Baustelle

Das "Große Loch" im Allgäu

Die Basilika St. Lorenz in Kempten (Schwaben) hinter Eisblumen
Die Idylle in Kempten ist gestört. © picture alliance / dpa / Karl-Josef Hildenbrand
Von Lisa Weiß · 09.12.2013
Weil Bauherren und Stadt zerstritten sind, wird ein geplantes Wohn- und Geschäftshaus in Kempten-City einfach nicht fertig. Die Arbeiten stehen still, im Volksmund heißt die Baustelle bereits das "Große Loch" - und nun gibt es noch Befürchtungen, die Grube könnte einstürzen.
"Für Kempten ist das ein Unding, es ist nicht sehr schön, mitten in der Stadt so ein tiefes Loch zu haben ich wohn da in der Ecke, muss immer drumrum laufen."
"Ich hab mich zuerst total erschreckt, als ich das zum ersten Mal gesehen habe."
"Es isch ein dicker Hund, dass des immer no da is."
Die Kemptner sind genervt, schon seit Jahren wird am Großen Loch gebaut. Oder besser gesagt: Nicht gebaut. Wer daran schuld ist – das ist eines der großen Rätsel rund ums große Loch. Stadt und Investoren streiten sich seit Jahren darüber, ob in das neue Haus nur Wohnungen und Büros oder auch Läden einziehen dürfen.
Die Stadt Kempten ist der Meinung: Man habe von Anfang an ganz klar ausgeschlossen, dass in das neue Haus Geschäfte einziehen dürfen – man wolle schließlich nicht, dass die Läden in der nahegelegenen Fußgängerzone Kunden verlieren. Die Investoren halten dagegen: Direkt neben dem Großen Loch gibt es sowieso schon ein riesiges Einkaufszentrum. Und die Stadt habe am Anfang nur großflächigen Einzelhandel ausgeschlossen, sagt Anwalt Thomas van der Heide. Er vertritt die Schweizer Investoren:
"Man kann klar sagen, ohne diese Zusage hätten Ritter und Kyburz als GBR dieses Objekt nicht gekauft, denn für die Ausnutzung war es unbedingt erforderlich, dass man auch dort Einzelhandelsflächen hat, weil sich ansonsten das Objekt nicht rechnen würde."
Fest steht jedenfalls: Die Stadt Kempten hat spätestens nachdem die Investoren das Haus gekauft hatten, Einzelhandel in dem neuen Gebäude verboten. Und so klagten die Investoren gegen das Einzelhandelsverbot und fingen nebenher schon mal an zu bauen – für ein paar Monate. Aber weiter ging es nicht. Weil nicht klar war, ob Läden einziehen dürfen oder nur Büros, sagt Anwalt van der Heide. Da gebe es unterschiedliche Vorschriften, zum Beispiel für Fluchtwege, für die Belüftung. Monika Beltinger von der Stadt Kempten sieht das ganz anders.
"Nein, das kann ich gar nicht nachvollziehen, diese Begründung, denn es handelt sich ja hier um mehrere Tiefgaragenebenen die ja für Einzelhandelsflächen genauso notwendig wären wie für die beantragten Büroflächen."
Die Investoren sprechen von Drohanrufen und zerkratzten Autos
Seither stehen jedenfalls die Bagger still, die Anwälte streiten weiter. Der Verwaltungsgerichtshof hat mittlerweile über die Klage der Investoren entschieden. Das Ergebnis sehen beide Seiten als Erfolg, das Loch ist geblieben. Anwaltsschriftsätze gehen hin und her, die Investoren sprechen von Drohanrufen und zerkratzten Autos, die Stadt davon, dass die Bauherrn kaum erreichbar seien. Das alles ist kurios. Mittlerweile aber vielleicht auch gefährlich: Denn Stahlträger in der Baugrube sind verrostet, Holzbretter, die die Ränder der Baugrube sichern sollen, morsch. Die Stadt hat Angst, dass die Baugrube einstürzt, die Investoren weigern sich, die Sicherungen in der Baugrube auszutauschen. Thomas van der Heide und Monika Beltinger:
"Es gibt sicherlich die eine oder andere Maßnahme, die ausgeführt werden kann, es ist nur so, dass diese generelle Besorgnis, die Baugrube würde einstürzen, nach den uns vorliegenden Berichten so nicht gerechtfertigt ist."
"Des ist schlichtweg ne Unverfrorenheit so etwas zu behaupten, denn die Sicherheitsproblematik wurde ja von den Gutachtern, die ja zuerst die Bauherrn selber noch beauftragt haben festgestellt."
Egal, wie baufällig das "Große Loch" jetzt wirklich ist: Die Stadt Kempten hat die Baugrube erst mal unter Zwangsverwaltung gestellt, sichert die Baugrube zum Beispiel mit Fangnetzen, pumpt das Wasser ab. Und wird für die Sicherungsarbeiten nach eigenen Angaben bis zu einer halben Million Euro los. Ob und wann sie das Geld zurückbekommt, das weiß keiner.
Vielen Kemptnern ist mittlerweile auch egal, wer schuld am großen Loch ist. Sie könnten sich jedenfalls besseres vorstellen, als städtische Mittel für die Sanierung einer Baugrube auszugeben – und nebenbei noch zum Gespött der ganzen Region zu werden.
"Viele lachen da drüber und sagen, es isch nich machbar anscheinend diesen Streit zu beenden. Lachhaft."
"Was soll ma da dazu sagen. Da kann man fast nix dazu mehr sagen. Auf jedenfall isch das a Sauerei und der Schandfleck von Kempten."