Bayreuth im Hochsommer
Bayreuth im Hochsommer: Vom Balkon des Festspielhauses spielen die Bläser Themen aus Wagner-Opern, Damen in Abendgarderobe sowie Herren im Smoking bevölkern den Grünen Hügel. Die internationale Presse gibt sich ein Stelldichein, Musikkritiker aus aller Welt berichten in ihre Heimatländer, und Fernsehteams übertragen das Spektakel.
Dann beginnt der Aufmarsch der Prominenten. Schwarze und silbergraue Limousinen fahren vor und halten am Ende eines langen roten Teppichs, der schnurstracks auf das Festspielhaus zuführt. So war es 2008, und so wird es auch bei der morgigen Eröffnung der Bayreuther Festspiele sein. Die Besetzung wechselt - die Inszenierung bleibt.
Und doch ist in diesem Sommer vieles anders. Wolfgang Wagner hat die Festspielleitung an seine Töchter Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier übergeben. Auf die beiden so ungleichen Halbschwestern kommen große Herausforderungen zu. Einen ersten Vorgeschmack auf die Zukunft lieferte in den letzten Wochen die Gewerkschaft ver.di.
Die Festspiele zahlten "sittenwidrige Löhne", ereiferten sich ver.dis Mannen und ließen die Muskeln spielen. Plötzlich stand ein möglicher Streik im Raum. Der Arbeitskampf konnte freilich abgewendet werden. Doch nun wollen auch das Orchester und der Chor mehr Geld. Der Pressesprecher der Festspielleitung zeigte Verständnis und kündigte bereits vorsichtshalber eine Erhöhung der Ticketpreise an.
Diese Scharmützel machen deutlich, dass das Jahr 2009 eine Zeitenwende in der Festspielgeschichte darstellt. Wolfgang Wagner hat das Unternehmen patriarchalisch-autoritär im Stil der 60er-Jahre geführt, wovon viele Mitwirkende ein Klagelied singen können. Man solle doch dankbar und froh sein, so die tradierte Geschäftspolitik, in Bayreuth dabei sein zu dürfen. Auch Journalisten wurden gerne von oben herab behandelt. Das alles passt aber nicht mehr in unsere Zeit. Und so ist die neue Festspielleitung um verbindlichere Umgangsformen und moderate Neuerungen bemüht.
Bereits im vergangenen Jahr gab es zum ersten Mal ein so genanntes "Public Viewing", das 15.000 Zuschauer auf den Bayreuther Festplatz lockte. Wagner und Picknick? Geht das zusammen? Manche Zeitgenossen erkannten in dem Massenschauen genau das, was Wagner mit seiner Festspielkonzeption eigentlich verhindern wollte: eine gewisse Beliebigkeit, einen Kotau vor dem Zeitgeist.
In der aktuellen Saison wird innerhalb des Projekts "Richard Wagner für Kinder" mit dem "Fliegenden Holländer" erstmals eine eigens für Kinder bearbeitete Wagner-Oper präsentiert. Doch dieses Vorhaben provozierte den Widerspruch der im Machtkampf um den Grünen Hügel unterlegenen Verwandtschaft. Man könne sich Kunst nicht erkrabbeln, ätzte Nike Wagner. Es darf angenommen werden, dass die Cousine der neuen Festspielleiterinnen deren Treiben auch in Zukunft besonders genau beobachten wird.
Seit 1876 gibt es nun die Bayreuther Festspiele. Während auf dem Grünen Hügel in den zurückliegenden 133 Jahren großartige Opern präsentiert wurden, inszenierten die Wagners ihre einzigartige Familiensaga. Auch das war oftmals ganz große Oper, manchmal aber auch nur eine beschwingte Operette, ein deftiges Boulevardstück oder eine absurde Posse. "Ich habe zeitlebens Grund gehabt, mich der Familie meiner Mutter zu schämen", schrieb Franz Wilhelm Beidler, der Sohn von Richard Wagners Lieblingstochter Isolde. Mag sein. Aber eines würde wohl auch Beidler seiner Sippe zugute halten müssen: Langweilig war es nie.
Oliver Hilmes, Jahrgang 1971, studierte Geschichte, Politik und Psychologie in Marburg, Paris und Potsdam. Er promovierte mit einer Arbeit über politische Musikgeschichte und arbeitete in der Intendanz der Berliner Philharmoniker. Nach seinem großen Erfolg mit "Herrin des Hügels, Das Leben der Cosima Wagner" erschien im Juni 2009 "Cosimas Kinder, Triumph und Tragödie der Wagner-Dynastie" (Siedler Verlag).
Und doch ist in diesem Sommer vieles anders. Wolfgang Wagner hat die Festspielleitung an seine Töchter Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier übergeben. Auf die beiden so ungleichen Halbschwestern kommen große Herausforderungen zu. Einen ersten Vorgeschmack auf die Zukunft lieferte in den letzten Wochen die Gewerkschaft ver.di.
Die Festspiele zahlten "sittenwidrige Löhne", ereiferten sich ver.dis Mannen und ließen die Muskeln spielen. Plötzlich stand ein möglicher Streik im Raum. Der Arbeitskampf konnte freilich abgewendet werden. Doch nun wollen auch das Orchester und der Chor mehr Geld. Der Pressesprecher der Festspielleitung zeigte Verständnis und kündigte bereits vorsichtshalber eine Erhöhung der Ticketpreise an.
Diese Scharmützel machen deutlich, dass das Jahr 2009 eine Zeitenwende in der Festspielgeschichte darstellt. Wolfgang Wagner hat das Unternehmen patriarchalisch-autoritär im Stil der 60er-Jahre geführt, wovon viele Mitwirkende ein Klagelied singen können. Man solle doch dankbar und froh sein, so die tradierte Geschäftspolitik, in Bayreuth dabei sein zu dürfen. Auch Journalisten wurden gerne von oben herab behandelt. Das alles passt aber nicht mehr in unsere Zeit. Und so ist die neue Festspielleitung um verbindlichere Umgangsformen und moderate Neuerungen bemüht.
Bereits im vergangenen Jahr gab es zum ersten Mal ein so genanntes "Public Viewing", das 15.000 Zuschauer auf den Bayreuther Festplatz lockte. Wagner und Picknick? Geht das zusammen? Manche Zeitgenossen erkannten in dem Massenschauen genau das, was Wagner mit seiner Festspielkonzeption eigentlich verhindern wollte: eine gewisse Beliebigkeit, einen Kotau vor dem Zeitgeist.
In der aktuellen Saison wird innerhalb des Projekts "Richard Wagner für Kinder" mit dem "Fliegenden Holländer" erstmals eine eigens für Kinder bearbeitete Wagner-Oper präsentiert. Doch dieses Vorhaben provozierte den Widerspruch der im Machtkampf um den Grünen Hügel unterlegenen Verwandtschaft. Man könne sich Kunst nicht erkrabbeln, ätzte Nike Wagner. Es darf angenommen werden, dass die Cousine der neuen Festspielleiterinnen deren Treiben auch in Zukunft besonders genau beobachten wird.
Seit 1876 gibt es nun die Bayreuther Festspiele. Während auf dem Grünen Hügel in den zurückliegenden 133 Jahren großartige Opern präsentiert wurden, inszenierten die Wagners ihre einzigartige Familiensaga. Auch das war oftmals ganz große Oper, manchmal aber auch nur eine beschwingte Operette, ein deftiges Boulevardstück oder eine absurde Posse. "Ich habe zeitlebens Grund gehabt, mich der Familie meiner Mutter zu schämen", schrieb Franz Wilhelm Beidler, der Sohn von Richard Wagners Lieblingstochter Isolde. Mag sein. Aber eines würde wohl auch Beidler seiner Sippe zugute halten müssen: Langweilig war es nie.
Oliver Hilmes, Jahrgang 1971, studierte Geschichte, Politik und Psychologie in Marburg, Paris und Potsdam. Er promovierte mit einer Arbeit über politische Musikgeschichte und arbeitete in der Intendanz der Berliner Philharmoniker. Nach seinem großen Erfolg mit "Herrin des Hügels, Das Leben der Cosima Wagner" erschien im Juni 2009 "Cosimas Kinder, Triumph und Tragödie der Wagner-Dynastie" (Siedler Verlag).

Oliver Hilmes© Maximilian Lautenschläger