Bayern vorn!
Wo Nordlichter früher die Wahrung des bayerischen Lebensstils als Verschrobenheit abtaten, ist heute vom ländlich-bodenständigem Charme eines der beliebtesten Reiseziele die Rede, meint der Publizist Norbert Seitz. Auch bei der PISA-Studie haben die bayerischen Schüler die Nase vorn.
„Unser Volk ist kein lesendes Volk, es geht lieber in Versammlungen.“ So versuchte 1894 der bayerische SPD-Führer Georg von Vollmar seinen Genossen Land und Leute zwischen Lech, Isar und Inn zu erklären. Und er vertröstete sie auf eine Zeit, „wenn erst das Nordlicht auch bei uns seinen scharfen Schein verbreitet“.
Noch bis in die achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts hielt sich das Negativimage, dass vom Fichtelgebirge bis zu den Alpen die Uhren anders gingen. Dieses Bild von Bayern entsprach dem folkloristisch besetzten Ruf von kultureller Rückständigkeit, der häufig im Spott gipfelte, wonach in manchem niederbayerischen Herrgottswinkel noch das Licht mit dem Hammer gelöscht würde.
Weltläufige Hanseaten und frankophil gestimmte rheinische Frohnaturen rümpften gern die Nase oder amüsierten sich auf Kosten des bierernst behaupteten regionalen Selbstbewusstseins im Lande der Altbayern, Schwaben und Franken.
Früher flüchteten noch Studienanfänger nach dem Abitur über den Weißwurstäquator gen Norden der Republik, um krachlederner Einfalt oder klerikaler Borniertheit zu entfliehen, getreu der Devise, dass auf Dauer keiner ungestraft unter Bierkrügen wandle.
Doch davon kann heute kaum noch die Rede sein, seit Bundespräsident Roman Herzog aus Landshut für seine Stammesbrüder und -schwestern die Formel von der glorreichen Verbindung aus „Laptop und Lederhose“ prägte.
Wo Nordlichter früher die eiserne Wahrung des bayerischen Lebensstils als Verschrobenheit von hinterwäldlerischen Sonderlingen mitleidig abtaten, ist heute vom ländlich-bodenständigem Charme eines Landes die Rede, das als Reiseziel noch immer touristische Rekorde bricht.
Selbst die früher so heftig befehdeten Dauererfolge des FC Bayern München in der Bundesliga nötigen den Gegnern mittlerweile eher respektvolle Anerkennung als durchsichtige Verschwörungsideologien ab.
Und die Staatspartei CSU? Deren interne Ranküne in der Union wird längst nicht mehr als ewige Streithanselei, sondern als innovative Unruhe aus den Bergen im Urwerk des bundesdeutschen Föderalismus geadelt.
Bayern ist Spitze! Wenn es noch eines letzten Beweises bedurft hätte, dann wurde er letzte Woche mit der Bekanntgabe der PISA-Studie von 2003 geliefert.
Zum zweiten Mal wurden 15-jährige Schülerinnen und Schüler in Europa auf Fakten und fachliche Kompetenzen hin geprüft. Testfelder sind Naturwissenschaften, Mathematik, Lesen und Problemlösen.
Und siehe da, die Bayern siegten national so deutlich, als wären nicht der Maxl und die Irmi auf der Schulbank, sondern der Ballack und der Kahn auf dem Rasen getestet worden.
Bayerische Schüler erhielten bis zum 15. Lebensjahr noch immer 1000 Stunden mehr Unterricht als ein Gleichaltriger in Nordrhein-Westfalen. Der Leistungsunterschied zwischen dem Freistaat und der Hansestadt Bremen betrage 1,5 Schuljahre.
Hier seien halt – von Würzburg bis Garmisch – die Rahmenbedingungen besonders günstig, so heißt es – durch eine geringe Jugendarbeitslosigkeit, eine ökonomisch leistungsfähige Region und eine unterdurchschnittliche Landesverschuldung. Sogar die sozial Schwachen schnitten in Bayern von der Bildung her besser ab.
Was wunder, dass der bayerische Kultusminister und Hohlmeier-Nachfolger Schneider die bildungsideologische Keule schwang und pflichtvergessenen Alt-68ern die Leviten las:
Sekundärtugenden wie Fleiß, Ordnung, Disziplin, Pünktlichkeit, Verlässlichkeit und vor allem: intakte Elternhäuser stellten noch immer landesweit taugliche Kriterien dar, die zum Mitspielen in der Champions League befähigten.
Einschränkend wiesen Bildungsexperten freilich auf die soziale Schieflage hin, dass Bayern die geringste Übergangsquote zum Gymnasium und zu den Universitäten aufweise. Weshalb das Land jährlich mehr als 4000 Akademiker aus dem Rest der Republik importieren müsse.
Außerdem wurde eingewandt, dass in Bremen 40 Prozent der getesteten Kinder aus Migrantenfamilien stammten, in Bayern nur halb so viel. Die hohen Arbeitslosen- und Sozialhilfeempfängerquoten unter den abgehängten Nordlichtern nicht zu vergessen.
Doch solches Herummäkeln am erfolgreichen Endresultat ficht unsere trotzigen Landsleute zwischen Lindau und Straubing nicht an. Im Gegenteil: Die national führenden Bajuwaren sehen sich unbeirrbar auf dem Weg zur Weltspitze, rangieren sie doch im europäischen Vergleich schon auf Platz 3 – nur noch von finnischen Saunaschwitzern und holländischen Tulpenzüchtern überflügelt.
Uli Hoeness würde wohl sagen: Wäre doch gelacht, wenn wir die nicht auch noch beim nächsten Mal putzen würden!
Norbert Seitz, Publizist, Politologe. Geboren 1950 in Wiesbaden, promovierter Politologe, ist verantwortlicher Redakteur der politischen Kulturzeitschrift „Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte“; schreibt u.a. für den „Tagesspiegel“, die „Frankfurter Rundschau“ und verschiedene Magazine. Letzte Buchveröffentlichung: „Die Kanzler und die Künste. Die Geschichte einer schwierigen Beziehung“ (2005).
Noch bis in die achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts hielt sich das Negativimage, dass vom Fichtelgebirge bis zu den Alpen die Uhren anders gingen. Dieses Bild von Bayern entsprach dem folkloristisch besetzten Ruf von kultureller Rückständigkeit, der häufig im Spott gipfelte, wonach in manchem niederbayerischen Herrgottswinkel noch das Licht mit dem Hammer gelöscht würde.
Weltläufige Hanseaten und frankophil gestimmte rheinische Frohnaturen rümpften gern die Nase oder amüsierten sich auf Kosten des bierernst behaupteten regionalen Selbstbewusstseins im Lande der Altbayern, Schwaben und Franken.
Früher flüchteten noch Studienanfänger nach dem Abitur über den Weißwurstäquator gen Norden der Republik, um krachlederner Einfalt oder klerikaler Borniertheit zu entfliehen, getreu der Devise, dass auf Dauer keiner ungestraft unter Bierkrügen wandle.
Doch davon kann heute kaum noch die Rede sein, seit Bundespräsident Roman Herzog aus Landshut für seine Stammesbrüder und -schwestern die Formel von der glorreichen Verbindung aus „Laptop und Lederhose“ prägte.
Wo Nordlichter früher die eiserne Wahrung des bayerischen Lebensstils als Verschrobenheit von hinterwäldlerischen Sonderlingen mitleidig abtaten, ist heute vom ländlich-bodenständigem Charme eines Landes die Rede, das als Reiseziel noch immer touristische Rekorde bricht.
Selbst die früher so heftig befehdeten Dauererfolge des FC Bayern München in der Bundesliga nötigen den Gegnern mittlerweile eher respektvolle Anerkennung als durchsichtige Verschwörungsideologien ab.
Und die Staatspartei CSU? Deren interne Ranküne in der Union wird längst nicht mehr als ewige Streithanselei, sondern als innovative Unruhe aus den Bergen im Urwerk des bundesdeutschen Föderalismus geadelt.
Bayern ist Spitze! Wenn es noch eines letzten Beweises bedurft hätte, dann wurde er letzte Woche mit der Bekanntgabe der PISA-Studie von 2003 geliefert.
Zum zweiten Mal wurden 15-jährige Schülerinnen und Schüler in Europa auf Fakten und fachliche Kompetenzen hin geprüft. Testfelder sind Naturwissenschaften, Mathematik, Lesen und Problemlösen.
Und siehe da, die Bayern siegten national so deutlich, als wären nicht der Maxl und die Irmi auf der Schulbank, sondern der Ballack und der Kahn auf dem Rasen getestet worden.
Bayerische Schüler erhielten bis zum 15. Lebensjahr noch immer 1000 Stunden mehr Unterricht als ein Gleichaltriger in Nordrhein-Westfalen. Der Leistungsunterschied zwischen dem Freistaat und der Hansestadt Bremen betrage 1,5 Schuljahre.
Hier seien halt – von Würzburg bis Garmisch – die Rahmenbedingungen besonders günstig, so heißt es – durch eine geringe Jugendarbeitslosigkeit, eine ökonomisch leistungsfähige Region und eine unterdurchschnittliche Landesverschuldung. Sogar die sozial Schwachen schnitten in Bayern von der Bildung her besser ab.
Was wunder, dass der bayerische Kultusminister und Hohlmeier-Nachfolger Schneider die bildungsideologische Keule schwang und pflichtvergessenen Alt-68ern die Leviten las:
Sekundärtugenden wie Fleiß, Ordnung, Disziplin, Pünktlichkeit, Verlässlichkeit und vor allem: intakte Elternhäuser stellten noch immer landesweit taugliche Kriterien dar, die zum Mitspielen in der Champions League befähigten.
Einschränkend wiesen Bildungsexperten freilich auf die soziale Schieflage hin, dass Bayern die geringste Übergangsquote zum Gymnasium und zu den Universitäten aufweise. Weshalb das Land jährlich mehr als 4000 Akademiker aus dem Rest der Republik importieren müsse.
Außerdem wurde eingewandt, dass in Bremen 40 Prozent der getesteten Kinder aus Migrantenfamilien stammten, in Bayern nur halb so viel. Die hohen Arbeitslosen- und Sozialhilfeempfängerquoten unter den abgehängten Nordlichtern nicht zu vergessen.
Doch solches Herummäkeln am erfolgreichen Endresultat ficht unsere trotzigen Landsleute zwischen Lindau und Straubing nicht an. Im Gegenteil: Die national führenden Bajuwaren sehen sich unbeirrbar auf dem Weg zur Weltspitze, rangieren sie doch im europäischen Vergleich schon auf Platz 3 – nur noch von finnischen Saunaschwitzern und holländischen Tulpenzüchtern überflügelt.
Uli Hoeness würde wohl sagen: Wäre doch gelacht, wenn wir die nicht auch noch beim nächsten Mal putzen würden!
Norbert Seitz, Publizist, Politologe. Geboren 1950 in Wiesbaden, promovierter Politologe, ist verantwortlicher Redakteur der politischen Kulturzeitschrift „Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte“; schreibt u.a. für den „Tagesspiegel“, die „Frankfurter Rundschau“ und verschiedene Magazine. Letzte Buchveröffentlichung: „Die Kanzler und die Künste. Die Geschichte einer schwierigen Beziehung“ (2005).