Bascha Mika über Frauen und Protest

Sie lassen sich den Mund nicht verbieten

06:36 Minuten
Demonstration zum einjährigen Jubiläum von Fridays For Future in Berlin.
Ist der Protest für das Klima auch ein Kampf gegen männliche Dominanz? © picture alliance/ POP-EYE/ Stefan Müller
Moderation: Anke Schaefer · 03.01.2020
Audio herunterladen
Junge Frauen haben das zurückliegende Jahr mit ihrem Engagement und ihrem Protest geprägt. Wird die kommende Dekade ein Jahrzehnt der Frauen? Journalistin Bascha Mika ist optimistisch: Der Protest fürs Klima sei auch ein Kampf gegen männliche Dominanz.
Für die Journalistin Bascha Mika gehört es zu den bitteren Erkenntnissen der zurückliegenden Jahre: "Wir erleben in Deutschland einen regelrechten Backlash in Sachen Feminismus." Äußerlich könne man dies etwa daran erkennen, dass in der aktuellen Legislaturperiode weniger weibliche Abgeordnete im Bundestag vertreten seien als zwischen 2013 und 2017. Auch die Kommunalpolitik sei leider immer noch überwiegend männlich dominiert, bedauert die Chefredakteurin der "Frankfurter Rundschau" – was vor allem daran liege, dass Kommunalpolitik nach Feierabend betrieben werde, in einer Zeit also, in der die sogenannte Familienarbeit inklusive Kinderbetreuung zu 75 Prozent von Frauen erledigt werde.

Protest ist weiblich - warum ist das so?

Dem steht jedoch gegenüber, dass wichtige Figuren des Klimaprotestes junge Frauen sind: Greta Thunberg, die am heutigen 3. Januar ihren 17. Geburtstag feiert, oder Luisa Neubauer, die mit "Fridays for Future" Tausende mobilisieren. Warum ist das so?
"Ich mag eigentlich keine biologistischen Ansätze", betont Mika. "Aber in diesem Zusammenhang liegt es, glaube ich, schon daran, dass Frauen Kinder gebären, und sich dadurch verantwortlicher fühlen für den Zustand der Welt, in der Kinder sind oder in der Zukunft leben sollen. Und dass sie nicht ständig daran denken: Wie komme ich an die Macht und, vor allen Dingen, wie bleibe ich an der Macht?"
Allerdings sei beides wichtig: Frauen, die, wie Greta Thunberg oder Carola Rackete, individualistische Ansätze verfolgten und sich für das Klima oder für Flüchtlinge einsetzen. Aber eben auch jene, die in der Politik etwas werden wollten, um den so gewonnenen Einfluss konstruktiv zu nutzen. Das Beispiel Skandinavien zeige, dass dafür eine Quote sehr sinnvoll sein könne, denn diese habe dazu beigetragen, dass sich heute in Ländern wie Schweden Männer und Frauen in allen Bereichen auf Augenhöhe begegneten.

"Hosenanzugfrauen", die sich anpassen

Und obwohl es auch in der deutschen Politik mit Angela Merkel, Ursula von der Leyen oder Annegret Kramp-Karrenbauer Beispiele für starke Frauen gebe, habe sie ein Problem mit diesen "Hosenanzugfrauen", sagt die Journalistin. Denn um zu überleben, hätten diese Frauen, von denen es zumindest in Deutschland noch sehr wenige gebe, eine bestimmte Haltung verinnerlicht, die in etwa lautet: "Ich muss mich den Regeln und den männlichen Strukturen anpassen, damit ich überhaupt nach oben komme."
Bascha Mika, Chefredakteurin bei der Frankfurter Rundschau
Greta und Co. stimmen Bascha Mika mit ihrem Kampfgeist optimistisch.© Deutschlandfunk / Pauline Tillmann
Bascha Mika ist jedoch optimistisch, was das kommende Jahrzehnt anbelangt – dieses könne durchaus zu einer Dekade der Frauen werden. Denn: Der Kampf der engagierten jungen Mädchen und Frauen sei auch ein Kampf gegen männliche Dominanz. Greta, Luisa und andere ließen sich allen Anfeindungen zum Trotz nicht den Mund verbieten.
Der Grund dafür, dass die jungen Aktivistinnen vor allem von Männern angefeindet werden, liegt für die Journalistin auf der Hand: "Sie gehen gegen das Schweigegebot an, das Männer über die Jahrtausende gegen Frauen verhängt haben."
(mkn)

Bascha Mika, geboren 1954 in der Nähe von Opole in Polen, ist Journalistin und Publizistin und war von 1998 bis 2009 Chefredakteurin der Berliner "taz". Seit April 2014 ist sie Chefredakteurin der "Frankfurter Rundschau".

Die ganze Sendung hören Sie hier:
Mehr zum Thema