Bayerischer Querulant im Kampf gegen Beschränktheit

Von Nino Ketschagmadse · 25.02.2009
Bereits seit 35 Jahren schimpft, schreit und singt Sigi Zimmerschied gegen die konservative Engstirnigkeit vor allem seiner Heimatstadt Passau an. Dabei geht er spielend mit Kirche, Gesellschaft, Medien und Politik scharf ins Gericht. Momentan ist er mit seinem neuen Programm "Zeitgeister" auf Tournee, einer Collage aus Bildern und Texten quer durch die Jahrzehnte.
Mit dieser Aussprache im Jahr 1981 wollte Sigi Zimmerschied im "Hassliebe"-Verhältnis zu seiner Heimat Passau einiges klarstellen. Weil der Kabarettist die Bischofsstadt zum Sinnbild für Beschränktheit und für das Erzkonservative in Bayern erhob, beschimpfte man ihn landauf landab als Nestbeschmutzer. Für einen Eklat hatte bereits 1975 das Premierenstück "Himmelskonferenz" der mit Bruno Jonas seinerzeit frisch gegründeten Kabarettgruppe "Die Verhohnepeopler" gesorgt.

"Uralter müder Gottesvater, ständig besoffener Heiliger Geist, Jesus, der nur kifft, Maria, die zum zweiten Mal schwanger ist. Und diese ganzen Amtskirchenfunktionäre, Petrus, der politische Geschäfte macht. Das war die Entmystifizierung des Himmels, das war eigentlich der Auslöser."

Der damals 22-jährige Zimmerschied bekam eine Klage mit dem Vorwurf der Gotteslästerung und wurde erst nach einem halbjährigen Ermittlungsverfahren freigesprochen. Beim Bayerischen Rundfunk blieb er daraufhin gleich weitere drei Jahre auf dem Index. Seiner Kritik an der katholisch-konservativen Kirche blieb Zimmerschied aber treu.

Dabei war er als Kind und Jugendlicher ein fleißiger Kirchgänger: 1953 geboren, besuchte er einen katholischen Kindergarten, war Ministrant, Lektor und Pfarrjugendführer. Der Passauer studierte sogar vier Semester lang Religionspädagogik. Umso mehr er sich aber damit beschäftigte, desto abstruser und fremder wurde ihm das Thema. Vor etwa 20 Jahren trat er dann zusammen mit seiner Frau aus der Kirche aus.

"Es war ganz eigenartig: Wir wollten das schon lang, und während ich mit meiner Frau am Standesamt war, diese Heiratsformalitäten, da fragt uns der Standesbeamte 'Und: Konfession?'. Dann haben wir gesagt: 'Um Gottes willen, wir wollten ja austreten', haben den dann sitzen lassen, sind ins nächste Zimmer, beide ausgetreten und dann sind wir beide zurück, und haben dann konfessionslos reingeschrieben."

Die Kirche ist aber bei weitem nicht das einzige Ziel von Zimmerschieds politischem Kabarett. Oberflächlichkeiten der Medien oder zubetonierte Köpfe in Politik und Gesellschaft gehören genauso zum Repertoire des mittlerweile 55-Jährigen.

Seine mal mehr witzigen, mal bewusst ätzenden Geschichten erzählt der relativ kleine, kräftig gebaute Mann überwiegend auf Bühnen im süddeutschen und österreichischen Raum, weil ihn insbesondere Bayern wegen des Dialekts am einfachsten verstehen. Auch sonst hielt er sich bis jetzt vom Fernsehen weitgehend fern. Durch die Zwänge der Medien werde Kabarett weniger bissig - gefälliger, oberflächlicher.

"Ich habe vor kurzem eine These aufgestellt, dass allein die Formenvielfalt im Kabarett vor 100 Jahren größer war wie jetzt. Jetzt gibt es nur eine Form von Kabarett, das ist diese grade Eins-zu-eins-Pointe in die Kamera gesprochen, am besten über irgendwelche Politiker.
Alles andere, was es an Disziplinen gäbe, literarisches Kabarett, musikalisches, visuelles, es ist im Grunde genommen verschwunden, es ist abgetötet worden ..."

Auch hier versucht Sigi Zimmerschied gegenzusteuern: Er singt, schauspielert, provoziert, wird bildlich, und irgendwo mittendrin reißt er mal ein paar Witze. Auch darüber, dass diese Versuche der Formenvielfalt nicht immer verstanden werden.

Sein Publikum erreicht der Kabarettist aber immer. Vor allem durch seine Authentizität und Glaubwürdigkeit. Und durch das unglaubliche Temperament, mit dem er auf der Bühne agiert. Nicht selten gerät Zimmerschied dabei ernsthaft in Rage. Im Privaten sei er eigentlich ein sehr gelassener Mensch, sagt er von sich selbst.

"Vielleicht wäre ich unausstehlich privat, wenn ich die Bühne nicht hätte. Der Abend, es ist ja nicht nur Wut, es ist einfach große Lust, in verschiedene Zustände zu tauchen, verschiedene Befindlichkeiten auch zu spielen und kurzfristig anzunehmen, wieder zu wechseln und das ist viel vielschichtiger als Wut."

Sigi Zimmerschied ist auch ein ernsthafter Schauspieler. Zuletzt wirkte er in größeren Nebenrollen in zwei Filmen von Marcus H. Rosenmüller mit: in "Räuber Kneißl" und in "Die Perlmutterfarbe".

Und er stellte gerade auch einen eigenen Film fertig - "Schartl", wo er abseits von finanziellen Abhängigkeiten von TV-Redaktionen oder Förderanstalten vehement gegen Medienzirkus, Kirche, kleinkarierte Spießbürger und vor allem auch gegen alte und neue Nazis wettert. Momente der Resignation kennt er übrigens nicht.

"Das ist für mich Elixier, dieses Sisyphusartige, es gibt Ästhetik der Vergeblichkeit und Komik hat sehr viel davon."