Bauen in der Stadt

Warum neue Wohnungen so teuer sind

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Zwei Kräne auf einer Baustelle der Wohnungsbaugesellschaft Howoge in Berlin, im Bildvordergrund ist ein grüne Wiese zu sehen.
Schaffe, schaffe, Häusle baue: Was sich leicht sagt, ist schwer getan. © picture alliance / dpa / Britta Pedersen
Von Thilo Schmidt · 11.08.2020
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Wohnungen gibt es in Deutschland mehr als genug - nur meist nicht dort, wo sie gebraucht werden. Neubauten sollen die Lage entspannen. Doch Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften müssen mit immer höheren Baukosten kalkulieren.
Ein Neubau der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Howoge in Hohenschönhausen, im Osten Berlins. Im vergangenen Jahr wurden die 188 Wohnungen fertiggestellt, gefördert vom Land, deshalb gibt es auch Sozialwohnungen, die für 6,50 Euro pro Quadratmeter vermietet werden. Bis zu zwölf Euro dagegen kosten die nicht geförderten Wohnungen. Selbst die landeseigene Howoge kann ihre neu gebauten Wohnungen kaum günstiger vermieten.
"Wenn Sie sich die Situation auf den Baustellen angucken", erläutert Geschäftsführer Ulrich Schiller: "Die Menschen, die dort arbeiten: Da hat es auch Phasen gegeben, da war das nicht so großartig anders als in der Fleischindustrie. Wir sind glücklich, dass wir mit Firmen zusammenarbeiten, die sich um ihre Mitarbeiter kümmern. Das hat halt auch seinen Preis. Man muss immer schauen, dass die Forderung ‚das muss alles billig, billig sein‘ auf der anderen Seite nicht auch einen Verlierer hat: den Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin auf der Baustelle."
Auch die Preise für Baumaterialien und Rohstoffe steigen seit Jahren, auch das sorgt dafür, dass Neubauten teurer werden, sagt Schiller. "Wir haben ja Baupreisindexsteigerungen deutlich über fünf Prozent in den zurückliegenden Jahren. Und das bei einer Inflation, die ungefähr bei zwei lag. Dass das nachhaltig nicht gesund ist, ist jedem klar, glaube ich."

Kapazitäten sinken, die Preise steigen

Dazu beigetragen hat auch die Lage der Bauwirtschaft. Heute haben die Baufirmen alle Hände voll zu tun und können mancherorts gar nicht alle Aufträge annehmen.
"Seit der deutschen Wiedervereinigung verzeichnen wir in Deutschland einen Rückgang der Kapazitäten der Bauwirtschaften um nahezu die Hälfte", erklärt dazu der Immobilienökonom Andreas Pfnür von der TU Darmstadt.
Andreas Pfnür, Professor für Immobilienwirtschaft an der TU Darmstadt
Andreas Pfnür, Professor für Immobilienwirtschaft an der TU Darmstadt© picture alliance / dpa / TU Darmstadt
"Da ist dann auch klar, dass die Nachfrage nach Bauleistungen das Angebot in den Regionen, in denen viel gebaut wird, deutlich übersteigt. Das führt im Wesentlichen dazu, dass in Deutschland die Baupreise massiv gestiegen sind."

"Dichte ist ökologisch"

Von oben sieht der Neubau der Howoge in Berlin-Hohenschönhausen aus wie ein eckiges Hufeisen. Das Gebäude hat fünf Obergeschosse, aber sieben Aufgänge mit jeweils einem Fahrstuhl. Auch das macht Bauen – und damit am Ende die Mieten – teurer.
Und dann sind da noch die Grundstückspreise, die im Bundesdurchschnitt von 1992 bis 2017 um mehr als das Fünffache gestiegen sind, in großen Städten wie Berlin sogar noch drastischer. Für Howoge-Geschäftsführer Ulrich Schiller bedeutet das: Auf einem extrem teuren Grundstück müssten mehr Wohnungen entstehen.
"Wenn ich eine Grundstücksressource einkaufe und ich darauf nur fünf oder sechsgeschossig bauen darf, ist der Quadratmeter am Ende in der Summe natürlich deutlich teurer, als wenn ich zehn oder zwölf Geschosse darauf baue. Das heißt, wir müssen uns auch über Dichte unterhalten. Dichte gehört zu einer Stadt. Dichte ist ökologisch, denn der Flächenverbrauch des Einzelnen ist deutlich geringer."

Qualität hat ihren Preis

Die Howoge investiert einiges in den Klimaschutz. Neubauten werden mit Photovoltaikanlagen ausgestattet. Manch ein Howoge-Neubau, sagt Ulrich Schiller, produziert mehr Energie als er verbraucht und liefert günstigen Mieterstrom. Zu anderen Maßnahmen, nicht nur Wärmedämmung, sondern auch Brand- oder Lärmschutz, sind Bauherren per Gesetz verpflichtet. Dazu Immobilienökonom Andreas Pfnür:
"Der Gesetzgeber hat die Gebäude in vielerlei Hinsicht deutlich besser gemacht. Davon profitieren wir alle. Aber das geht mit einer erheblichen Kostensteigerung einher."
Das sei gut gemeint und wichtig, sagt Pfnür, aber man sollte es auch nicht übertreiben:
"Gerade in der energetischen Gebäudesanierung ist jeder Einsatz von Technologie und innovativen Verfahren in der Regel bislang dazu gedacht gewesen, auch noch die letzten zwei, drei Prozent an Energieeinsparung zu realisieren. Das ist ganz besonders teuer."

Weniger Wohnfläche, mehr Gemeinschaftsräume

Noch befinden sich hier Autowerkstätten, ein Recyclinghof und Lagerhallen. Doch es wird schon gebaut: Das Areal der Schöneberger Linse in Berlin wird in ein modernes Stadtquartier verwandelt. Eine Teilfläche überlässt der Berliner Senat einem außergewöhnlichen Projekt: Hier lässt die "Urban Coop Berlin", ein Zusammenschluss von Architekten und Stadtplanern, 50 Wohnungen für eine Bauträgergenossenschaft bauen. Der Architekt und Projektentwickler Robert Ostmann:
"Ein Weg, um die individuellen Wohnkosten zu reduzieren, besteht tatsächlich darin, auf weniger Fläche zu leben und sich viel mehr Räume mit den Nachbarn zu teilen. Da sehen wir zum einen den Vorteil, dass dadurch Nachbarschaft überhaupt erst entsteht, dass wir mit der Architektur Räume zur Verfügung stellen, in denen man sich treffen kann, wo man Dinge mit den Nachbarn teilt, wo man zusammen Unternehmungen machen kann. Und das ermöglicht einem selbst, in einer viel kleineren Wohnung zu leben, wenn man beispielsweise eine Gästewohnung hat oder eine große Küche, oder sei es ein Fitnessstudio, das man sich mit den Nachbarn teilen kann."

Genossenschaften - langfristig günstiger

Die künftigen Bewohner müssen eine Einlage in die Genossenschaft leisten, eine fünfstellige Summe, je nach Wohnungsgröße, die sie aber wiederbekommen, wenn sie ausziehen. Dazu kommt ein monatliches Wohngeld von etwa zwölf Euro pro Quadratmeter. Ein stolzer Preis, aber langfristig sei es günstig, sagt Ostmann:
"Diese zwölf Euro gehen so lange, wie die Baudarlehen zurückgezahlt werden. Genossenschaft ist vor allem ein Generationenprojekt. So ein Neubau kostet nun mal, und das Hausgeld dient zum großen Teil der Abzahlung der Kredite. Wenn die nach ungefähr 30 Jahren abgezahlt sind, wird es günstig."
Das Grundstück musste die Bauträgergenossenschaft nicht kaufen. Das hätte sie auf dem überhitzten Berliner Grundstücksmarkt auch gar nicht gekonnt. Das Grundstück gehört dem Senat – und der überlässt es der Genossenschaft in Erbbaupacht. Das macht es günstiger, zumindest kurz- und mittelfristig. Außerdem profitieren die Genossen davon, dass nicht noch viele andere an dem Projekt mitverdienen.
"Wenn man sich den freien Wohnungsmarkt anschaut: Da haben wir jemanden, der diese ganze Projektentwicklung vorfinanziert, und diese Projektentwicklungen werden dann meistens noch mal mit einem Gewinnaufschlag verkauft. Der ganze Profit fällt einfach raus."

Wohnungen gibt es genug, nur nicht in den Städten

Wenn das Haus steht und die Mieter einziehen, ist Robert Ostmanns Job beendet, dann übergibt er das Haus den Bewohnern, der Genossenschaft. Die Urban Coop Berlin plant derweil schon die nächsten genossenschaftlichen Wohnprojekte:
"Bauen heute ist so komplex. Ich denke, das ist einer der Hauptgründe dafür, warum dann schlussendlich auch die Wohnkosten so teuer sind. Dieses ganze Regelwerk muss eigentlich weg. Es muss noch mal von vorne, quasi von null angefangen werden, um das Bauen zu vereinfachen."
Aber vielleicht ebbt auch der Ansturm auf die Stadtzentren irgendwann wieder ab – und das Wohnen auf dem Land wird wieder attraktiver. Dazu Immobilienökonom Andreas Pfnür:
"Und im Grunde muss man sagen: Wir haben in Deutschland zwei Millionen Wohnungen zu viel, nur leider an den falschen Orten."
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