Bajachad – Gemeinsam

Von Igal Avidan |
Wie kann man eine Reise durch die jüdischen Gemeinden des ehemaligen Jugoslawien unternehmen, ohne das Hotel zu verlassen? Das ist möglich bei Bejachad, was auf Hebräisch so viel wie "gemeinsam" heißt, dem Festival der jüdischen Kulturszene des ehemaligen Jugoslawien.
Dieses findet im kroatischen Kurort Opatia bereits zum 12. Mal statt. In diesem Jahr war auch die Berliner Jüdische Gemeinde zu Gast und wurde durch Herman Simon, dem Leiter des Centrum Judaicums, und den Geschäftsführer der Gemeinde Andrè Lossin vorgestellt. Ergänzt wurden die Vorträge durch eine Fotoausstellung über türkische Juden in Berlin und Klezmermusik.

Mit einem Glas koscheren Rotwein stößt der zufriedene Organisator Vladimir Šalamon aus der Jüdischen Gemeinde "Bet Israel Zagreb" an. Rund 300 Juden sind hierhergekommen, um für eine Woche ihre Freunde aus dem ehemaligen Jugoslawien zu treffen, die inzwischen auf der ganzen Welt verstreut leben. Manche Teilnehmer mussten aus Platzgründen in einem benachbarten Ort einquartiert werden. Die meisten Juden kommen aus Kroatien, Maja Cimeša Samokovlija zum Beispiel. Die 31-Jährige ist Lehrerin für Hebräisch und Judentum an der jüdisch-kroatischen Grundschule in der Hauptstadt Zagreb. Ihr jüdisches Bewusstsein entstand in Sommercamps der jugoslawischen Juden, sagt Samokovlija.

"Die Generation meiner Eltern nahm zwar zweimal im Jahr an Sommer- und Wintercamps der jüdischen Gemeinde teil. Aber die Religion war für sie unwichtig, denn im sozialistischen Jugoslawien gab es keine Rabbiner. Unsere Generation hingegen konnte mehrmals Israel besuchen und hält die Religion für wichtig und deswegen bevorzugen wir es, einen Juden zu heiraten."

Maja Cimeša Samokovlija spricht fließend Hebräisch, weil sie einige Jahre in Israel gelebt hat. Viele Juden emigrierten wegen des Krieges und der ökonomische Misere nach Israel. Ein Drittel von ihnen kehrte nach Kroatien zurück, weil die Israelis sie als Fremde betrachteten. Nur in Kroatien fühlen sie sich als Juden und werden als solche gesehen. Außerdem wollten sie sich mit dem sozialen Abstieg in Israel nicht abfinden. Samokovlija folgte dem Ruf der jüdischen Schule:

"Im Jahr 2006 wurde hier die jüdische Schule gegründet, während ich einen Vertrag bei der kroatischen Botschaft in Israel erhielt. Das war ein guter Start für mich in Israel. Aber unsere Schule war mir bald wichtiger, denn ich verstand, dass ich mehr für das jüdische Volk tue, wenn ich an der jüdischen Schule in Kroatien unterrichte, statt in Israel zu sein.

Die Lauder-Stiftung fördert unsere jüdischen Studien, die Eltern zahlen Gebühren. In diesem Jahr hat uns das kroatische Bildungsministerium zum ersten Mal unterstützt. Wir sind eine private Einrichtung, aber keine elitäre. Wir helfen bedürftigen jüdischen Familien, unsere Schule kostenlos zu besuchen und finden immer einen amerikanischen Mäzen, der diese Kosten übernimmt."

Erleichtert wurde die Gründung dieser ersten jüdischen Schule im ehemaligen Jugoslawien dadurch, dass der Enkelsohn des kroatischen Staatspräsidenten Stjepan Mesić dort die Schulbank drückte. Der Junge fühlte sich hier am sichersten, die Schule wiederum konnte sich auf seine Bodyguards verlassen und entließ daraufhin sein eigenes Sicherheitspersonal.

Die meisten Juden im ehemaligen Jugoslawien leben in Belgrad, rund 1.200 Erwachsene und 400 Kinder, die Hälfte von ihnen sind halachisch jüdisch, also dank der jüdischen Mutter auch von orthodoxen Juden als solche anerkannt. Die 36-jährige Kunsthistorikerin Jelena Mijalovic leitete bis vor kurzem die Kultur- und Bildungsabteilung der Gemeinde:

"Wie haben eine Synagoge und einen Rabbiner, der mehrere kleine Gemeinden in Serbien betreut. Er ist modern-orthodox und führte eine Art jüdische Sonntagsschule ein, die jedoch mittwochs stattfindet. Im Gemeindezentrum kann man sich in jüdischer Tradition, Hebräisch und Ladino vertiefen. Im Sommer finden spezielle Aktivitäten für die Kinder statt, aber einen richtigen jüdischen Kindergarten oder Schule haben wir leider nicht, nur die Chabad-Bewegung. In Belgrad existiert auch das einzige jüdische Theater im ehemaligen Jugoslawien und der jüdische Chor, der zu den ältesten der Welt gehört."

Nach dem langen Krieg 1990 und den NATO-Bombardierungen 1999 geht es in der Belgrader Gemeinde wieder aufwärts, berichtet Rabbiner Yithak Asiel. Die Jugendlichen wiederum lassen sich am besten durch Sportaktivitäten mobilisieren, aber auch durch Ausflüge und die Tanzgruppe.

Einen Aufschwung erlebt auch die kleine jüdische Gemeinde in Slowenien mit Zentrum in der Hauptstadt Ljubljana. Denn seit 2003 haben die 145 Mitglieder, die sich regelmäßig treffen, einen Teilzeitrabbiner, der sie aus der benachbarten italienischen Grenzstadt Triest betreut. Der 21-jährige Informatik-Student Luka Woititz ist einer der aktiven Gemeindemitglieder:

"Wir haben eine Synagoge, aber kein eigenes Gebäude, sondern nur einen Gebetsraum, wo wir die Feiertage mit unserem Lubawitscher Rabbi Ariel Hadad aus Triest feiern. Er kommt an allen Feiertagen, selten am Shabbat. Und am Yom Kippur fährt die gesamte Gemeinde nach Triest, weil unser Rabbi an diesem heiligsten Tag bei seiner Familie sein möchte."

Einer der aktivsten jungen Juden hier ist der 34-jährige Dario Atias aus der Kleinstadt Doboi in der serbischen Republik in Bosnien. Nur 70 Juden leben in Doboi, und deren Zukunft schien düster. Dann aber erhielten sie vor einigen Jahren ein großzügiges Geschenk – eine Synagoge. Nun versucht Atias, der mit 16 nach Israel evakuiert wurde und dort Militärdienst und Studium absolvierte, seine Gemeinde am Leben zu erhalten. Denn diese ist mit seiner Familiengeschichte eng verbunden. Keine leichte Aufgabe, wenn man selbst keine feste Anstellung findet.

"Ich mache verschiedene Projekte mit dem Ziel, die jüdische Kultur und Tradition bekannt zu machen. Zum Beispiel bringe ich Chöre und Tanzgruppen aus größeren jüdischen Gemeinden zu uns, die bereit sind, auch in einer kleinen Stadt wie unserer aufzutreten. Wir haben eine Thorarolle und beten am Shabbat oder an jüdischen Feiertagen, wenn jüdische Gäste aus benachbarten Städten zu uns kommen. Eigentlich haben wir alles, was eine jüdische Gemeinde braucht, außer genug Juden. Wie viele Gemeindemitglieder sind halachisch jüdisch? Vielleicht einer, höchstens zehn."
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