Bauhausstadt und Heimcontainer

Von Adolf Stock |
13 Jahre Bauhausarchitektur und fast 77 Jahre Rezeptionsgeschichte, einschließlich diverser Versuche, das Bauhaus neu zu beleben: In der Stiftung Bauhaus Dessau und im Meisterhaus Schlemmer werden zwei Ausstellungen gezeigt, die sich der Bauhausstadt Dessaus widmen.
Bauhausstadt Dessau: Die Ausstellung erinnert mit drei Zeit-Inseln an die guten Zeiten, als die Dessauer Stadtväter dem Bauhaus wohlgesonnen waren. Das war nicht immer so. Es gab auch schlechte Zeiten, die Jahre nach 1932, als in Dessau die Nazis regierten, oder die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Genossen über das Bauhaus verächtlich die Nase rümpften. Das waren bittere Jahre, in denen das Bauhaus und die Stadt in ideologischer Feindschaft lebten. Ausstellungskuratorin Regina Bittner.

"Dazu gibt es in diesen Inseln thematische Abwicklungen, die ein Stück weit hinein zoomen in dieses Verhältnis zwischen Bauhaus und Stadt."

Drei Inseln: Da ist die heroische Bauhauszeit, nachdem die Schule 1926 aus Weimar nach Dessau kam. Sechs Jahre blieb das Bauhaus in der Stadt. Eine Zeit großer Hoffnung und Zuversicht, die sich in einem produktiven Feuerwerk der Bauhäusler entlud. Damals entstanden die Ikonen der designten Bauhauswelt, von den Stahlrohrmöbeln bis hin zum Flachdach-Haus.

Dann war lange Zeit nichts. Die zweite Insel entstand erst in den 70er-Jahren, als das Bauhaus zu neuen, SED-sanktionierten Ehren kam. Damals wurde die Schule zu einem alternativen Biotop, ein kleines Gorleben ohne den gelben Nein-Danke-Aufkleber. Höchst offiziell geriet das historische Bauhaus nun zur Rechtfertigung der Bauhaus-Mutanten Marke Plattenbau.

"Wenn man 1980 oder 1985 vom Bahnhof kam, war das hier das Gelände der Roten Armee und heute ist das ein Wissenschaftscampus. Das heißt, dieses ganze Gelände mit dem Bauhaus hat einen gigantischen Umbau und Transformationsprozess erfahren, und dieser Bedeutungswandel, der führt natürlich auch ein Stück weit zu Entfremdungsprozessen innerhalb der Bevölkerung. Vielleicht ist es so eine Erfahrung, das rückt immer weiter von uns weg, das Bauhaus. Und umso mehr, glaube ich, ist es auch Aufgabe von uns, diese Welterbeebene, touristische Ebene, mit dem was alltägliche Erfahrungen mit dem Bauhaus in Dessau da ist, zu vermitteln. Die Ausstellung ist auch ein Versuch, dazu beizutragen."

Mit der dritten Insel sind wir bereits in der Gegenwart. Heute soll das Bauhaus Dessau ein neues Selbstbewusstsein vermitteln. Die Stadt überlegt, ob sie sich den Titel Bauhausstadt zulegen soll. Das Bauhaus als Vorbild. Kultur statt Unkultur. Das Bauhaus als Anker im Strom einer ungewissen Gegenwart. Philipp Oswalt, Leiter der Stiftung Bauhaus Dessau.

"Das Bauhaus hat starke Spuren in der Stadt hinterlassen, baulich aber auch kulturell, mental, und es ist für viele hier ein Identifikationspunkt und auch ein Zukunftsversprechen, dass man aufbauend auf den Bauhausideen auch die weitere Entwicklung der Stadt, der Region und des Landes vorsehen könnte."

Ein paar Straßen weiter, im Meisterhaus Schlemmer ist die Ausstellung Heimcontainer zu sehen. Friedrich von Borries und Jens-Uwe Fischer erzählen die Geschichte der Kupferhäuser der jüdischen Firma Hirsch Kupfer- und Messingwerk AG. Das ist aus heutiger Sicht eine Schnapsidee, aus der nichts Rechtes werden konnte und auch nichts Rechtes geworden ist. Es gab gigantische Pläne, weltweit sollten Kupferhaus-Siedlungen entstehen, aber am Ende wurden nur wenige Häuser gebaut.

Auch Bauhausgründer Walter Gropius hat sich engagiert. 1932 bekam er den Auftrag, die Kupferhäuser technisch und ästhetisch auf Vordermann zu bringen. Er entwarf den Typ Sorgenfrei. Mit der Großsiedlung Dessau-Törten war Gropius schon Ende der 20er-Jahre aus Sicht der Stadt Dessau gescheitert, weil seine Siedlungshäuser aus dem Setzbaukasten weitaus teurer wurden als die konventionell gebaute Konkurrenz.

Nach 1933 wurden die jüdischen Exilanten als Käufer umworben. 14 Kupferhäuser wurden damals nach Palästina verschifft. Sie hießen jetzt nicht mehr Kupfercastell oder Frühlingstraum, sondern Libanon oder Jerusalem. In der Ausstellung sind zwei Originalbauelemente zu sehen. Zwischen zwei dünnen Kupferplatten steckt viel Holz und Dämmmaterial. Die Prospekte der Firma Hirsch strotzen vor Optimismus, während Fotografien von heute dem morbiden Charme des Verfalls ein schönes Denkmal setzen. Exponate einer gescheiterten Idee. Ausstellungskurator Friedrich von Borries.

"Manchmal ist das Scheitern ja auch etwas sehr Interessantes, und es scheitert natürlich auf unheimlich vielen Ebenen. Wirtschaftlich ist das Projekt in Deutschland schon gescheitert, dann ist es natürlich technologisch gescheitert. Wir alle wissen, wir würden Kupfer nicht als teures Hausbaumaterial verwenden. Dann ist es architektonisch letztlich gescheitert, dieses Projekt, was zu seiner Zeit technologisch ja total avanciert war, aber wie die Namen ja schon sagen, Kupfercastell bis Eigenscholle, man merkt schon, dass das architektonische Widersprüche sind, die in diesem Projekt nicht aufgelöst wurden."

Hier schließt sich der Kreis. Bauhaus und Kupfercastell versus Krise. Kupfercastell wurde vergessen, das Dessauer Bauhaus steht heute auf der UNESCO-Welterbeliste. Bestens restauriert erzählen die Gropius-Bauten von einer glorreichen Zeit, die aus der Distanz immer mehr zum Mythos wird. Zugleich schrumpft Dessau still vor sich hin. Kann die Bauhausidee der Stadt noch helfen? Die Ausstellung sagt ja. Ob ihre Botschaft den Dessauer Alltag erreicht, steht auf einem anderen Blatt.

Links:
www.bauhaus-dessau.de
www.meisterhaeuser.de

Literatur:

Friedrich von Borries, Jens-Uwe Fischer: Heimatcontainer.
Deutsche Fertighäuser in Israel

Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2009