Niccolò Jommelli: "Berenike, Königin von Armenien. Il Vologeso"
Aufführung am Staatstheater Stuttgart
Insenzierung: Jossi Wieler und Sergio Morabito
Wiederentdeckung nach 250 Jahren
Rund 250 Jahre nach ihrer Uraufführung zeigt das Staatstheater Stuttgart Niccolo Jommellis Oper "Il Vologeso". Und in der Inszenierung von Jossi Wieler und Sergio Morabito zeigt sich: das Stück um Liebe und Herrschaft hat viel Witz.
250 Statisten bevölkerten die Bühne, als vor rund 250 Jahren Niccolo Jommellis "Il Vologeso" uraufgeführt wurde, man brauchte sie für eine Amphitheaterszene, in der der zum Tode verurteilte König Vologeso gegen die wilden Tiere in die Arena geschickt wird.
Bei Jossi Wieler und Sergio Morabito ist die Bühne dagegen nur mit den wenigen Hauptfiguren besiedelt, dafür tönt aus dem Lautsprecher wütendes Löwengebrüll – es darf gelacht werden an diesem Opernabend, dabei geht es um tiefste Emotionen, etwa die Trauer von Berenike um ihren tot geglaubten Verlobten Vologeso. Ana Durlovsky spürte jeder Gefühlsschwankung klangschön und ausdrucksstark nach.
Die Stuttgarter Inszenierung siedelt das Stück nicht in der Antike an, Bühnenbildnerin Anna Viebrock hat Häuser einer Großstadt nach einem Krieg auf die Bühne gebracht – schließlich spielt ja auch die Oper nach einem Krieg zwischen den Römern und den Partnern. Die Häuser weisen Einschusslöcher auf.
In einem Hinterhof finden Jugendliche Relikte einer antiken römischen Villa. Sie sind deutlich traumatisiert von dem soeben durchlebten Krieg, schlüpfen in ein paar Kostümteile – und spielen eben jene Tragödie um Berenike, die ihren Geliebten tot wähnt, sich dem römischen Herrscher Lucio hingeben will, um dann eben doch ihren Geliebten wieder zu finden, und Lucio ist seinerseits ja auch verlobt – mit Lucilla, die eilends aus Rom in das gerade eben eroberte Feindesland gereist ist. Helene Schneiderman verkörpert faszinierend eine junge, kapriziöse Dame aus bestem Hause auf der Suche nach ihrem Verlobten.
Ungewöhnlich vielschichtiges Libretto
Jommellis Oper ist ein Stück um Liebe und Verrat wie so viele Barockopern – aber das Libretto ist ungewöhnlich vielschichtig. So ist sich Berenike eben nicht ganz sicher, ob sie diesen neuen Kaiser, Lucio, richtig liebt, Lucio weiß nicht, wie ihm geschieht zwischen zwei Frauen, und als er sich bei Berenike am Ziel glaubt, da mischt sich in seinen Triumph doch auch Melancholie.
Jommellis Figuren haben Tiefe – und zugleich auch Witz. In der Stuttgarter Inszenierung wird das deutlich durch die Kulissen, die eindeutig Artefakte aus Pappmaché und Stoff sind. Die Figuren schwanken zwischen Tatkraft und Lethargie, vor allem Lucio, von Sebastian Kohlhepp mit lyrischem Tenor verkörpert, der durchaus auch heldische Spitzentöne hat und Koloraturen perfekt beherrscht.
Am Ende steht bei Jommelli ein Siegeschor, bei Jossi Wieler und Sergio Morabito dagegen spielt nur das Orchester, die Figuren entledigen sich ihrer Kostüme, und suchen ihre Alltagskleidung wieder, sichtlich ergriffen von dem soeben gespielten Drama – wie auch das Publikum nach einem bewegenden, zugleich unterhaltsamen Abend, an dem es ein Meisterwerk zu entdecken gab.