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Verbraucherschützer rügt Provisionsregeln

Klaus Müller, Vorstand des Bundesverbands der Verbraucherzentralen
Klaus Müller, Vorstand des Bundesverbands der Verbraucherzentralen © dpa / picture alliance / Daniel Naupold
02.05.2014
Eigentlich gebe es in der EU wirksame Regeln zur Regulierung von Finanzprodukten, sagt der neue Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Klaus Müller. In Deutschland seien aber zu viele Ausnahmen zugelassen.
Nana Brink: In den 16 Verbraucherzentralen mit rund 200 Beratungsstellen in Deutschland wird fast alles geboten: vom Handyvertrag – also die Überprüfung – über die Stromrechnung bis zum Brötchenverkauf. Doch der Verbraucherzentrale Bundesverband ist mehr als nur Beratungsstelle, sie ist auch die Lobby für uns Verbraucher, Mahner und Warner für die Politik, zum Beispiel in Sachen Finanzmarkt oder Energiewende, die der Bundesverband in der letzten Zeit häufig kritisiert hat. Ein Klick auf die Internetseite der Verbraucherzentrale, ich habe jetzt mal die von Berlin genommen, und ich erfahre etwas über "Verbraucherschutz in 100 Sekunden".
Wir nehmen uns jetzt hier ein bisschen mehr Zeit und zwar mit Klaus Müller, der war mal grüner Umweltminister in Schleswig-Holstein und ist seit gestern neuer Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverband. Schönen guten Morgen, Herr Müller!
Klaus Müller: Seien Sie gegrüßt!
Brink: Was würde denn der Verbraucher Müller sofort ändern, wenn er könnte?
Müller: Ja, wenn ich der berühmte König von Deutschland wäre oder diesen berühmten Zauberstab hätte, dann wären mir drei Dinge wichtig. Erstens: Wir würden zu faireren Preisen kommen, Stichwort zum Beispiel die Strompreise. Zweitens: Wir würden drüber reden, ob das Verbraucherleben nicht einfacher werden müsste. Und drittens: Der berühmte Spruch "Der König ist Kunde", davon sind wir ja leider in der Realität meilenweit entfernt. Aber wenn sich die Politik an einem sachgerechten, an einem differenzierten Verbraucherbild orientieren würde – das wäre schon mal ein Fortschritt.
Brink: Wie lange wollen Sie im Amt sein, 100 Jahre?
Müller: Nein, das wäre wunderbar, es ist in der Tat viel zu tun. Das macht die Verbraucherpolitik, den Verbraucherschutz aber auch so spannend.
Brink: In ihrem Koalitionsvertrag haben Union und SPD ja vereinbart, dass die Verbraucherschützer Marktwächter auf dem Finanzmarkt sein müssten. Was heißt das denn für Sie?
Müller: Wir wollen erst mal die digitale Welt nicht vergessen, zwei Themen sind da drin verankert, das bedeutet Folgendes: In die Beratungsstellen der Verbraucherzentrale kommen jedes Jahr hunderttausende, ich glaube, fast zwei Millionen Menschen und haben Fragen, haben Beschwerden. Das Wichtigste ist natürlich, denen individuell zu helfen. Aber die Erkenntnis, die man daraus gewinnen kann, ist ja eine ganz wichtige Sensorfunktion, also: Wo baut sich ein neues Problem auf? Welcher Anbieter ist vielleicht besonders auffällig? Welche Gesetze haben funktioniert oder ja leider oftmals auch nicht funktioniert? Und wenn wir diese Informationen bündeln, zusammenfassen, noch mal überprüfen, und sie dann den Aufsichtsbehörden – der Politik, der Öffentlichkeit, Wissenschaft, vielleicht auch interessierten Unternehmen – rückspiegeln würden, ich glaube, dann könnte das Leben für uns alle etwas einfacher und besser werden.
Brink: Stichwort Finanzmarktregulierung: Wäre das nicht eigentlich ein Ort, auf dem Sie ja ganz viel tun müssten?
Müller: Ich befürchte, das steht auch sehr weit oben an, zum einen, weil es Regeln gibt, die sich die EU in den letzten Jahren gegeben hat – gute Regeln übrigens, zum Beispiel zum Thema grauer Kapitalmarkt, das sind diese sehr unregulierten Finanzprodukte –, aber leider hat sich Deutschland dafür Ausnahmen herausgenommen, sodass, anders als in anderen Staaten in Europa, diese nach wie vor auch uns, Lieschen Müller, verkauft werden können, und nicht zuletzt haben wir rund um Prokon gesehen, wohin so etwas führen kann. Also das Schutzniveau in Deutschland ist nicht so gut wie in anderen Staaten Europas. Und auch, was das Thema Provisionen, also die Zahlungen, teilweise auch verdeckte Zahlungen an die Bankvermittler und -berater angeht, auch beim Thema Provisionen, da kann man noch mal rangehen.
Brink: Beim Thema Provisionen – müsste sie nicht abgeschafft werden, also das konsequent zu Ende zu denken, wenn Sie sagen, es muss eine unabhängige Beratung gerade bei solchen Produkten wie Prokon – Sie haben es erwähnt, die Windkraftfirma, die ja pleite gegangen ist und viele Anleger ihr Geld verloren haben?
Honorarberatung statt provisionsgestützte Empfehlungen
Müller: Das ist genau richtig. Lassen Sie uns kurz überlegen: Was bedeuten eigentlich Provisionen? Provisionen bedeutet, dass derjenige, der mir ein Produkt für meine Altersvorsorge, für meine Vermögensanlage verkauft, nicht nur mich im Blick hat, sondern natürlich auch immer weiß: Bei dem Produkt kriege ich etwas mehr Provision, ich verdiene mehr, bei dem Produkt verdiene ich weniger oder womöglich sogar gar nichts. Kann er dann wirklich in meinem Interesse beraten? Und die Alternative dann, Honorarberatung: Beratung ist nicht kostenlos. Das wird eine Weile dauern auch, bis sich der Verbraucher dran gewöhnt hat. Aber mit etwas langem Atem, mit etwas klarem Kurs, dann würde die Politik sagen: In ein paar Jahren ist die provisionsgestützte Beratung verboten, die Honorarberatung ist die Regel, so, wie wir das ja auch beim Rechtsanwalt oder Architekten kennen.
Brink: Wie ist Ihre Reaktion aus der Politik, wo müssen Sie das hintragen? Werden Sie gehört?
Müller: Also das Schöne ist, dass inzwischen eigentlich alle Parteien erkannt haben: Verbraucherschutz ist ganz, ganz wichtig. Es gibt ja auch 80 Millionen Verbraucher in Deutschland.
Brink: Da fragt man sich dann immer, warum dann doch so wenig passiert, nicht?
Müller: Ja, weil es leider auch viele andere Interessensgruppen gibt, die teilweise auch noch etwas machtvoller sind. Aber ich glaube, dass wir ganz gute Argumente auf unserer Seite haben. Mit den Marktwächtern haben wir ein tolles Angebot, und im Koalitionsvertrag sehen wir, dass Union und SPD gesagt haben, sie wollen sich an einem differenzierteren Verbraucherbild orientieren. Für uns bedeutet das, dass nicht an einer Fiktion ... Wie sollte der Verbraucher sein, sondern wie ist es eigentlich tagtäglich? Und dann werden wir auch zum Ergebnis kommen, dass wir ein paar Regeln ändern müssen.
Brink: Sie haben ja das Beispiel Provisionen schon genannt, die ja verboten werden müssten bei bestimmten Produkten oder eigentlich überhaupt, damit man sich ein seriöses, unabhängiges Bild machen kann. Ich möchte noch mal bei diesem Beispiel Prokon bleiben, vor dem Sie ja auch gewarnt haben.
Müller: Ja.
Brink: Aber kann man denn den mündigen Verbraucher in Watte packen? Ist er nicht letztendlich selbst schuld, wenn er riskante Produkte kauft?
Müller: Da müssen wir einmal kurz innehalten. Gibt es den mündigen Verbraucher? Also: Natürlich geht es nicht darum, jemanden zu verhätscheln oder ihn auch frei von jedem Risiko zu stellen. Man muss wissen, Rendite und Risiko stehen auf dem Finanzmarkt im Verhältnis: je mehr Rendite, desto mehr Risiko. Da kommt man nicht hinaus. Aber wenn ich zum Beispiel sehe, dass ich heute nach wie vor in Straßenbahnen die Werbung für Pokern sehe – sie war ganz lange geschaltet vor großen Nachrichtensendungen im Fernsehen, fast wie Waschmittelwerbung kam das rüber –, also die Frage: Darf das tatsächlich so an die Frau, an den Mann gebracht werden? Noch mal: Die EU hat hier klare Regelungen gebracht – in anderen Ländern gibt es das so nicht! Das heißt, Deutschland hinkt da einem Schutzniveau hinterher.
Verbraucherzentrale soll institutionell gestärkt werden
Brink: Das Verbraucherressort ist ja künftig im Justizministerium verankert. Ihr Vorgänger Gerd Billen wird Staatssekretär im Justizministerium. Hoffen Sie jetzt auf mehr Geld?
Müller: Also hoffen tun wir immer. Man muss aber nüchtern sehen, ob mein Vorgänger jetzt in der Funktion des Staatssekretärs uns da unmittelbar was helfen kann - das ist schwierig. Darum hat er das sozusagen auch an andere Stellen abgegeben im Haus, damit es keine Befangenheit gibt. Aber wir setzen schon drauf, dass der Koalitionsvertrag gilt, und im Koalitionsvertrag haben eben CDU, CSU und SPD gesagt, sie wollen mit den Marktwächtern und auch institutionell den Verbraucherzentrale Bundesverband stärken. Noch steht da im Haushalt nichts drin. Wir glauben aber, dass man Versprechen einhalten muss und werden auch daran erinnern.
Brink: Letzte Frage an den Verbraucherschutz-Schützer: Wann endlich kann ich die Bedienungsanleitung für meinen Fernseher verstehen?
Müller: Ach, das begegnet uns von vielen Menschen und zwar doppelt, erstens: Anglizismen mögen ja was Tolles sein, und wenn ich in London oder New York bin, dann wird da auch Englisch gesprochen, aber eine gute Gebrauchsanweisung in einem deutschen Laden bei einem Produkt, das ich hier kaufe, die sollte erstens in klarem Deutsch sein, und dann bitte auch schon noch ohne Hochschulabschluss, den ich dafür brauche, sondern vielleicht mit klaren Piktogrammen, einfache Sprache. Das würde das Leben echt erleichtern.
Brink: Na, vielleicht dauert das ja nicht 100 Jahre. Schönen Dank, Klaus Müller, neuer Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverband. Schönen Dank für das Gespräch!
Müller: Schönen Tag noch!
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