Beats und Braunkohlebagger

Von Martin Risel |
Zum elften Mal fand in der Stadt aus Eisen, der Ferropolis bei Gräfenhainichen in Sachsen-Anhalt, das "Melt!"-Festival statt. Das Festival besticht nicht nur durch seine Mischung aus gitarrenlastiger und elektronischer Musik, sondern vor allem durch seine Installationen und die riesigen Braunkohlebagger, die es umrahmen.
"Meine Freundin Katrin steht mehr so auf Electro und ich geh mehr so in Richtung Progressive Rock, also eher gitarrenlastig."

Maria und Katrin aus Bayern sind beim "Melt!"-Festival also genau richtig. Bloc Party gehört zu den bekanntesten Bands im Programm - und vereinigt am besten die beiden musikalischen Welten dieses Festivals. Denn das ist auch für Mark aus Offenbach das Besondere hier:

"Das ist im Prinzip diese Mischung aus elektronischer und Gitarren-Musik. Das ist halt superspannend. Und dazu dieses Setting drum herum mit den alten Braunkohlebaggern... Ferropolis ist echt schon klasse."

Wer hier über das Veranstaltungsgelände schreitet, sucht keine romantische Ruhe, Ferropolis - die Stadt aus Eisen - ist an diesem Wochenende Schauplatz für Beats, Begeisterung und Begegnungen. Sechs Bühnen zwischen gigantischen Braunkohlebaggern aus den 50er Jahren. Bagger, die man sich vorstellen muss als Kräne mit riesigen Schaufeln und Förderbändern, jetzt dekoriert und beleuchtet von international agierenden Lichtkunstdesignern. Birgit aus Hamburg kommt aus dem Staunen kaum heraus:

"Mir gefällt hier die Location ziemlich gut. Hier sind überall diesen alten Ausgrabemaschinen. Die sind schon faszinierend, wie groß die einfach sind. Und daran dieses Lichterspiel, das ist einfach großartig."

Diese futuristische Szenerie sucht - vielleicht weltweit - seinesgleichen. Ein Pfund - vielleicht das dickste -, mit dem die Veranstalter wuchern können. Stefan Lehmkuhl ist künstlerischer Leiter.

"Das ist wie 'ne andere Welt, das ist wirklich sehr surreal. Wir arbeiten sehr viel mit diesen riesigen Tagebaumaschinen, die hier stehen, 70 Meter hoch. Das ganze Veranstaltungsgelände ist eingerahmt von diesen Museumsstücken, also alten DDR-Braunkohle-Tagebau-Abbaugeräten, die inszenieren wir. Und ich glaube, das ist so ein Eindruck, der bei Bands und Besuchern einfach hängenbliebt."

Und so kommen unter den über 100 Künstlern auch Bands aus Norwegen und DJs aus Dänemark - so wie in diesem Stück von Röyksopp im Trentemöller Remix beide vereinigt sind. Unter Musikern hat das Melt einen besseren Stellenwert als andere größere Festivals, vergleichbar am ehesten mit dem britischen Glastonbury Festival. Jeder will da mal gespielt haben.

Dieser europäischen Dimension sind sich die Veranstalter bewusst. Aber auch ihrer Einbindung und Verantwortung für die Region.

"Es ist auch gut fürs Gewerbe hier drum herum. Die Tankstellen sind leer gekauft, die Hotels sind ausgebucht. Und zwar bis hin nach Wittenberg, Dessau, der ganze Umkreis profitiert davon."

er hier am Ufer der Elbe bei Wittenberg spazieren geht, findet jede Menge schöne Gegend, romantische Ruhe und Kulturlandschaften - und kann mittendrin absteigen zum Beispiel im Hotel Brückenkopf bei Renate Schult.

"Wir sind zwar im Sommer durch den Elbe-Radweg relativ gut gebucht. Weil wir sind UNESCO-Weltkulturerbe. Und ich empfehle auch den Wörlitzer Park zu besuchen und Dessau, die Bauhaus-Stadt. Aber hundertprozentig ausgelastet sind wir sonst nicht. Wir sind in Sachsen-Anhalt und kämpfen um jeden Gast."

Trotz wichtiger Kulturstätten - eine der ärmsten Gegenden Deutschlands ist das hier, nachdem die Industrie rund um Bitterfeld zusammengebrochen ist. Trostlose Industrieruinen gibt es zur Genüge - und deshalb eine große Offenheit gegenüber den Möglichkeiten des Tourismus.

"Wir sind offen und auch alle Kollegen profitieren hier davon. Also für die ganze Gegend ist das durchaus ein wirtschaftlicher Aspekt, der für uns wichtig ist. Denn wir brauchen jede Mark."

Hotels und Gastronomie können Sie gebrauchen - und auch wenn man Taxifahrerin ist wie Heidi Meyer, freut man sich über alles, was das Melt-Festival der Region bringen kann.

"Na ja, Arbeitsplätze natürlich. Und es ist ein bisschen was los hier in der Region, es kommen ein Haufen Touristen her."

Und die kommen sogar aus dem Ausland: Briten, Polen, vor allem Skandinavier reisen nach Sachsen-Anhalt, um beim Melt dabei zu sein. Und Maria aus Augsburg schaut sich nicht nur das Festival an:

"Ja, auch die Gegend hier. Heute waren wir in Wittenberg. Viel gab's nicht, aber ist 'ne schöne Stadt."

Na immerhin; Lutherhaus und Schlosskirche mitgenommen, aber deshalb war sie eigentlich nicht hergekommen.

Durch die besondere Szenerie zu schlendern, gute Musik um die Ohren und das gemeinsame Erleben und Ausflippen damit: Es sind diese Faktoren, weshalb das melt-Festival in diesem Jahr zum ersten Mal ausverkauft war. Über 20.000 Besucher. Mehr dürften's auch nicht sein. Denn dann würde eine wie Carmen aus Berlin wohl nicht wiederkommen.

"Weil es eins der schönsten Festivals ist. Durch die Lage, die Umgebung, diese Bagger. Und es ist kleiner und deshalb irgendwie gemütlicher."