"Bagdad Café"

Von Elske Brault · 24.08.2005
Der Regisseur Percy Adlon hat, zusammen mit seiner Frau, "Out of Rosenheim" zum Musical "Bagdad Café" umgeschrieben. Das war nach der Weltpremiere in Barcelona im vorigen Jahr schon in Japan, Australien und Kanada zu sehen, kommt aber nun in einer neuen Fassung erstmals nach Deutschland.
Musik: "I am calling you."

1987 wurde diese Filmmusik ein Hit und machte den bis dahin kaum bekannten deutschen Regisseur Percy Adlon mit einem Schlag zu einem Star in den USA.

"Also Broadway, ja. Die haben sofort 1988, wie der Film plötzlich der Riesenerfolg war, sofort haben BroadwayFilm bei uns angefragt, da machen wir ein Musical draus, und wir wollten einfach nicht. Wir wollten dem Film seine eigene Aura lassen und keine Konkurrenz bauen."

Jetzt ist "Out of Rosenheim" selbst in einer gut sortierten Videothek nicht mehr zu bekommen, und so reagierte Adlon ganz anders, als ihn vor zwei Jahren eine Agentur in Barcelona erneut fragte.

"Können wir die Rechte für Bagdad Café kaufen, nen Musical draus zu machen, sag ich: Können Sie nicht, das machen wir selber."

Als "Bagdad Café" nämlich hatte der Film einst sein Publikum von Helsinki bis Hongkong begeistert, nur in Deutschland hieß die Low-Budget-Produktion "Out of Rosenheim" als Persiflage auf den millionenschweren Hollywoodschinken "Out of Africa". Dann war angeblich alles ganz leicht: Percy Adlon und seine Frau Eleonore brauchten nur einen Monat, um aus dem Drehbuch ein Libretto zu machen, Bob Telson, der Komponist des Filmsongs, schrieb elf weitere Lieder. Einige davon ausgesprochen schmissig.

Musik: "Desert People"

Andere reine Zuckerwatte und ein Zugeständnis an das tränenverschmierte Andrew Lloyd-Webber-Publikum

Musik: "Come Be My Friend"

Aber mit 30 Darstellern und Musikern auf der Bühne ist die Produktion immer noch relativ klein, erneut Low Budget statt Schinken, und Percy Adlon hat heute betont, dass es sich um ein Labour of Love handelt, um etwas mit Liebe Hand gemachtes. Das Bühnenbild hat der Original-Filmszenenbildner gestaltet.

"Das Bühnenbild besteht hauptsächlich aus einem riesigen Prospekt von der Wüste, fast menschenleer, die ist im ältesten Back-Drop-Studio in Hollywood gemalt worden. Das ganze Ding. Die ham noch für John Wayne die Backdrops gemacht."

Und die Musik stammt nicht nur vom Original-Filmkomponisten, sondern dieser Bob Telson leitet auch das Orchester und spielt selbst Keyboard - "Bagdad Café" wirbt also mit dem Charme von selbst gekochter Marmelade.

"Musicals sind für mich sehr oft zu platt, zu laut, ...und wie ging die Melodie. Und wie diese beiden extremen und total authentischen Frauen aufeinander losgehen, das würd' ich mir gern noch mal anschauen."
Der Film lebte von seinen starken Charakteren, das ist im Musical nicht anders. Die Münchnerin Sissy Staudinger verkörpert jetzt die einst von Marianne Sägebrecht gespielte Bayerin Jasmin Münchgstettner, die das heruntergekommene Bagdad Café auf Vordermann bringt

"Holy Mary, was tätst du jetzt? So ein Saustall! Jo, der braucht Putzen."

Obwohl Sissy Staudinger mit ihren roten Haaren und grünen Augen ein anderer Typ ist als die dunkelhaarige, dunkeläugige Urmutter Marianne Sägebrecht, haben beide doch eines gemeinsam: Die spezielle Mischung aus Fülle und Grazie.

"Ich war schon immer etwas vollschlank, will ich mal sagen, obwohl ich seit meiner Kindheit, seit meinem 6. Lebensjahr zwölf Jahre Tanzausbildung hatte, aber ich war einfach von meinem Naturell her immer etwas fester. Auch in der Ballettzeit. Und ich musste jetzt nicht extra mir dafür etwas anfuttern. Aber es wär natürlich auch schlecht, wenn ich jetzt eine Radikalkur machen würde. Will ich auch nicht, denn das wär' für meine Stimme nicht gut."
Diese Stimme hat Wumms, genau wie die von Jevetta Steele, der farbigen Motelwirtin Brenda. Sie sang mit 22 Jahren den Titelsong, heute ist sie 40 und, anders als die hagere Zickenbrenda im Film, eine richtige Big Mama. Steele ist in den USA eine Gospelqueen mit paillettenbesetzten Kleidern und exakt toupierter Frisur, im Musical jedoch mimt sie perfekt, was wir uns so unter sozialer Unterschicht vorstellen. Ergebnis des Method Acting, bei dem der Schauspieler auch in seiner Freizeit völlig in der Rolle aufgeht.

Percy Adlon: "Also sie hat mir zum Beispiel gesagt, sie hätte, was sie nie gemacht hat, plötzlich angefangen, vier Wochen vorher Chewing Gum zu kauen. Einfach nur, um diese vulgäre Mundbewegung herzustellen. Oder diese einfache Frau, die sich nicht irgenwie verschönt, indem sie ihren Mund nie bewegt oder was."

Percy Adlon hat zwei Opern inszeniert. Sein "Liebestrank" von Donizetti an der Staatsoper Unter den Linden fiel bei der Kritik zwar durch, entwickelte sich aber zum Renner beim Publikum. Und das könnte dem "Bagdad Café" jetzt ähnlich ergehen. Wer streng mit dem Kopf urteilt, für den ist es die übliche Mischung aus Gesang, großen Gefühlen und Tanzeinlagen. Aber Musik spricht nun mal vor allem den Bauch an.


Service:

Das Musical "Bagdad Café" nach dem Erfolgsfilm "Out of Rosenheim" ist ab dem 8. September in der Hamburger Kampnagelfabrik zu sehen, vom 20. - 25. September im Bremer Musicaltheater und vom 25. Oktober bis zum 2. November in Berlin, im Schillertheater.