Beats statt Bach

Von Ralf Bei der Kellen |
Durch seine Bach-Interpretationen wurde der 26-jährige Pianist Francesco Tristano Schlimé bekannt und berühmt. Nun verlässt er die Welt der E-Musik: Auf seinem aktuellen Album "Not For Piano" spielt er Techno-Klassiker und interpretiert sie neu. Vor wenigen Tagen erschienen die ungewöhnlichen Aufnahmen beim Technolabel InFiné.
"Ich will etwas Originelles machen, ich will etwas machen, wo man etwas hört, was man vielleicht noch nicht gehört hat."

In einem Berliner Hinterhof-Loft sitzt ein schlanker junger Mann mit blauen Augen und einem lockenumrahmten Gesicht. Seine Aussage könnte man so oder ähnlich sicherlich von vielen Musikern zu hören bekommen. Der Pianist Francesco Tristano Schlimé allerdings macht wirklich etwas ganz Anderes. Nicht nur, dass sein aktuelles Solo-Piano-Album den provokanten Titel "Not For Piano" trägt. Mit ihm hat der bislang vor allem als Bach-Interpret bekannte Pianist auch einen ungewöhnlichen Weg eingeschlagen. Hier reüssiert er mit Klavier-Bearbeitungen von Techno-Tracks. Ähnlich ungewöhnlich wie seine Musik ist Francesco Tristanos Vita. 1981 wurde er in Luxemburg geboren. Sein bemerkenswerter Name schien die musikalische Karriere bereits vorwegzunehmen.

"Meine Mutter ist eine leidenschaftliche - wie sagt man - 'Wagnerianerin', das heißt, sie wollte eben einen Sohn mit 'Tristan'. Und eben mit diesen italienischen Vorfahren, meine Großmutter ist italienisch, das heißt 'Francesco' Tristano."

"Ich hatte ein Klavier zuhause, ein altes, vertikales Klavier, kein Flügel. Und da habe ich mich dann immer amüsiert mit den Füßen die Cluster da zu hören und bin dann immer sozusagen auf dem Klavier spaziert mit den Füßen. Das ist wahrscheinlich meine erste Erinnerung an ein Klavier."

Das Klavier war zwar ständig präsent, ernsthaft gespielt hat er aber erst ab dem zwölften Lebensjahr. Dann allerdings ging alles rasend schnell: Sein erstes Konzert gibt er mit 13, mit 15 führt er bereits eigene Kompositionen auf. Er spielt mit dem russischen Nationalorchester, den Luxemburger Philharmonikern und vielen anderen. Mit 17 besucht er die berühmte Julliard School in New York, wo er nach fünf Jahren sein Diplom macht. Er nimmt klassische Alben auf, unter anderem mit den Goldberg-Variationen Johann Sebastian Bachs. Aber Francesco Tristano ist auch begeistert von den improvisatorischen Möglichkeiten, die ihm der Jazz bietet. Er verlässt dieses Terrain jedoch bald wieder, als ihm die Musik und ihr Aufbau zu formelhaft erscheinen. Der Pianist ist schnell unzufrieden und ständig auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen. So wie seine Musik ständig auf der Suche zu sein scheint, ist auch Francesco Tristano immer unterwegs. Gibt es da eigentlich noch so etwas wie Heimat?

"Mein Zuhause ist Barcelona. Meine Heimat, das ist mir egal. Es kann Luxemburg sein, es können die Apenninen in Italien sein. Den Begriff von Heimat habe ich nicht. Heimat ist, wo ich mich wohl fühle, das heißt Barcelona in dem Sinne auch. Aber jetzt ist Luxemburg eher anekdotisch."

Seit 2003 ist die Hauptstadt Kataloniens Francescos ständiges Domizil. Dadurch kam zu seinen Hauptsprachen Französisch, Italienisch und Englisch noch Spanische und Katalanisch hinzu. Deutsch rückt da schon mal in den Hintergrund, zumal, wenn es früh am Morgen ist.

"Deutsch kommt progressiv wieder. Ich hab jetzt ein paar Monate überhaupt nicht deutsch gesprochen. Aber gut, das ist fast eine Muttersprache für mich, weil Luxemburg diese ja als offizielle Sprache hat und vier, fünf Jahre habe ich Deutsch gelernt. Ich lese sehr viel deutsch, das heißt, es ist immer präsent, aber zum Reden ist es am Anfang immer schon kompliziert."

Dass ihm das Lesen kaum Mühe bereiten kann, zeigt sich in der Wahl seines Lieblingsautoren.

"Thomas Bernhard. Wenn ich einen Schriftsteller nennen soll, dann ist es Thomas Bernhard."

An Bernhard schätzt er die "Destruktion der Konventionen". Die ausufernde Syntax und Erzählweise des Österreichers lägen ihm sehr nahe: Bernhard erzähle seine Geschichten nicht von A bis Z, sondern es gebe kein Anfang und keine Ende. Und so sei es auch mit dem Techno, da höre der Rhythmus ja auch nie auf. Seit einiger Zeit ist Francesco Tristano mit einer Soziologin liiert, die ebenfalls in Barcelona wohnt.

"Wenn ich jetzt in der Woche irgendwo Konzerte spiele, kann sie nicht kommen, weil sie arbeitet. Aber am Wochenende kommt sie manchmal. Ich glaube in unserer Art Beziehung ermöglichen die Reisen eben die Beziehung. Das heißt, ich brauche auch ein bisschen Zeit für mich. Also in unserem Fall ist das eigentlich o.k.."

Im Februar wird er in der Carnegie Hall in New York auftreten. Dort will er neben Haydn und Bach auch ein Stück der Detroiter Technolegende Carl Craig spielen. Die Rolle als Aufrüttler der Konventionen in den klassischen Musiksälen gefällt Francesco Tristano sichtlich. Er will offen bleiben für alles, was da kommt. Und so will er sich nicht einmal festlegen, ob er weiterhin Musik machen wird.

"Ich hab kein wirkliches Ziel. Ich weiß auch nicht, ob ich Musik immer machen werde, weil: Also physisch weiß ich so nicht, ob ich das ganz lange durchhalten kann, die ganzen Reisen und Jetlag und Konzerte. Das ist alles anstrengend. Ich stelle mir nicht zu viele Fragen."