Novum reinkommt in den 50er, 60er Jahren und eigentlich bis heute. Dass der deutsche Konservatismus je pro-jüdisch und pro-israelisch wird sozusagen, dass hätte keiner vermutet vor Springer. ‚Volk’ war seit dem Nationalsozialismus kein unbelasteter Begriff mehr; und so fand Springer dieses Volk eben bei den Israelis, bei den Juden."

Springers bedingungslose Solidarität fand ihren Höhepunkt im Sechstage-Krieg 1967. "Bild" jubelte über "siegreiche Israelis" und titelte nach der Besetzung des Sinai: "Davon träumten wir 2000 Jahre". Das Blatt wurde unter anderem damit zur Zielscheibe der Studentenproteste.

Die zahlreichen Facetten von Axel Springers Verhältnis zum Judentum und Israel, und seinen Kampf mit der 68er-Bewegung zeichnet die Frankfurter Ausstellung nuanciert nach. Bild- und Tondokumente, TV-Reportagen und Video-Interviews mit Zeitzeugen wie Daniel Cohn-Bendit und Günter Wallraff rufen die damalige Frontstellung in Erinnerung. Kurator Dmitrij Belkin:

"Da haben die Studenten selbstverständlich gesagt: Na ja, wir sind die Juden von heute, und die Palästinenser sind auch die Juden von heute. Und israelisches Establishment und Springer und die USA und die Bundesrepublik, rheinische CDU-Kreise, das sind sozusagen die Nazis von heute. Springer war auch selbstverständlich nicht besser, und sie haben auf ihre Weise die Antwort auch gegeben, indem sie gesagt haben: '`33 haben sie Scheiben eingeschlagen, da haben wir zugeguckt; `38 haben wir zugeguckt, aber `68 gucken wir nicht mehr zu.' Und das war sozusagen eine direkte Parallele: Die revoltierenden Studenten seien die Nazis, und wir müssen dann aufpassen, dass das sich nicht wiederholt. Und das war eine Art Teufelskreis: Das sind stark wirkende Bilder, die bis heute sitzen."

So kam die Faschismus-Keule in die Debattenkultur der Bundesrepublik: Die Unsitte, den jeweiligen politischen Gegner als Nazi zu denunzieren. Allerdings wird sie inzwischen seltener geschwungen: Kritik an Israels Regierung gilt nicht mehr automatisch als antisemitisch motiviert. Selbst "Bild" und "Die Welt" rechtfertigen nicht mehr jeden ihrer Winkelzüge. Es scheint, als habe sich mit dem Tod von Axel Springer auch sein Lagerdenken erledigt, dass die Welt in Freund und Feind, in Demokraten und Extremisten einteilte. Weil vier Jahre später seine wichtigsten Ziele erreicht wurden: das Ende des Kommunismus und die deutsche Einheit.


Hinweis zur Veranstaltung:

Die Ausstellung "Bild dir dein Volk! Axel Springer und die Juden" ist noch bis 29. Juli im Jüdischen Museum Frankfurt am Main zu sehen.
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