Beckett als Konzert
Neu gestylt und strukturiert ist Samuel Becketts "Endspiel" am Schauspielhaus Zürich vor allem ein Fest für seine großartigen Darsteller. Der leicht angestaubte Klassiker der Moderne gleicht in der sehr frontal aufs Publikum ausgerichteten Inszenierung von Stefan Pucher einem Konzert.
Endspiel. Das ist immer. Die Welt ist vielleicht schon untergegangen. "Die Natur hat uns vergessen – es gibt keine Natur mehr." Mit einer Videoinstallation von Züricher Stadtansichten fahren die Zuschauer in die Tiefe, in einen Bunker (Bühne: Barbara Ehnes) in giftigem Gelbgrün – manchmal wechselt er ins Rosarote -, in dem der gehbehinderte blinde Hamm und sein Diener Clov immer wieder neu etwas behaupten, das es gar nicht mehr zu geben scheint.
Manchmal öffnet sich die Wand, und dann sehen wir Hamms Eltern Nagg und Nell, nicht in Mülltonnen, wie es sich Samuel Beckett seinerzeit vorgestellt hatte, sondern in giftgrünen Beuteln – und ganz am Ende schieben sich achtzehn Menschenpuppen, darunter auch Nagg und Nell – täuschend lebensecht, man hält sie zunächst für Statisten – an die Rampe hinter Hamm im Rollstuhl: "When you have no one, no one can hurt you", tönt es aus dem Play-back (Musik: Christopher Uhe).
Endspiel, die konsequente Fortsetzung von "Warten auf Godot", ist in der Inszenierung von Stefan Pucher in der meist frontal zum Publikum gerichteten Spielweise ein Konzert. Vor einem halben Jahrhundert uraufgeführt, hat dieser Klassiker der Moderne wohl auch schon ein wenig Staub angesetzt. Dass sich in den 50er-Jahren Schauspieler geweigert haben sollen, in eine Mülltonne zu steigen, lässt schmunzeln – das "Endspiel" schockiert natürlich niemanden mehr.
Inzwischen hat ein Heer von Literaturwissenschaftlern "Fin de partie" (Beckett schrieb es nicht in seiner Muttersprache, sondern auf Französisch) ausgelotet, auch wenn die Akteure sich jeder Bedeutung verweigern: "Wir sind doch nicht im Begriff etwas zu bedeuten?" "Bedeuten das ist gut", macht sich Clov lustig. Doch auch die Null ist eine Zahl und verweist auf Transzendenz und Unendlichkeit. Insofern trifft es schon zu, dass "Endspiel" auch ein theologisches Werk ist.
Der vollkommen bewegungsunfähige, blinde Held, Hamm, der darauf achtet, dass er millimetergenau im Mittelpunkt der Bühne steht, verweist darüber hinaus auf die Anfänge von Theater, auf den ans Weltende gefesselten Prometheus von Aischylos oder den blinden gehbehinderten Ödipus auf Kolonos.
Endspiel ist also ein Fest für große Schauspieler auch in Zürich, vor allem wenn diese nicht mit den Klischees von traurigen Zirkusclowns kokettieren und ihre Eitelkeiten zu kontrollieren wissen: Robert Hunger-Bühler im Rollstuhl, kräftig und selbstbewusst, gähnt wie ein wildes Tier ("Jetzt bin ich dran", fängt er immer wieder an) und Jean-Pierre Cornu als geduldiger Butler zieht immer wieder ungnädig die Augen hoch. Siggi Schwientek als Negg erzählt aus seinem Beutel heraus überzeugend einen lahmen Witz.
"Altes von jeher verlorenes Endspiel": Bisweilen etwas ermüdend, das muss man in den gut zwei Stunden Aufführungsdauer manchmal feststellen, sind die Schleifen, die das Endspiel dreht, doch das neue Styling zeigt deutlich Struktur und den Mechanismus von Becketts Klassiker vom Ende jeder Behauptung.
"Endspiel"
Von Samuel Beckett
Regie: Stefan Pucher
Schauspielhaus Zürich
Manchmal öffnet sich die Wand, und dann sehen wir Hamms Eltern Nagg und Nell, nicht in Mülltonnen, wie es sich Samuel Beckett seinerzeit vorgestellt hatte, sondern in giftgrünen Beuteln – und ganz am Ende schieben sich achtzehn Menschenpuppen, darunter auch Nagg und Nell – täuschend lebensecht, man hält sie zunächst für Statisten – an die Rampe hinter Hamm im Rollstuhl: "When you have no one, no one can hurt you", tönt es aus dem Play-back (Musik: Christopher Uhe).
Endspiel, die konsequente Fortsetzung von "Warten auf Godot", ist in der Inszenierung von Stefan Pucher in der meist frontal zum Publikum gerichteten Spielweise ein Konzert. Vor einem halben Jahrhundert uraufgeführt, hat dieser Klassiker der Moderne wohl auch schon ein wenig Staub angesetzt. Dass sich in den 50er-Jahren Schauspieler geweigert haben sollen, in eine Mülltonne zu steigen, lässt schmunzeln – das "Endspiel" schockiert natürlich niemanden mehr.
Inzwischen hat ein Heer von Literaturwissenschaftlern "Fin de partie" (Beckett schrieb es nicht in seiner Muttersprache, sondern auf Französisch) ausgelotet, auch wenn die Akteure sich jeder Bedeutung verweigern: "Wir sind doch nicht im Begriff etwas zu bedeuten?" "Bedeuten das ist gut", macht sich Clov lustig. Doch auch die Null ist eine Zahl und verweist auf Transzendenz und Unendlichkeit. Insofern trifft es schon zu, dass "Endspiel" auch ein theologisches Werk ist.
Der vollkommen bewegungsunfähige, blinde Held, Hamm, der darauf achtet, dass er millimetergenau im Mittelpunkt der Bühne steht, verweist darüber hinaus auf die Anfänge von Theater, auf den ans Weltende gefesselten Prometheus von Aischylos oder den blinden gehbehinderten Ödipus auf Kolonos.
Endspiel ist also ein Fest für große Schauspieler auch in Zürich, vor allem wenn diese nicht mit den Klischees von traurigen Zirkusclowns kokettieren und ihre Eitelkeiten zu kontrollieren wissen: Robert Hunger-Bühler im Rollstuhl, kräftig und selbstbewusst, gähnt wie ein wildes Tier ("Jetzt bin ich dran", fängt er immer wieder an) und Jean-Pierre Cornu als geduldiger Butler zieht immer wieder ungnädig die Augen hoch. Siggi Schwientek als Negg erzählt aus seinem Beutel heraus überzeugend einen lahmen Witz.
"Altes von jeher verlorenes Endspiel": Bisweilen etwas ermüdend, das muss man in den gut zwei Stunden Aufführungsdauer manchmal feststellen, sind die Schleifen, die das Endspiel dreht, doch das neue Styling zeigt deutlich Struktur und den Mechanismus von Becketts Klassiker vom Ende jeder Behauptung.
"Endspiel"
Von Samuel Beckett
Regie: Stefan Pucher
Schauspielhaus Zürich