Barockes Sizilien

Von Thomas Migge |
Das Landesinnere Siziliens, das mit altgriechischen Tempeln und römischen Kaiservillen manches Architekturjuwel zu bieten hat, kennen nur wenige Touristen. Das wollen einige Stadtväter nun ändern und mit einem Festival für barocke Musik vor barocker Kulisse Urlauber und Musikbegeisterte anlocken.
Die Symphonien von Nicola Porpora sind nur selten zu hören. Und wenn, dann nur in einer Konzerthalle. Viel schöner, weil weitaus stimmungsvoller, ist es, die Musik dieses süditalienischen Komponisten in einem Schloss zu hören, in einem freskengeschmückten Saal mit kostbarem Mobiliar, das aus jener Epoche stammt, in der Porpora für seine adligen Auftraggeber komponierte.

Die sechs Symphonien jenes Musikers, der berühmt gewordene Arien für den im 18. Jahrhundert international bekannten Starkastraten Farinelli schrieb, sind im Castello von Donnafugata zu hören.

In dem Schloss, in dem der Regisseur Lucchino Visconti einige der schönsten Szenen seiner Verfilmung des Romans "Der Leopard" von Giuseppe Tomasi di Lampedusa drehte. Das Schloss erhebt sich in einem weltvergessen wirkenden Dorf im Hinterland von Catania. Tiefstes Sizilien, ausgedörrte Landschaft, vor allem jetzt, im Sommer. Die Gäste des Konzerts sitzen in den auch im Sommer angenehm kühlen Räumen und lauschen der Musik. Man fühlt sich um Jahrhunderte zurückversetzt.

Die Veranstalter des ersten Internationalen Musikfestival "Magie Barocche", Barocke Zaubereien, wollen jene Zeit heraufbeschwören, in der Süditalien eines der europäischen Zentrum des Musikschaffens war. Wo wäre das besser möglich als im Val di Noto?

Das Val di Noto ist eine Landschaft, die von der Großstadt Catania aus in rund einer dreiviertel Stunde mit dem PKW zu erreichen ist. Eine dreiviertel Stunde Autofahrt, erklärt Antonio Florio, Direktor des Ensembles "La Capella dei Turchini" aus Neapel, und schon ist man in der schönsten barocken Szenografie Italiens:

"Seit ich die neapolitanische im Besonderen, aber auch die süditalienische Barockmusik im Allgemeinen studiere, träumte ich von einem Festival, das in barocker Umgebung diese Musik zur Aufführung bringt. Jetzt ist das möglich und wer einmal in Noto und in Ragusa und in den anderen Städten dieser Gegend gewesen ist, der weiß, dass man sich hier wie in einem Historienfilm fühlen kann. Die Musik von Latilla und Vinci paßt hier hervoragend hin."

Antonio Florio und sein Ensemble werden Barockmusik aus Neapel in der Chiesa del Carmine in Noto aufführen. Ein Architekturjuwel, das, wie die ganze Stadt, nach einem verheerenden Erdbeben Ende des 17. Jahrhunderts am Reißbrett neu entstanden ist. Noto und Ragusa sind Städte, die schachbrettartig errichtet wurden und in denen der barocken Phantasie der typisch süditalienischen Ornamentalkunst keine Grenzen gesetzt wurden.

Einzigartige Städte mit komplett erhaltenen Plätzen, Straßen und Palastanlagen im sizilianischen Barock. Ideale Orte für ein barockes Musikfest.

Bis zum 18. September werden fast täglich Konzerte aufgeführt, in Kirchen, Klöstern, Palästen und Ruinen. Neben musikalischen Highlights des europäischen Barock - wie zum Beispiel Kompositionen von Purcell, Corelli und Bach - legten die Organisatoren, das sind die Stadtväter des Val di Noto und Catanias, vor allem Wert auf die Aufführung süditalienischer Musik.

Zum Beispiel von Leonardo Leo. Sein "Miserere" wird in der Keramikstadt Caltagirone aufgeführt. Von besonderem Interesse sind auch jene Konzerte, in denen das Eigentümliche süditalienischer Barockmusik vorgestellt wird.

"Battaglie e Follie", Schlachten und Verrücktheiten, wird ein Konzert am 2. September in der Chiesa di San Carlo al Corso in Noto genannt, bei dem der Einfluss der uralten Tarantellarhythmen auf die sizilianische Barockmusik präsentiert wird.

Antonio Florio: " Wenn man das süditalienische Barockrepertorium studiert, fällt auf, dass es weitaus stärker als die Musik im nördlichen Europa zu starken Rhythmen neigt. Im Zentrum süditalienischer Barockmusik standen der Kastrat und jene atemberaubenden Arien, die für diese Sänger komponiert wurden. Während des Festivals singen Gloria Banditelli und Roberta Invernizzi, die die Kastratenkunst wunderbar imitieren können. Eine Kunst, die im 18. Jahrhundert in ganz Europa beliebt war."

Besonders reizvoll: bestimmte musikalische Perlen, die während des Festivals zu hören sein werden. Die komische Oper "Il Paratajo" von Nicolò Jomelli zum Beispiel. Oder die Werke weiblicher Komponistinnen aus Süditalien, die heute gänzlich unbekannt sind.