Bayerische Sozialministerin lehnt "Rentendialog" ab

Christine Haderthauer im Gespräch mit Ute Welty |
Die Sozialministerin von Bayern, Christine Haderthauer (CSU), hält es für unrealistisch, Rentnern eine Grundabsicherung erst nach 45 Jahren Vollzeitbeschäftigung zu garantieren.
Ute Welty: Der Donnerstagmorgen mit Deutschlandradio Kultur, und Deutschland wacht wieder einmal ziemlich peinlich berührt auf: Die Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit stellt diesem reichen Land ein Armutszeugnis aus, denn Deutschland tut nicht genug für seine Rentner. Deutschland gehöre international zu den Schlusslichtern bei der Alterssicherung von Geringverdienern, so die OECD.

Und wie es der Zufall will, beginnt die Bundesarbeitsministerin von der CDU gerade in diesen Tagen ihren natürlich lange geplanten Rentendialog. Ursula von der Leyen plant laut Medienberichten unter anderem eine Zusatzrente aus Steuermitteln. Gefordert hatte das auch die bayerische Sozialministerin Christine Haderthauer von der CSU. Guten Morgen!

Christine Haderthauer: Guten Morgen!

Welty: Ziehen jetzt CDU und CSU tatsächlich an einem Strang? Das wäre ja fast was Neues in diesem Herbst.

Haderthauer: Wir sind uns auf jeden Fall einig, dass wir eine Absicherung der Rentenhöhe brauchen für diejenigen, die zukünftig in die Rente kommen, denn wir haben heute ganz andere Erwerbsbiografien, die eben von vielen Unterbrechungen gekennzeichnet sind, aber auch von Phasen des geringen Einkommens. Und das muss im Rentensystem so abgesichert werden, dass wir einen Rentenanspruch haben bei denen, die lange gearbeitet haben, der deutlich über der Grundsicherung liegt.

Welty: Wenn man genauer hinschaut, dann finden sich aber doch erhebliche Unterschiede. Sie, Frau Haderthauer, legen 35 Beitragsjahre zugrunde, Frau von der Leyen 45 Jahre – treffen Sie sich am Ende dann hübsch in der Mitte, und niemandem ist geholfen?

Haderthauer: Also mir ist eigentlich gar nicht so sehr die genaue Zeit der Jahre wichtig, aber ich sage einfach, 45 Jahre, das finden wir heute in den wenigsten Erwerbsbiografien als durchgängige Vollzeiterwerbstätigkeit.

Welty: Ich würde schon die 35 Jahre bezweifeln.

Haderthauer: Schon die 35 sind schwierig, aber die 45 erst recht. Und wenn wir hier zu kurz springen mit der Mindestrente und zu hohe Hürden aufbauen, dann müssen das letztlich unsere Kinder über die Steuern dann wieder regulieren, und deswegen appelliere ich dran, dass wir das jetzt so aufsetzen, dass es dann auch wirklich die wichtigsten Fälle mitnimmt. Das sind die 35 Jahre Vollzeitarbeit, aber aus meiner Sicht ganz wichtig nicht nur die Erwerbstätigkeit, sondern bitte die ganze Lebensleistung honorieren und deswegen auch die erbrachte Familienarbeit hier mit anrechnen.

Welty: Wie stellen Sie sich diese Aufwertung konkret vor?

Haderthauer: Es gibt ja Zeiten, in denen die Erwerbsbiografie dadurch gekennzeichnet ist, dass ich aus Familiengründen weniger gearbeitet habe. Das ist heute nicht nur die Kindererziehung, das ist ja dann auch noch mal die Pflege in einem späteren Lebensstadium, die Angehörigenpflege. Und diese Familienarbeit ist genauso Lebensleistung wie aushäusige Erwerbstätigkeit und hat deswegen aus meiner Sicht mit 100 Prozent des Durchschnittseinkommens hochgezogen zu werden, also höher bewertet zu werden, sodass ich dann auch den entsprechenden Rentenanspruch daraus habe. Dann hätten wir auch eine Hauptursache für Altersarmut, nämlich die weibliche Altersarmut, mit bewältigt.

Welty: Bleibt die Frage, wer das am Ende bezahlen soll, denn der Etat des Arbeitsministeriums ist eh mit mehr als 126 Milliarden Euro der dickste Posten im Haushalt 2012, das ist fast die Hälfte insgesamt. Wo sehen Sie denn da noch Luft?

Haderthauer: Wichtig ist mir, dass wir überprüfen, ob wir zum Beispiel diese familienbezogene Mindestrente in einer Nachfolge nach der bisherigen Witwenrente gestalten können. Die Lebensentwürfe von Frauen sind ja heute, dass sie arbeiten und zusätzlich Familienarbeit machen, und deswegen würden wir sehr viel zielgenauer als mit der alten Witwenrente heute mit der familienbezogenen Mindestrente diese Fälle abfedern und (…) werden.

Welty: Zielgenauer, aber auch teurer.

Haderthauer: Ja, aber wenn Sie das nicht machen, dann haben Sie die Kosten ja auch, wir wollen ja niemand über Bord gehen lassen. Nur dann zahlen es eben die Steuerzahler der Zukunft – das müssen wir uns sehr genau überlegen.

Welty: Wenn die CSU sich wirklich trauen würde, etwas für die Rentner zu tun und auch das S zu betonen und nicht nur das C im Namen, müssten Sie da nicht radikaler nachdenken – über Mindestlohn und Mindestrente für alle?

Haderthauer: Wissen Sie, bei dem Mindestlohn, da ist es so eine Sache. Das haben wir ja in vielen Branchen und haben aber nicht festgestellt, dass sich dadurch die Verhältnisse wesentlich gebessert hätten. Ich halte das für ein sehr schwieriges Werkzeug, was wir auch nicht gegen den Wunsch der Tarifpartner durchsetzen sollten. Aber bei der Mindestrente bin ich völlig der Meinung, wir müssen dafür sorgen, dass die, die lange gearbeitet haben, Familie oder Erwerbstätigkeit, ihre Mindestrente haben, aber es muss schon noch ein Unterschied sein zu denen, die wenig gearbeitet haben. Und deswegen sagen wir, wir bestehen schon auf gewissen Versicherungszeiten oder Familienarbeitszeiten, die dann in den Genuss dieser Mindestrente kommen.

Welty: Die Bundesregierung hat bislang zwei Jahre lang nichts gemacht, obwohl die Rentenfrage im Koalitionsvertrag festgehalten ist, und auch Sie haben sich nicht eher zu Wort gemeldet. Was geht noch bis zur nächsten Bundestagswahl 2013, wenn die Mühlen so langsam mahlen?

Haderthauer: Also man muss ja sehen, dass das Thema Altersarmut ein Thema ist, was in Zukunft zwar auf uns zukommen wird, momentan haben wir aber – so die Zahlen – eine Generation im Rentenbezug, die so gut gestellt ist, wie sie sie in Zukunft nie mehr sein wird. Und das heißt, es gilt, jetzt die Weichen für die Zukunft zu stellen, und das werden wir in dieser Legislaturperiode auch schaffen.

Welty: 2013 wird nicht nur im Bund gewählt, sondern auch in Bayern. Inwieweit werfen die nächsten Landtagswahlen und ein möglicher SPD-Kandidat – Christian Ude – ihre Schatten auf die ganze Diskussion, denn in einer überalterten Gesellschaft bilden die Rentner ja ein nicht unerhebliches Potenzial?

Haderthauer: Das ist völlig richtig, und deswegen ist es auch absolut legitim, jetzt weiter auf solide Sachpolitik zu machen und auch angezeigt. Und jeder, der sich für das Thema Alter interessiert, der wird merken, dass er da bei der Union gut aufgehoben ist, aber dass gerade auch unter den Sozialdemokraten hier eher Einschnitte erfolgt sind. Aber wissen Sie, zwei Jahre vorher fangen wir noch nicht mit dem Wahlkampf an, das wäre auch, glaube ich, was, was bei den Bürgern nicht besonders gut ankommen würde.

Welty: Die bayerische Sozialministerin Christine Haderthauer im Interview der "Ortszeit". Danke dafür und einen guten Tag noch!

Haderthauer: Danke, guten Tag, Wiederhören!


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