Baranowski verteidigt Ämtervergabe bei SPD

Frank Baranowski im Gespräch mit Birgit Kolkmann |
Der Sprecher der Ruhr-SPD und Gelsenkirchener Oberbürgermeister, Frank Baranowski, spricht sich für eine Profilierung der SPD als "linke Volkspartei" aus. Links von der SPD dürfe "möglichst wenig Platz für andere" sein.
Birgit Kolkmann: Erst im November soll der Parteitag der SPD in Dresden die neue Parteiführung wählen. Wir sind jetzt verbunden mit dem SPD-Oberbürgermeister von Gelsenkirchen, Frank Baranowski. Schönen guten Morgen!

Frank Baranowski: Guten Morgen!

Kolkmann: Herr Baranowski, Sie sind ein bürgernaher Bürgermeister. Was sagen Ihnen eigentlich die Menschen und vor allem Ihre Parteimitglieder an der Basis über die Art und Weise, wie sich da die SPD-Spitze neu formiert?

Baranowski: Na ja, der ein oder andere sagt dann schon: Ist das denn so richtig, wie da Dinge organisiert werden? Aber es gibt auch genügend andere, die sagen, also, die SPD ist keine Selbstfindungsgruppe, wo man Flaschendrehen macht in einem Stuhlkreis und dann den Kandidaten findet, sondern es muss einen geordneten Prozess geben, und dafür sind Führungsgremien da. Ich frage mal: Was wäre denn schlimmer jetzt? Ein monatelanges Vakuum bis zum Bundesparteitag kann ja auch nicht sein. Also ich empfehle da sehr Gelassenheit und keine Vermischung von Kandidatendiskussionen mit einer Verfahrensdiskussion.

Kolkmann: Das SPD-Vorstandsmitglied Hermann Scheer, wir haben ihn eben im Beitrag auch schon mal gehört, sagt ja auch: Was da passiert, das widerspricht der demokratischen Verfassung der Partei. Wenn so viel von oben exekutiert wird – ist das mit ein Grund dafür, dass die Partei so sehr erodiert in ihren Grundfesten?

Baranowski: Also ich hätte mir gewünscht, dass Hermann Scheer während der Zeit von Gerhard Schröder deutlicher das Wort ergriffen hat, als es da um die Basta-Politik ging. Da habe ich ihn nicht gehört. Deshalb: Ich glaube, das jetzt an diesem Prozess festzumachen ist falsch, das hätte man vorher tun müssen. Das ist nämlich das, was die Menschen belastet hat, dass da eine Politik dann auch durchgedrückt wurde ohne sie lange kommuniziert zu haben, ohne mal gefragt zu haben, wie kommt das denn vor Ort an, ohne auch auf die warnenden Worte von Kommunalpolitikern gehört zu haben. Da habe ich die alle nicht gehört. Also deshalb empfehle ich da jetzt auch, jetzt nicht plötzlich das zu kompensieren.

Kolkmann: Nun hat die SPD ja dramatisch verloren, an die Linke vor allen Dingen ist abgewatscht worden. Viele Ex-Mitglieder in Nordrhein-Westfalen sind schon bei der Linken und im Mai wird ein neuer Landtag gewählt. Sigmar Gabriel hat gesagt, dass die Option Rot-Rot für die Zukunft eine ist und auch nicht ausgeblendet werden sollte. Kommt denn jetzt verstärkt die Forderung von der Basis auch in Nordrhein-Westfalen, vielleicht ein rot-rot-grünes Bündnis anzusteuern?

Baranowski: Das nehme ich so noch nicht wahr, weil natürlich auch geschaut werden muss erst mal, dass wir unser Profil deutlich schärfen, und die Situation auch der Linken ist ja von Stadt zu Stadt, von Land zu Land immer eine unterschiedliche. Hier nimmt man sie mal wahr, an anderen Orten nimmt man sie weniger wahr. Ich empfehle sehr, erst mal die SPD als linke Volkspartei so zu profilieren, dass wir sagen, links von der SPD ist möglich wenig Platz für andere. Das nimmt man ja für die CDU … das gesteht man der ohne Probleme zu, dass sie sagt, rechts von uns darf es nichts geben, und das muss erst mal die Position der SPD sein. Und dann schaut man nach Wahlen: Wie ist das Ergebnis und mit wem kann man dann regieren? Ich empfehle da sehr, jetzt nicht schon Koalitionsdiskussionen zu führen, bevor überhaupt Wahlen stattgefunden haben.

Kolkmann: Auf der anderen Seite muss man ja den Rechenschieber betätigen und der sagt: Ohne die Linkspartei ist die SPD künftig nicht mehr regierungsfähig, und ohne die Grünen dann wahrscheinlich auch nicht.

Baranowski: Na ja, das wird man dann sehen, und dann muss man auch mal sehen, wie sich andere Parteien entwickeln. Ich erwarte einfach, dass auch andere Parteien diese Frage sich selber stellen und nicht nur alle immer sagen, liebe SPD, wie hältst du es denn mit anderen Parteien?

Kolkmann: Nun muss sich die SPD aber trotzdem mit sich selbst beschäftigen, nachdem sie so böse abgewatscht worden ist von den Wählern. Sie erfahren ja an der Basis in der kommunalen Arbeit sehr viel über die Nöte der Menschen. Was erwarten die besonders von der SPD – mehr Gerechtigkeit garantieren?

Baranowski: Ja, das Thema Gerechtigkeit in den unterschiedlichen Facetten neu besetzen: Bildungsgerechtigkeit, Gerechtigkeit im Gesundheitswesen. Ich sag das mal so deutlich: Wenn ich sehe, dass Patienten drei Monate auf einen Termin warten müssen, drei Stunden dann warten müssen, bis sie dran sind und sehen, dass die Privatpatienten an ihnen vorbeiziehen, dann ist das Ungerechtigkeit, nicht nur gefühlte, sondern tatsächliche. Und daran muss man was ändern.

Kolkmann: Hannelore Kraft als NRW-Landeschefin ist ja jetzt demnächst wahrscheinlich Vize in der Parteispitze. Kann sie all diese Themen in der Partei dann auch noch stärker vertreten und Erfahrungen einbringen, wie es ist, nach der Regierung in der Opposition sich ganz neu aufstellen zu müssen?

Baranowski: Hannelore Kraft hat sicherlich die Erfahrung, hier auch aus Nordrhein-Westfalen, was es heißt, nach einer verlorenen Wahl eine Partei neu aufzustellen, neu zu motivieren. Aber man würde sie erfordern, würde man meinen, dass sie das alleine schafft. Ich gehe schon davon aus, dass das ein Team sein muss von Menschen, die auch erkannt haben, was jetzt nötig ist, und ich glaube, das, was sich da jetzt abzeichnet, auch als Personalkonstellation – die haben verstanden und die haben auch die Botschaft der Wahl verstanden.

Kolkmann: Wenn Sie von einem Team sprechen, sprechen Sie dann auch von Frank Baranowski, dem Oberbürgermeister von Gelsenkirchen, mit im Hintergrund?

Baranowski: Also ich hab jetzt das Team in Berlin im Auge gehabt. Was hier in Nordrhein-Westfalen passiert, das wird man sehen. Frank Baranowski als Oberbürgermeister ist sechs Jahre gewählt und der wird auch diese Zeit wahrnehmen und hier in Gelsenkirchen Oberbürgermeister sein.

Kolkmann: Der NRW-Landesverband in der SPD war immer ein starker, das ist ja auch das bevölkerungsreichste Bundesland. Werden Sie in dieser Hinsicht verstärkt eine soziale Komponente einbringen wollen?

Baranowski: Ich glaube, das ist dringend nötig, insbesondere auch vor dem Hintergrund, wenn ich sehe, dass zum Beispiel wir hier im Ruhrgebiet immer noch Stimmergebnisse, auch wenn auf niedrigerem Niveau, aber Stimmergebnisse erreichen, wo die Menschen uns Sozialdemokraten sagen: Ja, wir vertrauen euch, wir geben euch da noch Mehrheiten. Und da müssen wir auch schon mal Laut geben und das nicht denen überlassen, die zwar vielleicht lauter reden, aber die Stimmergebnisse deutlich schlechter sind.

Kolkmann: Das war der Oberbürgermeister von Gelsenkirchen, Frank Baranowski von der SPD. Ich danke Ihnen für das Gespräch!

Baranowski: Danke Ihnen auch!