Banker vor Gericht

Das stumpfe Schwert der "Untreue"

Von Michael Braun · 03.02.2014
Vor den Oberlandesgericht München hat ein Schadenersatz-Musterprozess gegen die verstaatlichte Immobilienbank Hypo Real Estate begonnen. Die Geldinstitut war im Zuge der internationalen Finanzkrise in Existenznot geraten. In dem Verfahren geht es um Forderungen von Alt-Aktionären in einer Gesamtgrößenordnung von einer Milliarde Euro. Bisher waren Banker in der Geschichte der Bundesrepublik juristisch nur schwer zu belangen – ein Rückblick.
Die deutsche Justizgeschichte gegen Banker begann in der Nachkriegszeit mit einer Niederlage. Iwan D. Herstatt hatte 1974 seine gleichnamige Bank gegen die Wand gefahren. Er wurde wegen Untreue verurteilt: viereinhalb Jahre Haft. Aber dieses Urteil hob der Bundesgerichtshof nachher auf. Auch die spätere Bewährungsstrafe wurde Herstatt erlassen.
Verurteilt worden ist Stefan Ortseifen, der ehemalige Chef der Mittelstandsbank IKB, das erste deutsche Opfer der Finanzkrise. Dabei hatte Ortseifen wenige Tage vor dem Kollaps die Lage der Bank noch positiv dargestellt. Die Klage wegen Täuschung ergab zehn Monate Haft auf Bewährung und 100.000 Euro Strafe – obwohl die IKB mit acht Milliarden Euro aus den Kassen der KfW gerettet wurde. Immerhin: Revision wurde im Ortseifen-Urteil nicht zugelassen. Doch es bleibt der Eindruck: Banker sind gerichtlich schwer zu fassen. Elke Schubert, in München als Anwältin für Bank-, Kapitalmarkt- und Vertragsrecht tätig, bestätigt diesen Eindruck:
"Ja, leider."
Die strafrechtlichen Möglichkeiten seien zu weich, das oft benutzte Schwert, der Vorwurf der Untreue, stumpf:
"Die aktuellen wirtschaftsrechtlichen Strafverfahren sind leider mit den begrenzten Möglichkeiten des Strafrechts nicht zu fassen. Also Untreue beispielsweise setzt auch voraus, dass der Vorstand hätte handeln können. Dazu muss festgestellt werden, dass er auch in der Kürze der aufeinanderfolgenden Ereignisse hätte handeln können, was natürlich schwierig ist. Und dann muss noch die Höhe des eingetretenen Vermögensschadens klar sein. Und das ist fast unmöglich.“
Hätte er handeln können? Wie viel geringer wäre der Schaden?
So sind vom ehemaligen HRE-Chef Georg Funke Mails bekannt, dass er sah, welche Gefahren auf die Bank zukommen. Aber ob er zwischen diesen Mails und dem schließlichen Zusammenbruch der Bank hätte handeln können und um wie viel genau der Schaden dann geringer geworden wäre, das dürfte kaum nachzuweisen sein. Es sei denn, sagt die Anwältin Schubert, der Gesetzgeber werde aktiv:
"Hier wäre dann dringend die Politik gefragt. Die Zeiten der RAF haben ja gezeigt, dass es damals möglich war, eine 'Lex RAF' nenne ich sie mal, in das Strafrecht einzufügen. Und es ist auch möglich, eine 'Lex Wirtschaftskriminalität' neu zu erfassen. Und das müsste dann auch schnell gehen in Anbetracht der jetzigen Ereignisse."
Da ließe sich fragen, ob das Verhältnis zwischen Banken und Staat zu eng ist, um scharfe Strafgesetze gegen Banker zu verabschieden. Bislang hat der Gesetzgeber sich selbst bei den Banken einen Vorteil verschafft. Staatsanleihen, also Kredite an Staaten, müssen die Banken nicht mit Eigenkapital unterlegen, Kredite an Unternehmen und Privatleute schon. Kein Wunder, dass Banken dem Staat gern Kredit gegeben haben: Das war für sie billig und für die Regierungen eine entsprechend gute Finanzierungsquelle. Und wenn die Banken dann noch unter starkem Staatseinfluss standen, wie das etwa bei den Landesbanken der Fall war, dann zählte Größe offenbar mehr als kaufmännische Vorsicht. In den laufenden Prozessen gegen frühere Manager etwa der HSH Nordbank oder der Bayerischen Landesbank ist das ein Thema.
Mehr zum Thema