Bambi für Integration

Ismail Öner und seine Jungs

A Bambi statue stands in front of the venue where will take place the Bambi awardings in Duesseldorf, western Germany, on November 22, 2012. The Bambis are the main German media awards.
Die Bambi Statue in Düsseldorf © AFP PHOTO / John MacDougall
Von Svenja Pelzel · 14.11.2014
Der Preis ging vor ihm an Mezut Özil, Bushido - was sehr umstritten war - und den Rabbiner Daniel Alter: Ismail Öner erhielt den Bambi für seinen Verein. Denn Jugendliche aus Berlin-Spandau hängen dank "Mitternachtssport" nicht mehr auf der Straße herum, sondern nächtelang in Turnhallen.
Bambiverleihung: "Applaus - meine Damen und Herren, Ismael Öner und seine Leute drehen die Welt auf links. Der Bambi in der Kategorie Integration geht an Ismael Öner - Applaus."
Wie jeden Freitag- und Samstagabend dreht Ismail Öner in der Turnhalle in Berlin Spandau den Ghettoblaster laut. Anschließend stellt sich der 36-jährige Sozialpädagoge an den Eingang, begrüßt alle Jungs, die gruppenweise hereinströmen, mit Handschlag.
Öner: "Hi Jungs, alles klar? Wir grüßen immer noch, oder?"
Es ist Mitternachtssport, immer am Wochenende, von 20 bis drei Uhr früh. Ungefähr hundert Jungs und junge Männer zwischen 15 und 25 Jahren treffen sich an diesem Abend zum gemeinsamen Kicken in den beiden Turnhallen. Fast alle haben einen Migrationshintergrund, stammen aus 30 verschiedenen Nationen. Es gibt keinen Trainer, keine Anweisungen, keinen Mitgliedsbeitrag - nur ein paar Turnierregeln, die Musik und das gemeinsame Spiel. Doch dahinter steckt für Ismail Öner wesentlich mehr:
"Für mich ist der Mitternachtssport nichts anderes als ein Mittel zum Zweck, ein Medium, ein Instrument, meine Waffe praktisch, um die Jugendlichen in die Sporthallen zu locken, um dann wiederum aus den Sporthallen heraus mit ihnen pädagogisch zu arbeiten. Weil die kommen ja nicht nur mit Sportschuhen und guter Laune, sondern die sollen allen ihre Sorgen und Nöte mitbringen."
Und die Idee funktioniert. Bevor das Turnier losgeht, stehen die Jungs in Gruppen zusammen, unterhalten sich, klopfen Sprüche, lachen. Mittendrin Ismail Öner. Er freut sich sichtlich, dass so viele junge Männer wegen seinem Mitternachtssport hier sind. 2007 hat Öner das erste Turnier organisiert - Kids gegen Polizeibeamte. Damals galt das Viertel um die Heerstraße Nord in Berlin Spandau als kriminalitätsbelasteter Ort, täglich kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen und der Polizei. Dann erfand Öner seinen Mitternachtssport.
"Und nach wenigen Wochen kam dann die Polizei zu mir und sagte: sag mal, was hast du verbockt? Und da mein ich: was soll ich verbockt haben? Und da meinten die: die Straßen sind leer gefegt.es ist nichts mehr los in dem Kiez wo vorher ständig Bamboule war."
Rennen wie die Hasen
Begrüßung: "So Jungs, schön, dass ihr da seid erst mal. Und ansonsten kann ich gar nicht oft genug sagen: Respekt, Toleranz, Fairplay sind drei Werte, die uns ganz wichtig sind. Lebt es vor."
Nach Öners kurzer Rede geht das Turnier los.
Die jungen Männer in der Halle rennen wie die Hasen, powern sich völlig aus. Jede Mannschaft kickt zehn Minuten, dann wird gewechselt. Ismail Öner beobachtet das Spiel von der offenen Galerie aus, gemeinsam mit Änis Ben-Hatira. Änis ist Profi bei Hertha BSC und einer der so genannten großen Brüder des Vereins, zu denen auch Nationalspieler Jérôme Boateng gehört. Änis kommt an diesem Abend direkt vom Training in die Halle zum Mitternachtssport.
Änis Ben-Hatira: "Das bedeutet mir sehr sehr viel, weil es für mich eine wichtige Herzensangelegenheit ist, weil ich mit den meisten Kindern und Jugendlichen dieselbe Vergangenheit habe oder dieselbe Art aufzuwachsen. Deshalb ist es für mich eine enge Verbundenheit zu den Jugendlichen gerade mit Migrationshintergrund und freue mich, ein Teil dieses wunderbaren Projekts zu sein."
Während Ismail Öner seine kickenden Jungs beobachtet, plaudert er mit Änis Ben-Hatira über das letzte Freundschaftsspiel von Hertha. Öner ist sichtlich stolz darauf, dass waschechte Fußballprofis wie Boateng und Ben-Hatira bei seinem Projekt mitmachen. Er braucht die großen Brüder als Vorbilder.
Botschafter für Demokratie und Toleranz
Öner: "Das dürfen keine großen Brüder sein, die den ganzen Tag ihre Kontoauszüge studieren und sich einen Kopf machen, welche Felgen sie an ihren Bentley knallen, sondern das müssen große Brüder sein, die richtig große Lust haben, den Kids einfach was zurück zu geben. Und genau nach diesen Kriterien haben wir die ausgesucht. Und inzwischen haben wir so zehn große Brüder, die unfassbar engagiert sind."
Öner hat mit seinem Mitternachtssport den Bambi gewonnen, den DFB-Integrationspreis und wurde von der Bundesregierung zum Botschafter für Demokratie und Toleranz ernannt. Trotzdem ist sein Projekt akut gefährdet. Im Dezember läuft seine Finanzierung aus, bislang übernehmen weder Berliner Senat, noch der Bezirk Spandau die Kosten.
"Es ist eine Respektlosigkeit einfach meiner Arbeit gegenüber, diesem Projekt gegenüber und vor allem, ganz wichtig, den Kindern gegenüber. Man signalisiert ja einem Projekt dann, wenn es nicht weiter finanziert wird oder wenn man das Interesse nicht zeigt, dass einem die Kinder nicht viel wert sind."
Über 50 Städte und Gemeinden haben sich nach der Bambiverleihung im letzten Jahr bei ihm gemeldet. Sie wollen, dass Ismail Öner auch bei ihnen einen Verein Mitternachtssport gründet. "Da ich mich nicht zerteilen kann", sagt Öner lachend, "hat nur eine Stadt den Zuschlag bekommen". Wuppertal. Seine Frau stammt aus dieser Stadt.