Bahn will Lokführerstreik mit allen Mitteln bekämpfen

Moderation: Marie Sagenschneider |
Die Deutsche Bahn hat ihre harte Haltung gegenüber der Lokführergewerkschaft GDL bekräftigt. Man werde drohende Streiks mit allen Mitteln bekämpfen, sagte Personalvorstand Margret Suckale. Um einen "belastbaren" Notfallfahrplan anbieten zu können, sollten Lokführer eingesetzt werden, die in den Gewerkschaften Transnet und GDBA organisiert seien.
Marie Sagenschneider: Zu Mitternacht ist die Friedenspflicht abgelaufen. Morgen könnte der Ausstand beginnen. Die Zeichen, so war es von der GDL und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer zu hören, die Zeichen stehen auf Streik. Was genau geplant ist, das will die GDL heute Vormittag bekannt geben. Und dann wird auch die Deutsche Bahn erklären, wie sie gedenkt, sich dagegen zu wappnen. Personalvorstand der Deutschen Bahn ist Margret Suckale. Ich grüße Sie!
Margret Suckale: Guten Morgen, Frau Sagenschneider!
Sagenschneider: Rechnen Sie damit, dass der Streik morgen schon beginnt?
Suckale: Ich kann es mir eigentlich nicht vorstellen, dass die GDL diese Woche mit dem Feiertag für Streiks nutzen will. Denn sie muss ja sehen, dass die Kunden das überhaupt nicht akzeptieren können. Viele haben diese Woche genutzt, um noch ein paar Tage Urlaub zu machen. Ich kann es mir aus diesem Grunde nicht vorstellen.
Sagenschneider: Na ja. Der 3. Oktober soll ja, also der Feiertag, Tag der Deutschen Einheit, soll ja ausgenommen sein, so viel ist ja offenbar schon klar. Das zumindest?
Suckale: Das hat Herr Schell gesagt. Aber die meisten reisen natürlich am Dienstag an oder schon am Montag, also heute insofern. Also ich kann es mir eigentlich nicht vorstellen. Die GDL hat schon mal während der Urlaubszeit mit Streiks gedroht. Und auch das hat ihnen viele Kunden zu Recht verdrossen, weil diese Unsicherheit, die dämmt ja immer schon die Vorfreude auf ein paar freie Tage.
Sagenschneider: Also Sie haben ja schon angekündigt, Notdienstpläne erstellen zu wollen für den Ernstfall, für den Fall eines Streiks. Wie weit, Frau Suckale reicht das denn, um einen halbwegs normalen Zugverkehr zu gewährleisten?
Suckale: Also wir haben sehr viel gelernt auch aus den vorangegangen Streiks. Wir haben die letzten Wochen intensiv genutzt. Wir haben Notfallpläne. Wir haben unser Personal daraufhin entsprechend eingestellt. Ich glaube, wir werden einen sehr guten belastbaren Fahrplan anbieten können. Natürlich wird nicht jeder Zug fahren, aber wir werden unsere Kunden auch rechtzeitig informieren.
Sagenschneider: Sie haben die Lokführer, die verbeamtet sind. Auf die können Sie zurückgreifen. Die dürften nicht streiken. Auch die Lokführer, die der Gewerkschaft Transnet angehören. Aber ist das wirklich genug oder ist etwas dran an den Meldungen, dass die Bahn darüber nachdenkt, Lokführer aus dem Ausland zu engagieren?
Suckale: Also zunächst mal haben wir in der Tat einen Großteil beamtete Lokführer. Und Sie sprechen auch den springenden Punkt an, warum dieser Tarifkonflikt ja auch so schwierig ist. Wir haben ja viele Lokführer, mehrere tausend auch in den anderen Gewerkschaften. Und die werden selbstverständlich fahren. Es kann sein, dass grenzüberschreitend auch mal der ein oder andere Lokführer aus dem Ausland eingesetzt wird. Aber im Großen und Ganzen glauben wir, mit der bestehenden Mannschaft hier einen belastbaren, zwar eingeschränkten, aber belastbaren Fahrplan anbieten zu können.
Sagenschneider: Und Sie werden im Fall eines Streiks auch wieder vor Gericht ziehen, nehme ich an?
Suckale: Wir müssen jede Möglichkeit ausnutzen. Denn unsere Kunden erleiden ja hier großen Schaden, im Güterverkehr genauso wie die Privatreisenden. Und wir sind es unseren Kunden einfach schuldig, diesen Streik mit allen Mitteln zu bekämpfen.
Sagenschneider: Kommen wir noch einmal zurück zum Tarifstreit konkret. Am Freitag hatten Sie ja gesagt, Frau Suckale, im Prinzip habe es schon eine Einigung gegeben, telefonisch auf höchster Ebene zwischen Bahnchef Mehdorn und dem GDL-Vorsitzenden Schell. Und zwar hätte man sich darauf verständigt, dass die GDL den Tarifabschluss übernimmt, der mit den anderen Gewerkschaften, also Transnet und GDBA vereinbart worden ist. Der eben ein Einkommensplus von viereinhalb Prozent vorsieht. Und darüber hinaus hätte die Bahn angeboten, Überstunden bei der Mehrarbeit draufzulegen, sodass Ihre Berechnung nach am Ende ein Plus von Pi mal Daumen zehn Prozent rausgekommen wäre. Hat Herr Schell dem wirklich zugestimmt?
Suckale: Also wir haben ja diese zehn Prozent angeboten, weil wir uns überlegt haben, was ist dem Mitarbeiter eigentlich wichtig. Was ist dem Mitglied der GDL eigentlich wichtig. Und dem ist doch wichtig, was hat er am Ende des Tages im Portmonee. Und zehn Prozent mehr zu haben im Portmonee, das ist wirklich eine große Erhöhung. Darüber wird der eine oder andere ganz sicher intensiv nachdenken. Denn wir wissen von vielen unserer Lokführer, dass sie diesen Streik überhaupt nicht wollen. Und Herr Schell hat sich mit Herrn Mehdorn darüber sehr intensiv ausgetauscht. Soweit ich weiß, hatte man sogar schon ein Protokoll erstellt. Und am nächsten Tag hat Herr Schell leider abgesagt. Eigentlich hatte er schon am gleichen Tag im ZDF gesagt, dass es dazu nicht kommt. Das finde ich sehr, sehr schade beziehungsweise auch unverantwortlich. Denn zehn Prozent kann man nicht so einfach vom Tisch wischen.
Sagenschneider: Was folgt daraus jetzt für die Bahn? Denn es liegt ja in ihrem Interesse, einen Streik, wenn schon nicht zu verhindern, dann möglichst kurz zu halten?
Suckale: Das ist richtig. Aber wir sind auf den Streik vorbereitet. Und wir wollen uns hier nicht erpressen lassen. Die letzten Wochen haben uns allen hier noch einmal gezeigt, dass wir nur mit einer Gewerkschaft verhandeln können, die auch wirklich verhandlungsbereit ist und nicht mit erpresserischen Mitteln arbeiten will.
Sagenschneider: Nun ja. Aber Sie müssen die wirtschaftlichen Verluste im Blick haben und irgendwann wird eine Grenze erreicht sein, bei der Sie dann doch überlegen müssen, mehr Zugeständnisse zu machen.
Suckale: Wir müssen aber auch die Interessen unserer anderen Mitarbeiter im Auge behalten, denn wir haben ja 160.000 andere Mitarbeiter, die sich natürlich genau angucken, was hier geschieht. Und wir können nicht für 8000 streikwillige Lokführer diese anderen Mitarbeiter verprellen, die genauso ihren ganz, ganz wichtigen Part für die Bahn leisten. Und ich sage es immer wieder, jede dieser Mitarbeitergruppen könnte diese Bahn zum Erliegen bringen.
Sagenschneider: Nun gut. Aber nehmen wir an, der Streit dauert einige Wochen. Dann werden Sie auf jeden Fall die Politik im Nacken haben, die Druck machen wird, ein höheres Angebot vorzulegen oder sich in irgendeiner Form mit der GDL zu einigen.
Suckale: Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die Politik hier in einen Tarifkonflikt einmischt. Denn es gibt ja Tarifautonomie, also die Unabhängigkeit der Tarifpartner. Und auch die Politik weiß natürlich, dass es hier viele, viele tausend andere Mitarbeiter gibt, die das überhaupt nicht verstehen würden, warum hier für so eine kleine Gruppe plötzlich Sonderregeln gelten sollten.
Sagenschneider: Wenn Sie, Frau Suckale, auf die letzten Wochen oder man muss ja schon sagen, auf die Monate, die letzten Monate zurückblicken, würden Sie dann im Nachhinein sagen, die Bahn hätte die Verhandlungen geschickter und vielleicht von Beginn an etwas zugänglicher führen müssen, weil man so möglicherweise die große Entscheidungsschlacht, die sich abzeichnet, hätte verhindern können?
Suckale: Also ganz im Gegenteil. Ich finde, die Bahn hat hier alle Möglichkeiten genutzt. Wir sind völlig neue Wege gegangen. Wir haben eine Moderation hier eingeführt. Das hat es bisher in keinem Tarifkonflikt gegeben. Eine Schlichtung kam nicht in Frage, weil die GDL die Schlichtungsabkommen gekündigt hatte. Wir sind hier wirklich jeden möglichen Weg gegangen. Wir haben sogar unsere ja bereits gewonnenen Verfahren zurückgenommen, um wirklich hier ein gutes Gesprächsklima anbieten zu können. Wir haben von der GDL bisher immer nur Nein gehört. Aber Nein sagen ist eben nicht verhandeln.
Sagenschneider: Bahnpersonalvorstand Margret Suckale im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. Ich danke Ihnen!