Balkan Boom und amerikanische Träume

Der Film "Schwarze Katze, weißer Kater" des bosnischen Regisseurs Emir Kusturica löste in Deutschland einen Balkan-Boom aus. Ähnlich fantasievoll und versponnen kommt auch die erste Hollywood-Produktion Kursturicas daher: "Arizona Dream" mit Johnny Depp. Außerdem mit in der neuen Kusturica-DVD-Box vom Label Arthaus: der Film "Versprich es mir".
"Weißt Du Axel, das ist mein kleines polnisches Cremeschnittchen, und sie ist sehr sensibel; so wie die Leute aus Osteuropa eben sind. Aber sie ist sehr süß, nicht?"

"Ja, sehr süß Leo."

"Und weißt Du, wie alt sie ist?"

"Ja, sie ist jung."

"Du hast unheimlich recht. Das ist der Erfolg. Und um so erfolgreich zu sein, muss man Autos verkaufen."

"Ich will keine Autos verkaufen."

Das will Axel ganz bestimmt nicht. Stattdessen lebt und jobbt der 23jährige in New York und träumt manchmal von einem Leben bei den Eskimos. In seine Heimat Arizona ist er nur unfreiwillig zurückgekehrt. Sein Onkel Leo, gespielt von Jerry Lewis, braucht ihn als Trauzeugen und als Nachfolger für seinen Autosalon. Nur widerwillig lässt sich Axel darauf ein, probeweise bei seinem Onkel zu arbeiten.

Aber dann passiert es: Seine ersten Kunden sind die exzentrische Elaine, hinreißend versponnen, gespielt von Faye Dunaway, und ihre Tochter. Elaine findet Gefallen an dem von Johnny Depp gespielten jungen Unschuldslamm. Tochter Grace ist davon nicht begeistert.

"Es macht Dir wohl großen Spaß, die wilde Party zu sein?"

"Welche Party denn?"

"Warum musst Du versuchen, mit jedem Mann unter 30 zu vögeln, warum?"

"Wusstest du, dass das in Papua-Neuguinea ... "

"Ich will es nicht hören."

" ... als selbstverständliches Recht einer Frau ... "

"Ich will das nicht hören."

"Ich habe nur gesagt, wenn in Papua-Neuguinea eine Frau mit einem jungen Mann ins Bett geht, dann darf sie das."

"Ich will das nicht hören."

"Und wenn sie älter ist, stört das keinen: in Papua-Neuguinea!

"Wenn Du das jetzt noch einmal sagst, reiß ich alles von diesem Tisch runter."

"Papua-Neuguinea!"

Mutter und Tochter sind völlig durchgedreht. Und Axel ist fasziniert:

"In einem Traum zweier Frauen gefangen zu sein, ist der irrsinnigste Sturm, in den man geraten kann. Und die Schlacht ist niemals ein Kampf zwischen Gut und Böse, sondern zwischen Schwächer und Stärker."

Hier folgt jeder seinen Obsessionen - die Mutter träumt vom Fliegen in einer selbst gebauten Maschine und Onkel Leo von gestapelten Cadillacs, die bis zum Mond reichen. Emir Kusturica erzählt in "Arizona Dream" seine Variante des amerikanischen Traumes. In den Weiten der Wüste scheint genug Platz für die verrücktesten Ziele zu sein. Am Ende scheitern zwar alle, aber durch Magie erfüllen sich die Träume irgendwie doch - als Onkel Leo stirbt, steigt der Krankenwagen mit ihm in die Luft und fliegt Richtung Mond.

Das Magische und Chaotische aus den Geschichten seiner Balkan-Heimat hat der bosnische Regisseur einfließen lassen in seinen ersten amerikanischen Film. Ist in "Arizona Dream" von 1992 das Chaos allerdings noch einigermaßen unter Kontrolle, ist es in seinem in Serbien gedrehten Film "Schwarze Katze, weißer Kater" System. Gesetze interessieren in der Balkan-Welt niemanden.

"Onkel Grga, ich hab eine phänomenale Idee auf Lager."

"Ja und die wäre?

"Güterzug!"

"Güterzug?"

"Genau, Onkel Grga. Mit 20 Benzintanks."

"Benzintanks?"

"Und drei davon soll ich kriegen."

"Die Nummer, die du da vorhast, ist für Profis, die ist nichts für dich. Die Kerle werden dich bescheißen."

"Nein, nein, dieses Mal ist alles geplant, alles ist ausbaldowert. Da gibt es überhaupt kein Vertun."

Natürlich geht die Sache schief. Jetzt muss Matko dem Mafioso Dadan auch noch Geld zurückzahlen. Der aber macht überraschend ein Angebot: Matkos Sohn soll die schwer vermittelbare Schwester des Gangsterbosses heiraten.

"Was soll der Vorschlag? Mein Sohn ist 17, deine Schwester 25. Das kann doch nicht dein Ernst sein."

"Aber die Jungs wollen doch immer erfahrene Frauen."

"Abgesehen davon gibt es auch noch ein paar andere Gründe."

"Die wären?"

"Sie ist hässlich - und winzig klein. Sie sieht aus wie ein Zwerg. Deshalb nennen die Leute sie auch Gartenzwerg."

"Pass auf, du Blödmann, Diamanten sind auch klein und trotzdem verdammt wertvoll."

Kusturica erzählt von der archaischen Welt des Sinti- und Romavolkes, in der Jahrtausende alte Gesetze das Leben bestimmen. Der Film ist eine Art Befreiungsschlag für den Regisseur, nachdem er Mitte der 90er-Jahre in die Kritik geraten war. Nach Filmen wie "Underground" wird ihm einseitige Parteinahme für Serbien im Jugoslawienkrieg vorgeworfen. Mit "Schwarze Katze, weißer Kater" dreht Kusturica 1998 ein völlig überdrehtes und versponnenes Märchen, in dem am Schluss doch das Gute siegt; so wie auch im dritten Film der DVD-Box, "Versprich es mir" von 2007, in dem ein junger Bauernbursche vom Großvater in die Stadt geschickt wird.

"Als Erstes bringst du Zvedka in die Stadt und verkaufst sie, um eine Ikone des Heiligen Nikolaus zu kaufen. Und da ist noch was."

"Was denn?"

"Junge, du sollst dir in der Stadt eine nette junge Frau suchen."

"Wozu brauchen wir eine Frau?"

"Du brauchst eine Frau!

"Dafür bin ich viel zu jung!"

In der Ferne reift der Junge zum Helden, befreit ein Mädchen aus dem Bordell und heiratet sie. Kusturica zeigt in seinen Filmen eine korrupte Welt, in der die ganz Jungen der einzige Lichtblick sind und Magie schließlich über die Realität siegt. Die Wirklichkeit wird von der Fantasie überwältigt. Das macht die Filme dieser DVD-Box so originell, auch wenn das Bonusmaterial nicht mehr bietet als ein Interview mit Johnny Depp, in dem er - dummerweise auch noch - mehr raucht als redet.

Dafür entschädigen die Filme mit einer Anarchie und Vitalität, die selbst die ältesten Klischees - ob vom lustigen Zigeunerleben oder versponnenen Amerikanern - wie nie zuvor gesehen ausschauen lässt.

Besprochen von Christian Berndt

Emir Kusturica - Arthaus Close Up
3 CDs (3 Filme plus Bonusmaterial)
Label: Arthaus, 18,50 Euro