Barocke Schatzkammer

Von Hanno Grieß · 30.08.2006
Das Historische Grüne Gewölbe in Dresden ist eine der bedeutendsten und spektakulärsten Schatzkammern Europas. Am Freitag wird das barocke Gesamtkunstwerk mehr als 60 Jahre nach seiner Zerstörung in Zweiten Weltkrieg wiedereröffnet.
Susanne Launer ist die Chefrestauratorin. Sie steht vor einer der Wände im so genannten Weißsilberzimmer. Die Wände sind heute zinnoberrot verkleidet, in Verbindung mit verspiegelten Wandfeldern. Mit den Fingern fährt sie langsam über eine kaum sichtbare Kante: Es ist der Übergang zwischen altem Holz und ergänztem neuen Material.

"Hier im unteren Bereich ... Übergang ganz genau verschleifen, Fläche muss genau stimmen."

Der Aufwand einer solchen Technik, sagt sie, ist riesig:

"Fläche Handteller ungefähr ‚ne Stunde, wenn’s gut funktioniert, Fläche Hälfte alt und neu, ganze Raum ganze Details aufeinander abstimmt."

Bis es aber soweit war, hat der Kunsttischler Carsten Püschner viel Zeit darauf verwandt, die noch erhaltenen Holzreste zu sichern. Teilweise, sagt er, hatte das Furnier nur noch eine Stärke von zwei Millimetern. Also habe man sich also ein neues technisches Verfahren ausgedacht:

"Für die gesamte Wand haben Karsten Püschner, Susanne Launer und ihre Kollegen drei Monate gebraucht. Der ganze Raum hatte etwa 50 Quadratmeter zu restaurierende Fläche."

Restauratoren sind geduldige Menschen. Einer von ihnen, der Maler Wolfgang Benndorf, sitzt - eingehüllt in einen weißen Kittel - und begleitet von Johann-Sebastian Bachs Goldberg-Variationen – mit stoischer Ruhe auf einem großen Aluminiumgestell. Sorgsam zieht er in einer Ecke des prachtvollen Pretiosensaals einzelne Linien mit dem Pinsel nach, und langsam entsteht eine optische Täuschung. Was wie Marmor aussehen wird, ist in Wahrheit gemalt. Und eigentlich völlig unwichtig, sagt Benndorf:

"Letztendlich nur Dekoration, (...) nur Illusion."

Penibel arbeitet er an den Kleinigkeiten. Marmor zu malen, war üblich im 18. Jahrhundert, denn schon damals war die Illusion teurer als echter Marmor. Und man konnte ihn frei gestalten – sowohl in Farbe als auch in der Intensität der Musterung, erklärt der Bauherr, Ludwig Coulin von Staatsbetrieb sächsisches Immobilienmanagement:

"Lleine Konsolen, große Konsolen, die vor diesem Hintergrund besonders leuchten und glänzen."

Der Pretiosensaal ist mit über 200 Quadratmetern Fläche der größte der Säle. Und ein Glanzstück bleibt unsichtbar: die Sicherheitstechnik. Von ihr befindet sich so gut wie nichts mehr an der Oberfläche. Aber hinter den Holzverkleidungen, im Marmor-Fußboden und den bemalten Decken versteckt sich so ziemlich alles, was heute technisch möglich ist. Was genau, sagt Coulin allerdings nicht.