Bahn-Gewerkschaft gibt Politik Mitschuld an Datenaffäre
Vor der Sondersitzung des Bahn-Aufsichtsrates zur Datenaffäre hat der Vorsitzende der Bahn-Gewerkschaft Transnet, Alexander Kirchner, der Politik Scheinheiligkeit vorgeworfen. Jahrelang sei ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz verhindert worden, sagte Kirchner. Zugleich betonte er, erst wenn die Datenaffäre vollständig aufgeklärt sei, könne man über personelle Konsequenzen beraten.
Jörg Degenhardt: Den Ärger über die Datenaffäre wird die Deutsche Bahn so schnell nicht los. Heute berät der Aufsichtsrat über die weitere Aufklärung. In einem Zwischenbericht hatte der Vorstand seine Erkenntnisse bereits letzte Woche zusammengefasst. Demnach gab es zwischen 1998 und 2006 fünf groß angelegte Kontrollaktionen, bei denen Mitarbeiterdaten mit jenen von Lieferanten abgeglichen wurden. Dazu zählten Namen, Adressen, Telefonnummern und Bankverbindungen. Teils waren 173.000 Beschäftigte der Bahn betroffen, teils ein engerer Kreis von mehreren Hundert Führungskräften. Bahnchef Hartmut Mehdorn hat weitere Untersuchungen zugesagt und strebt an, bis Ende März einen Abschlussbericht vorzulegen. Auf den dürfte dann auch Alexander Kirchner gespannt sein. Er ist der Chef der Gewerkschaft Transnet. Guten Morgen, Herr Kirchner.
Alexander Kirchner: Guten Morgen, Herr Degenhardt.
Degenhardt: Welche Fragen sind denn bei Ihnen in der aktuellen Datenschutzaffäre noch immer offen?
Kirchner: Die Fragen, die aus unserer Sicht offen sind: Gab es über das Thema Korruption hinaus noch weitere Aufträge? Und natürlich die Frage: Wer hat hier die Verantwortung dafür, dass in der Form untersucht worden ist? Hat das der Vorstand initiiert, oder ist das im Rahmen der Tätigkeit der inneren Revision einfach so entschieden worden?
Degenhardt: Und wer soll da für Klarheit sorgen, externe Aufklärer, oder soll das bei der Bahn in dem Bereich selbst passieren?
Kirchner: Die Arbeitnehmervertreter haben diese außerordentliche Aufsichtsratssitzung gefordert, weil wir der Auffassung sind, dass die Untersuchungen nicht der Vorstand selbst machen darf, sondern dass wir in einem Compliance-Ausschuss, den der Aufsichtsrat heute beschließen wird, die Untersuchung machen werden und dass wir dazu externen Sachverstand brauchen. Deshalb haben wir Herrn Baum und Frau Herta Däubler-Gmelin einbezogen. Die werden für uns diese Aufklärung betreiben.
Degenhardt: Interessiert Sie eigentlich auch, welche Anwaltskanzlei für die Bahn Aufträge zum Bruch des Bankgeheimnisses vergeben hat?
Kirchner: Selbstverständlich! Das wird Teil der Untersuchung sein, wer das innerhalb des Bahnkonzerns veranlasst hat und mit welchem Hintergrund.
Degenhardt: Sind Sie denn optimistisch, dass bis Ende März ein Abschlussbericht tatsächlich vorliegt, in dem alle Ihre Fragen und Unklarheiten beantwortet und geklärt sind?
Kirchner: Wir werden uns auf keinen Termin einlassen, sondern hier geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Es muss alles aufgeklärt werden und deshalb gibt es keine Terminvorgabe aus unserer Sicht.
Degenhardt: Was bei der Überwachung von Mitarbeitern erlaubt ist und was nicht, das spielt sich ja gewissermaßen noch in einer juristischen Grauzone ab. Ist der zögerliche Gesetzgeber mit Schuld an dieser aktuellen Entwicklung?
Kirchner: Selbstverständlich. Deshalb ist es auch ein bisschen scheinheilig von der Politik, jetzt immer nur personelle Konsequenzen zu fordern. Manchmal hat man den Eindruck, dass man damit das eigene Verschulden versucht zu kaschieren. Die Politik hat jahrelang zugelassen, dass Unternehmen in diesem Graubereich agieren und seit 15 Jahren ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz verhindert, das in den Schubladen liegt, und hier sind wir der Auffassung – das werden wir auch einfordern -, dass die Politik agieren muss.
Degenhardt: Darf ich diese Stellungnahme von Ihnen, Herr Kirchner, jetzt als gewissermaßen Rückendeckung für Herrn Mehdorn verstehen?
Kirchner: Nein, auf keinen Fall. Das ist keine Rückendeckung von Herrn Mehdorn. Nur wir sind der Auffassung, dass erst aufgeklärt werden muss und dann über personelle Konsequenzen beraten wird. Es wäre falsch, das umgekehrt zu tun, weil genau dann diejenigen, die nur die personellen Konsequenzen fordern, ihre eigene Verantwortung und das, was im Hintergrund Grundlage für solches Agieren ist, verschleiern, und das kann nicht passieren aus unserer Sicht.
Degenhardt: Aber die Mehrheit der Deutschen – das ergab gestern wieder eine aktuelle Umfrage – möchte Herrn Mehdorn nicht mehr an der Spitze der Bahn sehen. Für Sie ist das jetzt also eine zweitrangige Frage?
Kirchner: Für uns ist als vorrangige Frage, was ist mit den Arbeitnehmerdaten passiert und wie ist innerhalb dieses Unternehmens in der Vergangenheit und natürlich wie wird auch in der Zukunft mit solchen Themen von Korruptionsbekämpfung und Untersuchungen im Hinblick auf das Agieren von Mitarbeitern vorgegangen. Wenn wir feststellen in diesem Prozess, dass tatsächlich der Vorstand oder Herr Mehdorn hier gegen Gesetze verstoßen und im Wissen von rechtlichen Rahmenbedingungen solche Dinge eingeleitet hat, dann werden auch personelle Konsequenzen von uns gefordert.
Degenhardt: Aber Unternehmen wie zum Beispiel die Bahn müssen sich doch gegen unlautere Machenschaften von Mitarbeitern schützen können dürfen. Da stimmen Sie doch auch von Gewerkschafterseite zu?
Kirchner: Uneingeschränkt ist der Kampf gegen Korruption eine notwendige Maßnahme und auch die Arbeitnehmer im Unternehmen möchten, dass in ihrem Unternehmen keine Korruption stattfindet. Das ist ohne Wenn und Aber zu bejahen. Aber es muss natürlich im Rahmen der rechtlichen Vorgaben passieren und wenn diese Vorgaben nicht sauber sind, dann müssen sie geschaffen werden.
Degenhardt: Was kann man denn aus der jetzigen Situation, aus der jüngsten Datenaffäre vielleicht für Lehren ziehen? Kann man etwa bei Führungskräften so etwas in Arbeitsverträgen verankern, dass sie sich regelmäßig kontrollieren lassen, um Korruptionsfälle, wie sie ja zum Beispiel auch bei Siemens aufgetreten sind, bei der Deutschen Bahn zu verhindern?
Kirchner: Richtig ist, dass es im Unternehmen einen Kreis von Arbeitnehmern gibt, die in Bereichen arbeiten, wo Korruption vorkommen kann. Dort glauben wir, dass in den Arbeitsverträgen so etwas verankert werden kann, ähnlich wie das ja auch mit der Schufa-Auskunft ist. Da wissen Menschen, die Verträge abschließen und unterschreiben, dass ihre Konten daraufhin überprüft werden, inwieweit sie liquide sind. So etwas könnten wir uns vorstellen. Darüber hinaus sind wir der Auffassung, dass natürlich es nur sich auf Arbeitnehmer beziehen darf, die in diesen Tätigkeiten eingesetzt werden. Es ist völlig unsinnig, Lokomotivführer oder Reinigungskräfte oder Facharbeiter in den Werken oder Fahrdienstleiter in solche Untersuchungen mit einzubeziehen.
Degenhardt: Nach der jüngsten Datenaffäre bei der Bahn, Herr Kirchner, machen Sie sich Sorgen um das Image der Deutschen Bahn?
Kirchner: Wir machen uns Sorge um das Image der Deutschen Bahn und wir machen uns Sorge um die Lage oder die Stimmung innerhalb des Unternehmens, der Beschäftigten. Hier ist ein Vertrauensbruch entstanden und der muss behoben werden.
Degenhardt: Vielen Dank für das Gespräch im Programm von Deutschlandradio Kultur. Das war Alexander Kirchner, der Chef der Gewerkschaft Transnet. Vielen Dank!
Kirchner: Danke!
Alexander Kirchner: Guten Morgen, Herr Degenhardt.
Degenhardt: Welche Fragen sind denn bei Ihnen in der aktuellen Datenschutzaffäre noch immer offen?
Kirchner: Die Fragen, die aus unserer Sicht offen sind: Gab es über das Thema Korruption hinaus noch weitere Aufträge? Und natürlich die Frage: Wer hat hier die Verantwortung dafür, dass in der Form untersucht worden ist? Hat das der Vorstand initiiert, oder ist das im Rahmen der Tätigkeit der inneren Revision einfach so entschieden worden?
Degenhardt: Und wer soll da für Klarheit sorgen, externe Aufklärer, oder soll das bei der Bahn in dem Bereich selbst passieren?
Kirchner: Die Arbeitnehmervertreter haben diese außerordentliche Aufsichtsratssitzung gefordert, weil wir der Auffassung sind, dass die Untersuchungen nicht der Vorstand selbst machen darf, sondern dass wir in einem Compliance-Ausschuss, den der Aufsichtsrat heute beschließen wird, die Untersuchung machen werden und dass wir dazu externen Sachverstand brauchen. Deshalb haben wir Herrn Baum und Frau Herta Däubler-Gmelin einbezogen. Die werden für uns diese Aufklärung betreiben.
Degenhardt: Interessiert Sie eigentlich auch, welche Anwaltskanzlei für die Bahn Aufträge zum Bruch des Bankgeheimnisses vergeben hat?
Kirchner: Selbstverständlich! Das wird Teil der Untersuchung sein, wer das innerhalb des Bahnkonzerns veranlasst hat und mit welchem Hintergrund.
Degenhardt: Sind Sie denn optimistisch, dass bis Ende März ein Abschlussbericht tatsächlich vorliegt, in dem alle Ihre Fragen und Unklarheiten beantwortet und geklärt sind?
Kirchner: Wir werden uns auf keinen Termin einlassen, sondern hier geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Es muss alles aufgeklärt werden und deshalb gibt es keine Terminvorgabe aus unserer Sicht.
Degenhardt: Was bei der Überwachung von Mitarbeitern erlaubt ist und was nicht, das spielt sich ja gewissermaßen noch in einer juristischen Grauzone ab. Ist der zögerliche Gesetzgeber mit Schuld an dieser aktuellen Entwicklung?
Kirchner: Selbstverständlich. Deshalb ist es auch ein bisschen scheinheilig von der Politik, jetzt immer nur personelle Konsequenzen zu fordern. Manchmal hat man den Eindruck, dass man damit das eigene Verschulden versucht zu kaschieren. Die Politik hat jahrelang zugelassen, dass Unternehmen in diesem Graubereich agieren und seit 15 Jahren ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz verhindert, das in den Schubladen liegt, und hier sind wir der Auffassung – das werden wir auch einfordern -, dass die Politik agieren muss.
Degenhardt: Darf ich diese Stellungnahme von Ihnen, Herr Kirchner, jetzt als gewissermaßen Rückendeckung für Herrn Mehdorn verstehen?
Kirchner: Nein, auf keinen Fall. Das ist keine Rückendeckung von Herrn Mehdorn. Nur wir sind der Auffassung, dass erst aufgeklärt werden muss und dann über personelle Konsequenzen beraten wird. Es wäre falsch, das umgekehrt zu tun, weil genau dann diejenigen, die nur die personellen Konsequenzen fordern, ihre eigene Verantwortung und das, was im Hintergrund Grundlage für solches Agieren ist, verschleiern, und das kann nicht passieren aus unserer Sicht.
Degenhardt: Aber die Mehrheit der Deutschen – das ergab gestern wieder eine aktuelle Umfrage – möchte Herrn Mehdorn nicht mehr an der Spitze der Bahn sehen. Für Sie ist das jetzt also eine zweitrangige Frage?
Kirchner: Für uns ist als vorrangige Frage, was ist mit den Arbeitnehmerdaten passiert und wie ist innerhalb dieses Unternehmens in der Vergangenheit und natürlich wie wird auch in der Zukunft mit solchen Themen von Korruptionsbekämpfung und Untersuchungen im Hinblick auf das Agieren von Mitarbeitern vorgegangen. Wenn wir feststellen in diesem Prozess, dass tatsächlich der Vorstand oder Herr Mehdorn hier gegen Gesetze verstoßen und im Wissen von rechtlichen Rahmenbedingungen solche Dinge eingeleitet hat, dann werden auch personelle Konsequenzen von uns gefordert.
Degenhardt: Aber Unternehmen wie zum Beispiel die Bahn müssen sich doch gegen unlautere Machenschaften von Mitarbeitern schützen können dürfen. Da stimmen Sie doch auch von Gewerkschafterseite zu?
Kirchner: Uneingeschränkt ist der Kampf gegen Korruption eine notwendige Maßnahme und auch die Arbeitnehmer im Unternehmen möchten, dass in ihrem Unternehmen keine Korruption stattfindet. Das ist ohne Wenn und Aber zu bejahen. Aber es muss natürlich im Rahmen der rechtlichen Vorgaben passieren und wenn diese Vorgaben nicht sauber sind, dann müssen sie geschaffen werden.
Degenhardt: Was kann man denn aus der jetzigen Situation, aus der jüngsten Datenaffäre vielleicht für Lehren ziehen? Kann man etwa bei Führungskräften so etwas in Arbeitsverträgen verankern, dass sie sich regelmäßig kontrollieren lassen, um Korruptionsfälle, wie sie ja zum Beispiel auch bei Siemens aufgetreten sind, bei der Deutschen Bahn zu verhindern?
Kirchner: Richtig ist, dass es im Unternehmen einen Kreis von Arbeitnehmern gibt, die in Bereichen arbeiten, wo Korruption vorkommen kann. Dort glauben wir, dass in den Arbeitsverträgen so etwas verankert werden kann, ähnlich wie das ja auch mit der Schufa-Auskunft ist. Da wissen Menschen, die Verträge abschließen und unterschreiben, dass ihre Konten daraufhin überprüft werden, inwieweit sie liquide sind. So etwas könnten wir uns vorstellen. Darüber hinaus sind wir der Auffassung, dass natürlich es nur sich auf Arbeitnehmer beziehen darf, die in diesen Tätigkeiten eingesetzt werden. Es ist völlig unsinnig, Lokomotivführer oder Reinigungskräfte oder Facharbeiter in den Werken oder Fahrdienstleiter in solche Untersuchungen mit einzubeziehen.
Degenhardt: Nach der jüngsten Datenaffäre bei der Bahn, Herr Kirchner, machen Sie sich Sorgen um das Image der Deutschen Bahn?
Kirchner: Wir machen uns Sorge um das Image der Deutschen Bahn und wir machen uns Sorge um die Lage oder die Stimmung innerhalb des Unternehmens, der Beschäftigten. Hier ist ein Vertrauensbruch entstanden und der muss behoben werden.
Degenhardt: Vielen Dank für das Gespräch im Programm von Deutschlandradio Kultur. Das war Alexander Kirchner, der Chef der Gewerkschaft Transnet. Vielen Dank!
Kirchner: Danke!