Baltische Balance

14.11.2013
Von Helsinki sind es dreihundert Kilometer einmal quer über den Finnischen Meerbusen bis nach Sankt Petersburg. Mit der Bahn braucht man gut vier Stunden. Diese finnisch-russische Nähe drückt sich vor allem in der Musikkultur aus. Gute Beispiele dafür finden sich gleich zweimal in einem besonderen Konzert, das das Finnische Radiosinfonieorchester unter Leitung seines Chefdirigenten Hannu Lintu spielt.
Die erste Sinfonie des größten Komponisten des Landes, von Jean Sibelius, steht noch ganz unter dem Eindruck der russischen Sinfonik - hier klingt die Musik des Finlandia-Schöpfers noch ganz wie Tschaikowsky. Dieses Werk steht am Ende des Abends.

Den Anfang macht eine sinfonische Dichtung von Erkki Melartin. Sie trägt den Titel "Traumgesicht" und enstand 1910 innerhalb kürzester Zeit für ein Konzert in Sankt Petersburg - auf Bestellung des russischen Dirigenten Alexander Siloti. Dort wurde sie auch mit großem Erfolg uraufgeführt und noch wenige Male danach im gesamten Ostseeraum gespielt, um schließlich - wie überhaupt das gesamte Werk von Erkki Melartin - in der Versenkung zu verschwinden.

Der Sibelius-Zeitgenosse Melartin galt in Finnland als der lyrische und erdverbundene Gegenpol zum bekanntesten Komponisten des Landes. Seltsamerweise sind seine insgesamt drei sinfonischen Dichtungen bekannter als seine sechs großen Sinfonien. Auch eine Oper auf das Kalevala-Epos hat er komponiert. Vor allem sein Wirken als Dirigent wurde hochgeschätzt. Er hat wesentlich dazu beigetragen, die Sinfonien Gustav Mahlers in Skandinavien bekannt zu machen. Nicht ganz frei von solchen kontinentalen Einflüssen sind dann auch seine Kompositionen. Letztlich ist Melartins Musik sehr originell, selbst wenn darin sich die Nähe zur russischen (Kultur)hauptstadt Sankt Petersburg deutlich ausdrückt.

Der Berliner Pianist Markus Groh gastiert im Musikzentrum in Finnlands Hauptstadt beim Radiosinfonieorchester mit dem Klavierkonzert von Paul Hindemith. Ein eher selten zu hörendes Werk, ein unbekanntes Juwel aus dem so wichtigen Jahr 1945. Damals konnte Paul Hindemith wie viele andere Emigranten die Illusion hegen, nach der Befreiung seines Heimatlandes wieder anknüpfen zu können an seine so einflussreiche Position, die er im deutschen Musikleben vor dem Nationalsozialismus gehabt hatte.



Live aus dem Musikzentrum Helsinki

Erkki Melartin
"Traumgedicht", Sinfonische Dichtung op. 70

Paul Hindemith
Konzert für Klavier und Orchester (1945)

ca. 21:00 Uhr Konzertpause mit Nachrichten

Jean Sibelius
Sinfonie Nr. 1 e-Moll op. 39


Markus Groh, Klavier
Finnisches Radio-Sinfonieorchester
Leitung: Hannu Lintu