Bayern

Pale Ale mit Aprikosentönen

Horst Seehofer gönnt sich auch gern eine Maß
Die Maß gibt es in Bayern in ganz verschiedenen Geschmacksnoten - auch für Horst Seehofer © dpa / Peter Kneffel
Von Michael Watzke |
Bierverkoster haben einen harten Job: Sie suchen nach Aromen und Geschmacksnoten und müssen gut unterscheiden können. In Bayern sorgen 637 Brauereien für diese ganz verschiedenen Bier-Noten.
"Jetzt möchte ich Euch erstmal alle begrüßen. Schön, dass Ihr da seid! Wir fangen an mit dem Simco!"
Bierprobe in Bayern. Verkoster Claus-Dieter Haussmann öffnet eine Flasche Simco3 aus Augsburg. Bernsteinfarben und dickflüssig fließt das India Pale Ale ins Glas.
"Ganz wichtig bei den Bieren jetzt: an jedem Bier richtig riechen. Ihr werdet feststellen, was das für Aromen sind. Das ist teilweise geradezu explosionsartig."
Die 15 Bier-Probanden aus ganz Deutschland entdecken Hopfen-Noten, Aprikosen-Töne, sogar eine Spur Mango. Ihre Nasen tauchen so tief in die Gläser, dass sie mit weißen Spitzen wieder auftauchen.
"Ihr seht schon: unwahrscheinliche Schaum-Entwicklung. [Lachen.] Das sind Ale-Biere. Craft-Biere. Die haben in den letzten vier, fünf Jahren unwahrscheinlich angezogen."
In den letzten vier, fünf Jahren sind in Bayern Dutzende neue Brauereien entstanden. Die Gegend um Bamberg in Oberfranken hatte schon immer die höchste Brauereidichte in Deutschland. Aber nun kommen auch aus Oberbayern, der Oberpfalz und Schwaben Bier-Pioniere dazu, erklärt Claus-Dieter Haussmann.
"In Bayern gibt's 637 Brauereien. Jede stellt ungefähr fünfeinhalb Produkte her. Macht ungefähr 3000 Produkte. Das allein mit vier Zutaten hinzukriegen, ist genial."
Denn das Bayerische Reinheitsgebot von 1516 erlaubt den Bierbrauern im Freistaat bis heute genau vier Grundstoffe.
Kein romantischer Alltag beim Kosten
"Hopfen, Gerste, Wasser, Malz. Das Wasser wird immer ein bisschen vernachlässigt. Ist aber einer der entscheidenden Faktoren. Ich kann das gleiche Produkt woanders herstellen, mit den völlig gleichen Zutaten - und habe ein anderes Ergebnis."
Der Getränkehändler Claus-Dieter Haussmann aus Feldkirchen bei München bietet in seinem Markt 210 Biersorten an. Haussmann kennt sie alle in- und auswendig. Das beweist schon sein mächtiger Bauch, der sich unter einer wollenen Trachtenweste spannt. Hausmann ist ein wandelndes bayerisches Bier-Lexikon.
"Das besondere am bayerischen Bier ist die Vielfalt. In der Farbe, in der Geschmacksgebung. In dem Wissen, was dahintersteckt und auch weitergegeben wird. Viele Rezepte werden nur mündlich weitergegeben. Wir haben eine Brauerei, die haben umgebaut und dabei nach 500 Jahren ein Rezept entdeckt. In einem Dachgebälk. Das haben sie jetzt nachgebraut. Das ist wissenswert. Das muss man weitergeben. Das geht halt nur mit kleinen Brauereien. Denn die Großen haben alles abgerissen. Da wird ein Knöpfchen gedrückt, und es läuft alles. Aber die Kleinen stehen noch dahinter und machen einfach."
Ganz so romantisch, wie Haussmann es beschreibt, ist der Alltag der bayerischen Mikro-Brauer allerdings nicht. Die meisten können gerade so überleben. Friedrich Düll, der Präsident des Bayerischen Brauerbundes, weist auf den schwächer werdenden Bier-Konsum in Europa hin.
"Wir haben aufgrund der Wirtschaftskrise in den EU-Ländern leichte Rückgänge, dort ist die Krise noch nicht ganz überstanden. Im Inlands-Geschäft wollen wir unsere Absätze halten. Das ist schon ambitioniert, weil schon aufgrund des demografischen Wandels es immer mehr Ältere gibt, die nicht mehr Bier trinken. Und immer weniger Jugendliche, die also traditionell im Bieralter sind."
Nun kann man darüber streiten, ob Jugendliche tatsächlich im besten Bieralter sein sollten. Tatsache ist allerdings, dass die neuen Kleinbrauereien aus Bayern ihre Erfolge vor allem bei jungen, hippen Stadtbewohnern feiern. Der Hipster greift statt zum Beck's oder Löwenbräu immer öfter zum Schönramer oder Riegele, weiß Brauer-Präsident Düll.
"Diese Biere finden natürlich von den Mengen her im ganz kleinen Bereich statt. Aber sie wachsen. Für die Hopfenbauern ist interessant, dass zum Teil die zehnfache Hopfenmenge drin ist. Das macht bei den Hopfenbauern schon was aus. Und sie bereichern den Biermarkt. Was ganz wichtig ist: sie machen den Biermarkt interessant auch für andere Zielgruppen. Ich denke da gerade an Frauen."
Frauen sind in Deutschland eher unterdurchschnittliche Bierkonsumenten. In Bayern aber trinken die Damen nicht nur mehr als anderswo, sie leiten sogar erfolgreiche Brauereien. Zum Beispiel Susanne Horn: die 38jährige Betriebswirtin ist Chefin der oberpfälzischen Lammsbräu, des größten Biobier-Herstellers der Welt.
"Wenn wir uns jetzt im Biobier-Markt sehen, dann sind wir eine große Brauerei. Was aber daran liegt, dass der Biobier-Markt nur 0,4 Prozent des Gesamt-Marktes ausmacht. Wenn wir uns im konventionellen Markt sehen, sind wir eher eine kleine Brauerei. Wir gehören offiziell in die Kategorie der Mittelständler. Das sind Brauereien zwischen 50.000 und 500.000 Hektoliter."
Weitgehend Handarbeit
Zum Vergleich: Der deutsche Biermarkt-Führer, die Radeberger Gruppe, produziert jährlich rund 12 Millionen Hektoliter - fast 200 mal so viel wie Lammsbräu. Aber die Biobrauer aus Neumarkt in Nordbayern haben ihre Nische gefunden und behauptet.
"Man braucht Nischen oder - wie wir es immer sagen - Ecken und Kanten. Um nicht vergleichbar zu sein mit dem Massenprodukt. Unsere Nische ist seit vielen, vielen Jahren das Bio-Bier. Wobei wir auch immer betont haben, dass wir die hohe Qualität und Besonderheit der Biere für den Verbraucher symbolisieren wollen."
Bei Lammsbräu reicht ein Blick auf das Brauerei-Gelände, um den Unterschied zu erkennen. Statt weniger großer Lagertanks stehen hier viele kleine, weil das Bier länger reifen muss. Es gibt eine eigene Mälzerei und viel mehr Facharbeiter als bei Großbrauereien, sagt Brauchefin Horn.
"Wenn ich mit dem Bier nichts mehr tun muss, sondern einfach nur Regler auf, vor und zurück, dann kann ich ungelernte Kräfte einsetzen. Das ist bei uns kaum möglich."
Bei Lammsbräu ist Bierbrauen noch weitgehend Handarbeit. Und eine Flasche Biobier schmeckt jedes Jahr anders - aber immer nach Bayern, sagt Susanne Horn.
"Wir sind schon stolz darauf, aus Bayern zu kommen. Auch für die Bio-Kunden ist Bayern und Bier eine stimmige Allianz."
Eine Allianz, die man bei der Bierprobe von Claus-Dieter Haussmann in Feldkirchen mit dem Gaumen entdeckt. Bier ist hier der neue Wein.
"Die Leute haben es satt, Konsumbiere - sprich: Massenware - zu trinken. Sie besinnen sich auf die Wurzeln und haben dadurch die kleinen bayerischen Brauereien wiederentdeckt, die teilweise seit 700 Jahren vor Ort sind."
Man lernt bei einer bayerischen Bierprobe, was es heißt, ein gepflegtes Bierchen zu trinken.