Bartolo Fuentes aus Honduras

Anführer wider Willen

Portrait des Aktivisten und Journalisten Bartolo Fuentes
Bald selbst ein Geflüchteter? Der Aktivist und Journalist Bartolo Fuentes © Caroline Narr
Von Martin Reischke · 14.11.2018
Gefeiert von den Migranten, verfolgt von der honduranischen Regierung. Der Journalist und Aktivist Bartolo Fuentes ist ungewollt zur Symbolfigur der Migranten-Karawane geworden, die von Honduras in Richtung USA zieht. Wer ist dieser Mann?
Die Stadtverwaltung hat in Ciudad Deportiva, einer großen Sportanlage in Mexiko-Stadt, riesige weiße Zelte für die Migranten-Karawane aus Honduras aufbauen lassen. Langsam strömen die ersten Menschen in die Zelte. Journalisten müssen draußen bleiben. Genau wie Bartolo Fuentes, ein kleiner, drahtiger Mann mit einem weißen Hemd und kurzen Haaren, an den Schläfen grau. Für die honduranische Regierung ist er der Drahtzieher hinter dem Massenexodus der Honduraner.
"Für diese Anschuldigungen gibt es überhaupt keine Grundlage. Die Menschen in Honduras organisieren sich ja ständig, um das Land zu verlassen, nur machen sie das normalerweise heimlich und in kleinen Gruppen – erst jetzt organisieren sie sich als Karawane."

Vier Jahre lang war er in der Opposition

Bartolo Fuentes hat schon viel gemacht in seinem Leben. Er ist Aktivist und Journalist, spezialisiert auf die Themen Migration und Menschenrechte. Von 2014 bis 2018 war er außerdem Abgeordneter für die linke Oppositionspartei "Libre" im honduranischen Parlament. Auch deshalb wittert der honduranische Präsident Juan Orlando Hernández eine Verschwörung. Fuentes gibt sich gelassen:
"Mein einziger Beitrag zur Karawane ist ein Facebook-Post, in dem ich geschrieben habe, dass die Migranten sich nicht alleine oder in kleinen Gruppen auf den Weg machen sollen, weil sie mit Überfällen, Mord, Erpressung, Vergewaltigungen und Unfällen jeglicher Art rechnen müssen, und dass es deshalb besser sei, sichtbar und in einer großen Gruppe zu marschieren, um sich so besser schützen zu können."
Der 54-Jährige ist überzeugt, dass es nicht viel braucht, um eine Karawane zu organisieren.
"Viele Menschen in Honduras haben ihre Sachen längst gepackt und sind bereit, jeden Moment aufzubrechen. Wenn wir jetzt einen Aufruf starten und sagen würden, es gibt Jobs für 200 Leute, ganz egal wo, dann würden innerhalb kürzester Zeit 5000 Leute aus dem ganzen Land zusammenkommen, weil es eben keine Arbeit gibt in Honduras - keinen Ausweg nirgends."

Unterstützer verhindern seine Festnahme

Die honduranische Regierung sieht das naturgemäß anders. Als er am 15. Oktober die Grenze nach Guatemala überquert, wird er von der dortigen Grenzpolizei festgenommen, nach Honduras ausgeflogen. Noch am Flughafen, erzählt Fuentes, habe auch die honduranische Polizei versucht, ihn festzunehmen. Doch die vielen Unterstützer und Journalisten, die vor Ort sind, können das verhindern. Nun droht ihm die honduranische Regierung damit, ihm den Prozess zu machen.
Schattespiel in einem Zelt der Migranten
Honduranische Migranten in einem Zelt im mexikanischen Huixtla© Martin Reischke
Menschenrechtsorganisationen raten ihm, das Land zu verlassen. Einige Tage später ist er wieder bei der Karawane in Mexiko. "Wenn es konkrete Vorwürfe gegen mich gibt, dann soll die Regierung sie öffentlich machen", sagt er. "Wenn nicht, dann soll sie endlich die Hasskampagne gegen mich beenden."
"Meine journalistische Arbeit ist öffentlich, das, was ich in den sozialen Medien schreibe, ist öffentlich. Jeder Bürger hat das Recht, seine Meinung frei zu äußern, und ich als Journalist natürlich ganz besonders. Dafür können sie mich doch nicht verfolgen!"

"Keine Arbeit, kein Zuhause, keine Hoffnung"

Für Fuentes ist klar, wer Schuld hat an dem Massenexodus seiner Landsleute: Die aktuelle honduranische Regierung unter Präsident Juan Orlando Hernández, der sich nur durch Betrug die Wiederwahl sichern konnte – und die Unterstützung durch die US-Regierung.
"Als die Leute gegen den Wahlbetrug protestiert haben, hat die Regierung mit Tränengas reagiert. Und als sie gemerkt hat, dass das die Leute nicht besänftigt, hat sie scharf geschossen, mehr als 40 Menschen wurden ermordet. Also sagen sich die Leute: Ich habe keine Arbeit, kein Zuhause und keine Hoffnung, dass sich hier irgendetwas ändert, also gehe ich. Und dann gibt es diese Möglichkeit mit der Karawane, und die lassen sie sich nicht entgehen."
Für viele Menschen, erzählt Fuentes, geht es ums nackte Überleben:
"Es gibt hier Leute, die wären schon tot, wenn sie auch nur einen Monat länger in Honduras geblieben wären. Ich habe mit einem Taxifahrer gesprochen, der musste Schutzgeld an vier verschiedene kriminelle Gruppen zahlen, und nicht mal dafür hat es mehr gereicht. Aber wenn er nicht mehr gezahlt hätte, wäre er ermordet worden. Allein die Flucht aus Honduras ist für viele Menschen also schon ein großer Gewinn."
Mittlerweile ist tatsächlich unklar, ob Fuentes die Karawane nur als Journalist begleitet – oder in den vergangenen Wochen nicht selbst schon zum Geflüchteten geworden ist. In Honduras jedenfalls gibt es unter der aktuellen Regierung wohl auch für ihn keine Zukunft mehr.
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