Barenboim bleibt bei Berliner Staatsoper

Von Erneuerung und Aufbruch keine Spur

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Daniel Barenboim
Der Vertrag von Daniel Barenboim wurde verlängert. Er bleibt bis 2027 Generalmusikdirektor der Staatsoper Berlin. © imago/CTK Photo/Vit Simanek
Ein Kommentar von Uwe Friedrich · 04.06.2019
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Daniel Barenboims Führungsstil wurde in letzter Zeit stark kritisiert. Musiker beklagten verletzendes Verhalten, Schikanen und Wutausbrüche. Sein Vertrag wurde nun dennoch vorzeitig verlängert. Unser Kritiker Uwe Friedrich hält das für einen Fehler.
Nun bleibt Daniel Barenboim der Berliner Staatsoper und der ihm in Nibelungentreue ergebenen Staatskapelle also weitere fünf Jahre erhalten. Von Erneuerung, künstlerischem Aufbruch keine Spur. Wieder einmal bewahrheitet sich, dass es in der Berliner Kulturpolitik überhaupt nicht um Kunst, um Wagemut, gar um Innovation geht. Kultursenator Klaus Lederer von der Linken reicht es völlig, wenn der Betrieb halbwegs reibungslos läuft.

Ein Musikdiktator alter Schule

Und wenn das durch einen Musikdiktator alter Schule gewährleistet wird, dann schaut der Senator über die lästigen Details im menschlichen Umgang auch schon mal großzügig hinweg. Denn die Botschaft dieser Vertragsverlängerung an die Opfer des Generalmusikdirektors lautet nebenbei auch: Ein Genie wie Barenboim darf das. Nun kann man mit guten Gründen sagen, am Theater, in der Musik gelten andere Gesetze, ist der Ton erhitzt und rau.
Na gut, selbst wenn wir das mal akzeptieren, bleibt das Problem, dass Barenboim seit 1992 Generalmusikdirektor und de-facto-Gesamtchef dieses Kunstbetriebs ist. Üblicherweise wechselt das künstlerische Leitungspersonal an Opernhäusern nach zehn Jahren. Bei unumstrittenem Erfolg vielleicht auch mal nach fünfzehn.
Wenn Barenboim seinen Vertrag erfüllt, wird er im Jahr 2027 aber 35 Jahre auf diesem Posten gewesen sein. Das ist auf jeden Fall zu lange.
Jedes Opernhaus, aber auch jede Stadt hat Abwechslung verdient, die kreative Verstörung, wenn ein neues Team mal ganz andere Sachen macht. Stattdessen wird es an der Berliner Staatsoper einen weiteren "Ring des Nibelungen" geben, während auch die Deutsche Oper einen schmiedet. Warum? Weil Barenboim es durchsetzen kann. Weil ihn niemand stoppt und sich zu sagen traut, das braucht in Berlin niemand, mach das doch einfach woanders.

Ein Kulturtempel als Privateigentum Barenboims

Klar, die Staatskapelle schwört auf ihren Generalmusikdirektor. Er garantiert nach wie vor lukrative Tourneen nach Nord- und Südamerika sowie Plattenverträge. Dieses System wäre sicher gefährdet, wenn ein neuer GMD käme und, schrecklicher Gedanke für die Musiker, etwas verändern würde. Risiken eingehen, das machen Berliner Klassikstars halt nicht so gerne.
Der Berliner Kultursenator hätte natürlich auch mal nach Dresden schauen können. Da ist Christian Thielemann Chefdirigent der Staatskapelle, ist Aushängeschild in Konzerten und Tourneen, lässt die Oper, deren Generalmusikdirektor er ausdrücklich nicht ist, aber bis auf ein paar Abende weitgehend in Ruhe.
Das hätte für Barenboim und Lederer eine gleichermaßen gesichtswahrende Lösung sein können. Der Dirigent schwebt über allen Wassern, die er aber auch nicht weiter stört, und lässt sich von seinen Fans für seine Verdienste feiern. Eine Premiere pro Spielzeit, meinetwegen auch einen neuen "Ring", wenn es denn sein muss, und in der Oper hätte man in aller Ruhe nach zukunftsträchtigen Perspektiven suchen können.
So aber wird Barenboim einen unserer exponiertesten Kulturtempel weiter wie sein Privateigentum behandeln, weil er zu eitel und der Kultursenator zu schwach ist für eine vernünftige Lösung.

Daniel Barenboim bleibt musikalischer Leiter der Staatsoper und Staatskapelle - Christiane Habermalz war auf der Pressekonferenz des Berliner Kultursenators Klaus Lederer dabei und wirft einen Blick zurück auf die Vorwürfe gegen den Dirigenten:

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