Barbara Warning: "Kindheit in Trümmern"

Geschichte mit Empathie

Ein Mädchen aus einem Flüchtlingstreck mit ihrer Puppe im Arm in den Wirren der Nachkriegszeit.
Folgen des Kriegen - Familien auf der Flucht © picture alliance / dpa US Army
Von Sylvia Schwab · 26.08.2015
Geboren in den Wirren des Krieges, in Hunger, Bombenhagel und mit der Angst vor dem Tod - dies war das Schicksal der späten Kriegskinder. Sylvia Schwab erzählt die Geschichten dieser Kinder und macht die Erlebnisse dieser Generation zu einer lebhaften Geschichtsstunde.
In Deutschland wird inzwischen die dritte Generation nach dem Krieg geboren, für die ein freier und freundschaftlicher Umgang mit ihren europäischen Nachbarn selbstverständlich ist. Ein Krieg mit ihnen ist heute unvorstellbar. Warum also sollten sich junge Deutsche mit dem längst vergangenen Grauen beschäftigen?
Da gibt es viele Antworten: Weil Frieden nicht selbstverständlich ist, sondern harter Arbeit bedarf gegen Vorurteile und Abgrenzungen. Weil nur im Wissen, wie furchtbar ein Krieg ist, vermieden werden kann, den Frieden aufs Spiel zu setzen. Weil es die eigenen Großeltern sind, die vielleicht Ähnliches erlebt, aber nie erzählt haben. Und weil unsere Gegenwart in vieler Hinsicht durch unsere Vergangenheit bestimmt wird.
Dramatische und schreckliche Schicksale
Niemand kann besser vor dem Krieg warnen als die, die ihn selbst erlebt haben. Die Schicksale, von denen Barbara Warning erzählt, sind dramatische, schreckliche und manchmal auch hoffnungsvolle Kindheitsgeschichten. Geboren wurden diese Kinder in den Wirren des Krieges, sie erlebten Hunger, Bombenhagel und die Angst vor dem Tod. Viele mussten flüchten mit dem, was sie am Leib trugen, unermessliches Leid vor Augen. Andere überlebten in zerbombten Städten. Und obwohl sie heute alt sind, Rentner, tragen sie noch heute die Wunden ihrer Kindheit – mehr noch: oft sind diese Wunden erst jetzt aufgebrochen.
Barbara Warning hat die Lebensgeschichten der Kriegskinder und damit die Realität von damals vorsichtig in verschiedene Gruppen eingeteilt. Sie berichtet von verlorenen Kindern, über das Leben in den Besatzungszonen und DP-Camps, über die abwesenden Väter oder das Lernen in Ruinen. Klar, dass es da Überschneidungen gibt, aber das ist unwichtig. Wichtig ist ihr, dass endlich, nach der Aufarbeitung des Holocaust, auch über die Leiden der Deutschen, besonders der Kinder, gesprochen wird. Und dass die Jugendlichen von heute die eine Botschaft mitnehmen: "Nie wieder Krieg!"
Exkurse und Erklärungen
Dabei ist dies kein deprimierendes Buch. Was zunächst auch an der lebendigen Aufmachung und Gestaltung liegt, aber Barbara Warning erzählt die Geschichten "ihrer" Kriegskinder trotz eines sachlichen Abstandes sensibel und voller Sympathie. Die Betroffenen kommen immer wieder selbst zu Wort. Ergänzt werden ihre Schicksale durch allgemeine Exkurse und Erklärungen etwa über die Panik vor den Russen oder den Hamburger Feuersturm. Dazu kommen viele persönliche Dokumente, Fotos, ein kluges Vorwort und ein geschichtlicher Überblick über die Zeit von 1932 bis 1990. Und schließlich, wie bei jedem seriösen Sachbuch, Register und Bildnachweis.
Barbara Warnings "Kindheit in Trümmern" ist absolut lesenswert. Nicht nur für Jugendliche. Es ist ein Buch für alle: Junge und Alte! Vielleicht gerade auch für letztere, die diese Zeit selbst miterlebt haben und denen bis heute oft die Worte fehlen.

Barbara Warning, Kindheit in Trümmern
Ravensburger Verlag, Ravensburg 2015
191 Seiten, 19,99 Euro, ab 13 Jahren

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