Beachtliche Summe eines Lebens
Eine Ausstellung erinnert an Rudolf Frank. Er war Schauspieler, Regisseur, Übersetzer, Herausgeber, Schriftsteller und Publizist und wurde mit all seinen Fähigkeiten und Talenten wegen seiner jüdischen Herkunft um die Früchte seiner Erfolge gebracht.
Rudolf Frank war ein Meister der Vielseitigkeit. Während seiner 93 Lebensjahre nutzte er alle Formen der Schriftstellerei. Er war außerdem ein begeisterter Theatermann. Der Historiker und Ausstellungskurator Wilfried Weinke:
"Er ist angefangen als Schauspieler, hat am Theater gewirkt, ist Direktor gewesen, zum Beispiel stellvertretender Direktor der Münchner Kammerspiele, aber er ist nicht nur Theatermann geblieben, sondern hat sich auch schriftstellerisch betätigt, musste dann fliehen, weil er Jude war und in Deutschland keine Zukunft mehr hatte, und hat auch im Exil nicht aufgehört, in unterschiedlichen Berufen und in unterschiedlichen Arbeitsfeldern tätig zu sein, zum Beispiel als Übersetzer amerikanischer Literatur."
Als junger Mann edierte er Werkausgaben von Goethe und Heine. Immer zwischendurch betätigte er sich als Kritiker. Vom Ende her betrachtet: Die typische Karriere eines in Deutschland geborenen Juden im 20. Jahrhundert. Als alle anderen ihre Familienstammbäume erstellten, um nachzuweisen, dass sie bis in die dunkelste Vorzeit nur arische Vorfahren hatten, war es Rudolf Frank ein Vergnügen, die Verzweigungen seiner Familie bis ins zwölfte Jahrhundert zurück zu verfolgen.
Irgendwelche arischen Beimischungen waren nicht feststellbar. "Ahnen und Enkel" hieß das Buch, das 1936 noch in Berlin erschien. Rudolf Franks Botschaft an seine jüdischen Leser: Verlasst Deutschland, solange Ihr könnt! Flieht, wohin auch immer! Dieser Almanach wurde von einem seiner Leser, Victor Klemperer, gründlich missverstanden. Der Philologe nahm ihn als besonders abscheuliches Beispiel in sein Notizheft zur Sprache des Dritten Reiches auf. Er erkannte nicht die Camouflage im betont Betulichen des kleinen Werks.
"Durch vier Generationen hat die Firma Schmer und das Geschlecht der Schmere als Maler, Vergolder, Lackierer und Weißbindermeister geblüht und gefruchtet. Wort für Wort ist die Wahrsagung eingetroffen. Buchstäblich hat sich der gleisnerische Spruch erfüllt: 'Auf goldenem Boden wird er stehen mit Kindern und Kindeskindern.' Denn das Handwerk hat einen goldenen Boden."
Rudolf Frank, aus dem Episoden-Roman "Ahnen und Enkel" vortragend. Das Kapitel "Simcha und die zehn Gebote" ist der Bericht eines aus Deutschland geflohenen Vergolders, der im tropischen Birma seine Familiengeschichte erzählt.
Von goldenem Boden konnte 1936 im Hause Frank nicht die Rede sein. Der Autor und Theatermann stand im 50. Lebensjahr, war Vater einer Tochter und zweier Söhne und musste mit ansehen, wie sein pazifistisches Jugendbuch "Der Schädel des Negerhäuptlings Makaua" von den Nazis auf den Bücherscheiterhaufen geworfen wurde. 1931 war es erschienen. Der Pariser Politologe Alfred Grosser hat es als Frankfurter Kind besessen und mit auf die Flucht genommen:
"Es ist ein wunderbares Kriegsbuch. Ich hab es als Kind gelesen und lese es so jede drei, vier Jahre wieder. Es ist immer noch so bewegend, es ist eine Antikriegsgeschichte. Sie gibt im Rückblick Erich Maria Remarque recht mit 'Im Westen nichts Neues' oder Henri Barbusse mit 'Le Feu'. Und heute ist man sich ja sehr einig, dass es eine sinnlose gegenseitige Tötung von Franzosen und Deutschen gewesen ist, aber der Zweite Weltkrieg war ein anderer."
Dieses Jugendbuch ist Rudolf Franks Bestseller geworden: Noch heute findet man es unter dem Titel "Der Junge, der seinen Geburtstag vergaß". 1930 wurde der erste Sohn Rudolf Franks geboren. Vincent Carl ist inzwischen 80 Jahre alt und pflegt das Andenken an den Vater:
"Als ich noch nicht sechs war, wanderte er aus aus Deutschland, die Familie schickte ihn so quasi vor, schau mal, wie man in Österreich leben kann. Nun, das ging nicht, denn wer nachkam, war Hitler. Und dann in der Schweiz, wo wir dann – mein Bruder und ich – nachkamen, da war er dann auch meistens nicht mit uns zusammen. Und meine Mutter konnte sich nach Mauritius retten, was auch kein Vergnügen war, sondern sehr belastend. Und nach dem Krieg hatten sich meine Eltern doch so auseinander gelebt, dass es nicht das erste war, wenn sie's hätten wirtschaftlich ermöglichen können, dass sie unbedingt wieder zusammenziehen wollten in dem Alter."
In der Schweiz arbeitete Rudolf Frank, trotz Verbots durch die Behörden, an Übersetzungen, deren Autorschaft er hinter geborgten Namen verbarg, bis ein neidischer schweizerischer Kollege ihn auffliegen ließ. Mitten im Krieg sollte Frank wegen dieses Verbrechens des Landes verwiesen werden, aber er wurde dann doch bloß interniert. Nach dem Krieg blieb er in Basel. Er inszenierte für Laienbühnen, schrieb einem kleinen Baseler Blättchen bis ins hohe Alter von 90 Jahren Theaterkritiken und freute sich, dass man ihn in seiner Geburtsstadt Mainz mit der Gutenbergplakette ehrte und zu einem sehr hohen runden Geburtstag auch mit dem Bundesverdienstkreuz dekorierte.
Wilfried Weinke: "Sein drittes Buch, das von Wichtigkeit ist, ist seine Autobiografie 'Spielzeit meines Lebens', das 1960 erschienen ist. Das wird vor allem Theaterenthusiasten interessieren, die die ersten vier Jahrzehnte des letzten Jahrhunderts theatergeschichtlich noch einmal Revue passieren lassen wollen."
Wilfried Weinke. "Spielzeit meines Lebens" ist nur noch im Antiquariat zu finden. Darin kann man lesen, was Rudolf Frank, dem Theatermann, wichtig war.
"Er hat dafür gesorgt, dass das erste Stück des jungen Autors Brecht auf die Bühne des Theaters kam, und dann war ja die Folge, dass Brecht mit der Zeit selber inszeniert hat und sein Stil war ja, lange zu inszenieren, sodass die Münchener Kammerspiele fast pleite gingen, und da hat mein Vater das Komikerpaar Karl Valentin und Liesl Karlstadt auch auf die Bühne des Theaters gebracht, zwei Spitzenereignisse der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts."
"Er hat Elisabeth Bergner gefördert, ist mit Elisabeth Bergner und anderen Schauspielern auf Tournee gegangen, nach Italien und in die Schweiz, zum Beispiel ans Züricher Schauspielhaus. Auch das ist ein Erfolg, wenn man daran denkt, dass viele deutsche Theaterschauspieler jüdischer Herkunft später den Grundstock des Züricher Schauspielhausensembles begründeten."
Die Summe dieses Lebens ist beachtlich. Der Gedenkstein auf seinem Grab ist aus dem roten Sandstein, der charakteristisch für die Altbauten in seiner Geburtsstadt Mainz ist. Rudolf Frank hat verfügt, dass die Gutenbergplakette und das Bundesverdienstkreuz für immer bei ihm bleiben sollten. Das entspricht nicht den Vorschriften für eine jüdische Bestattung. Aber die Baseler Jüdische Gemeinde verstand, dass ein aus der Heimat Verjagter wenigstens im Tod ein Andenken an die Möglichkeit eines Lebensglücks bei sich haben wollte.
Zum Thema:
Informationen auf der Homepage der Deutschen Nationalbibliothek Frankfurt
"Er ist angefangen als Schauspieler, hat am Theater gewirkt, ist Direktor gewesen, zum Beispiel stellvertretender Direktor der Münchner Kammerspiele, aber er ist nicht nur Theatermann geblieben, sondern hat sich auch schriftstellerisch betätigt, musste dann fliehen, weil er Jude war und in Deutschland keine Zukunft mehr hatte, und hat auch im Exil nicht aufgehört, in unterschiedlichen Berufen und in unterschiedlichen Arbeitsfeldern tätig zu sein, zum Beispiel als Übersetzer amerikanischer Literatur."
Als junger Mann edierte er Werkausgaben von Goethe und Heine. Immer zwischendurch betätigte er sich als Kritiker. Vom Ende her betrachtet: Die typische Karriere eines in Deutschland geborenen Juden im 20. Jahrhundert. Als alle anderen ihre Familienstammbäume erstellten, um nachzuweisen, dass sie bis in die dunkelste Vorzeit nur arische Vorfahren hatten, war es Rudolf Frank ein Vergnügen, die Verzweigungen seiner Familie bis ins zwölfte Jahrhundert zurück zu verfolgen.
Irgendwelche arischen Beimischungen waren nicht feststellbar. "Ahnen und Enkel" hieß das Buch, das 1936 noch in Berlin erschien. Rudolf Franks Botschaft an seine jüdischen Leser: Verlasst Deutschland, solange Ihr könnt! Flieht, wohin auch immer! Dieser Almanach wurde von einem seiner Leser, Victor Klemperer, gründlich missverstanden. Der Philologe nahm ihn als besonders abscheuliches Beispiel in sein Notizheft zur Sprache des Dritten Reiches auf. Er erkannte nicht die Camouflage im betont Betulichen des kleinen Werks.
"Durch vier Generationen hat die Firma Schmer und das Geschlecht der Schmere als Maler, Vergolder, Lackierer und Weißbindermeister geblüht und gefruchtet. Wort für Wort ist die Wahrsagung eingetroffen. Buchstäblich hat sich der gleisnerische Spruch erfüllt: 'Auf goldenem Boden wird er stehen mit Kindern und Kindeskindern.' Denn das Handwerk hat einen goldenen Boden."
Rudolf Frank, aus dem Episoden-Roman "Ahnen und Enkel" vortragend. Das Kapitel "Simcha und die zehn Gebote" ist der Bericht eines aus Deutschland geflohenen Vergolders, der im tropischen Birma seine Familiengeschichte erzählt.
Von goldenem Boden konnte 1936 im Hause Frank nicht die Rede sein. Der Autor und Theatermann stand im 50. Lebensjahr, war Vater einer Tochter und zweier Söhne und musste mit ansehen, wie sein pazifistisches Jugendbuch "Der Schädel des Negerhäuptlings Makaua" von den Nazis auf den Bücherscheiterhaufen geworfen wurde. 1931 war es erschienen. Der Pariser Politologe Alfred Grosser hat es als Frankfurter Kind besessen und mit auf die Flucht genommen:
"Es ist ein wunderbares Kriegsbuch. Ich hab es als Kind gelesen und lese es so jede drei, vier Jahre wieder. Es ist immer noch so bewegend, es ist eine Antikriegsgeschichte. Sie gibt im Rückblick Erich Maria Remarque recht mit 'Im Westen nichts Neues' oder Henri Barbusse mit 'Le Feu'. Und heute ist man sich ja sehr einig, dass es eine sinnlose gegenseitige Tötung von Franzosen und Deutschen gewesen ist, aber der Zweite Weltkrieg war ein anderer."
Dieses Jugendbuch ist Rudolf Franks Bestseller geworden: Noch heute findet man es unter dem Titel "Der Junge, der seinen Geburtstag vergaß". 1930 wurde der erste Sohn Rudolf Franks geboren. Vincent Carl ist inzwischen 80 Jahre alt und pflegt das Andenken an den Vater:
"Als ich noch nicht sechs war, wanderte er aus aus Deutschland, die Familie schickte ihn so quasi vor, schau mal, wie man in Österreich leben kann. Nun, das ging nicht, denn wer nachkam, war Hitler. Und dann in der Schweiz, wo wir dann – mein Bruder und ich – nachkamen, da war er dann auch meistens nicht mit uns zusammen. Und meine Mutter konnte sich nach Mauritius retten, was auch kein Vergnügen war, sondern sehr belastend. Und nach dem Krieg hatten sich meine Eltern doch so auseinander gelebt, dass es nicht das erste war, wenn sie's hätten wirtschaftlich ermöglichen können, dass sie unbedingt wieder zusammenziehen wollten in dem Alter."
In der Schweiz arbeitete Rudolf Frank, trotz Verbots durch die Behörden, an Übersetzungen, deren Autorschaft er hinter geborgten Namen verbarg, bis ein neidischer schweizerischer Kollege ihn auffliegen ließ. Mitten im Krieg sollte Frank wegen dieses Verbrechens des Landes verwiesen werden, aber er wurde dann doch bloß interniert. Nach dem Krieg blieb er in Basel. Er inszenierte für Laienbühnen, schrieb einem kleinen Baseler Blättchen bis ins hohe Alter von 90 Jahren Theaterkritiken und freute sich, dass man ihn in seiner Geburtsstadt Mainz mit der Gutenbergplakette ehrte und zu einem sehr hohen runden Geburtstag auch mit dem Bundesverdienstkreuz dekorierte.
Wilfried Weinke: "Sein drittes Buch, das von Wichtigkeit ist, ist seine Autobiografie 'Spielzeit meines Lebens', das 1960 erschienen ist. Das wird vor allem Theaterenthusiasten interessieren, die die ersten vier Jahrzehnte des letzten Jahrhunderts theatergeschichtlich noch einmal Revue passieren lassen wollen."
Wilfried Weinke. "Spielzeit meines Lebens" ist nur noch im Antiquariat zu finden. Darin kann man lesen, was Rudolf Frank, dem Theatermann, wichtig war.
"Er hat dafür gesorgt, dass das erste Stück des jungen Autors Brecht auf die Bühne des Theaters kam, und dann war ja die Folge, dass Brecht mit der Zeit selber inszeniert hat und sein Stil war ja, lange zu inszenieren, sodass die Münchener Kammerspiele fast pleite gingen, und da hat mein Vater das Komikerpaar Karl Valentin und Liesl Karlstadt auch auf die Bühne des Theaters gebracht, zwei Spitzenereignisse der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts."
"Er hat Elisabeth Bergner gefördert, ist mit Elisabeth Bergner und anderen Schauspielern auf Tournee gegangen, nach Italien und in die Schweiz, zum Beispiel ans Züricher Schauspielhaus. Auch das ist ein Erfolg, wenn man daran denkt, dass viele deutsche Theaterschauspieler jüdischer Herkunft später den Grundstock des Züricher Schauspielhausensembles begründeten."
Die Summe dieses Lebens ist beachtlich. Der Gedenkstein auf seinem Grab ist aus dem roten Sandstein, der charakteristisch für die Altbauten in seiner Geburtsstadt Mainz ist. Rudolf Frank hat verfügt, dass die Gutenbergplakette und das Bundesverdienstkreuz für immer bei ihm bleiben sollten. Das entspricht nicht den Vorschriften für eine jüdische Bestattung. Aber die Baseler Jüdische Gemeinde verstand, dass ein aus der Heimat Verjagter wenigstens im Tod ein Andenken an die Möglichkeit eines Lebensglücks bei sich haben wollte.
Zum Thema:
Informationen auf der Homepage der Deutschen Nationalbibliothek Frankfurt