Bänkelsänger des 20. Jahrhunderts
Jacques Prévert avancierte in Frankreich zum Volksschriftsteller. Mit seiner Mischung aus Gesellschaftskritik, Witz und Sentimentalität fand er quer durch alle Gesellschaftsschichten sein Publikum.
"In den großen Wassern meiner Mutter
bin
winters ich geboren
in einer Februarnacht
Monate vorher
mitten im Frühling
haben meine Eltern
ein großes Feuerwerk entfacht
es war die Sonne meines Lebens
und ich war schon darin
Sie haben Blut in meinen Leib geschöpft
Wein aus der Quelle
der keinen Keller je gesehn
Und eines Tages werd auch ich
wie sie von dannen gehen."
Leise und zurückgenommen rezitiert Jacques Prévert sein Gedicht "Fest" aus der Sammlung "Paroles", so als sei das alles kaum der Rede wert. Dabei handelt es sich um einen der populärsten Gedichtbände der französischen Literaturgeschichte. Im Mai 1946 erschienen, wächst die Auflage im Laufe der Jahre auf drei Millionen Exemplare an. Vor allem jüngeren Lesern gefallen die alltäglichen Themen, die einfache, ungekünstelte Sprache und das vorwitzige Rebellentum, das Prévert zur Schau stellt. Seine Anfänge hatte der am 4. Februar 1900 geborene Lyriker, Dramatiker und Drehbuchautor im Umfeld der Surrealisten gemacht. In den 40er Jahren geht er darüber hinaus.
"Das ist meine Regel: Ich bemühe mich, so authentisch wie möglich zu sein und meine wahren Gefühle zu zeigen, also genau zu sagen, was ich denke - ohne Kompromisse. Es ist sehr schwierig, absolut wahrhaftig zu sein, weil man oft bestimmte Eingebungen hat, die vielleicht unter literarischem oder künstlerischem Gesichtspunkt sehr schön sind, viel schöner als das eigene Gefühl. Doch da darf man nicht stehen bleiben, das darf man nicht akzeptieren, auch wenn es einem willkommen wäre, nein! Es ist nicht ganz leicht, immer ehrlich zu sein, also auch peinliche Eindrücke wiederzugeben, Eindrücke, die gar nicht poetisch sind, die einem albern und platt erscheinen. Aber man muss offen damit umgehen. Und dann trifft man plötzlich ein Gefühl, das in der Luft lag, plötzlich sagen die Leser, ja, genau das ist es."
Elegant gekleidet und immer mit einer Zigarette im Mundwinkel ging Prévert gern in Eckkneipen, um sich mit den Leuten zu unterhalten. In einem ehemaligen Laden eines Hasenfellhändlers in der Rue du Chateau am Montparnasse hatte er mit seinen Freunden ein Bohemiendasein gepflegt: Man hörte Jazz und las Groschenhefte, diskutierte mit den Schriftstellern Queneau und Leiris, Picasso kam vorbei, Man Ray fotografierte und Bataille schwang laute Reden über sein Konzept des poetischen Raums. Währenddessen arbeitete Prévert an seinem Ruf als Bürgerschreck und verfasste kämpferische Theaterstücke für die Agitprop-Gruppe groupe d'ottobre. Zwischendurch entstanden poetische Drehbücher, zum Beispiel für den Film "Die Kinder des Olymp" von Marcel Carné. Vier Männer bemühen sich um die Vorstadtschönheit Garance, darunter der fantasietrunkene Pierrot:
"Ich liebe Sie, Garance. Lieben Sie mich? - Sie reden wie ein Kind. Es wird in Büchern geliebt, in Träumen. - Die Träume, das Leben, aber das ist doch dasselbe!"
Auch für Prévert bestand keine strikte Trennung zwischen Kunst, Traum und Leben. Alles war mit allem verwoben. Manchmal kritzelte er Gedichte auf Kassenzettel und verteilte sie am Kneipentresen an Huren und Dauertrinker. Die Texte kursierten in ganz Paris und hatten Kultstatus. 1941 las er einige seiner Gedichte im Radio Zone Sud, der nationalen Rundfunkanstalt des freien Frankreich, vor. Am nächsten Tag waren sie in aller Munde.
"Abertausend Jahre Zeit
Fassen nicht
die kleine Sekunde Ewigkeit
Da du mich küsstest
Da ich dich küsste
Eines Morgens unterm Wintersonnenlicht
In einem Park zu Paris
Zu Paris
Auf dieser Erde
die ein Stern ist"
1948 erlitt der Lyriker bei einem Sturz aus einer Fenstertür schwere Verletzungen. Seine Genesung nahm Jahre in Anspruch, und der Großstadtmensch Prévert zog mit Frau und Tochter aufs Land, um sich zu erholen. 1955 kehrte er nach Paris zurück, arbeitete für die Oper und das Fernsehen und machte Ausstellungen. Am 11. April 1977 starb Jacques Prévert. Seine Gedichte und Filme und vor allem seine Chansons sind eingegangen in das Repertoire der Volkskultur. Von seinen Freunden Juliette Gréco und Yves Montand gesungen, sind es Huldigungen an das einfache Paris, an die Liebe und die Vergänglichkeit des Augenblicks.
bin
winters ich geboren
in einer Februarnacht
Monate vorher
mitten im Frühling
haben meine Eltern
ein großes Feuerwerk entfacht
es war die Sonne meines Lebens
und ich war schon darin
Sie haben Blut in meinen Leib geschöpft
Wein aus der Quelle
der keinen Keller je gesehn
Und eines Tages werd auch ich
wie sie von dannen gehen."
Leise und zurückgenommen rezitiert Jacques Prévert sein Gedicht "Fest" aus der Sammlung "Paroles", so als sei das alles kaum der Rede wert. Dabei handelt es sich um einen der populärsten Gedichtbände der französischen Literaturgeschichte. Im Mai 1946 erschienen, wächst die Auflage im Laufe der Jahre auf drei Millionen Exemplare an. Vor allem jüngeren Lesern gefallen die alltäglichen Themen, die einfache, ungekünstelte Sprache und das vorwitzige Rebellentum, das Prévert zur Schau stellt. Seine Anfänge hatte der am 4. Februar 1900 geborene Lyriker, Dramatiker und Drehbuchautor im Umfeld der Surrealisten gemacht. In den 40er Jahren geht er darüber hinaus.
"Das ist meine Regel: Ich bemühe mich, so authentisch wie möglich zu sein und meine wahren Gefühle zu zeigen, also genau zu sagen, was ich denke - ohne Kompromisse. Es ist sehr schwierig, absolut wahrhaftig zu sein, weil man oft bestimmte Eingebungen hat, die vielleicht unter literarischem oder künstlerischem Gesichtspunkt sehr schön sind, viel schöner als das eigene Gefühl. Doch da darf man nicht stehen bleiben, das darf man nicht akzeptieren, auch wenn es einem willkommen wäre, nein! Es ist nicht ganz leicht, immer ehrlich zu sein, also auch peinliche Eindrücke wiederzugeben, Eindrücke, die gar nicht poetisch sind, die einem albern und platt erscheinen. Aber man muss offen damit umgehen. Und dann trifft man plötzlich ein Gefühl, das in der Luft lag, plötzlich sagen die Leser, ja, genau das ist es."
Elegant gekleidet und immer mit einer Zigarette im Mundwinkel ging Prévert gern in Eckkneipen, um sich mit den Leuten zu unterhalten. In einem ehemaligen Laden eines Hasenfellhändlers in der Rue du Chateau am Montparnasse hatte er mit seinen Freunden ein Bohemiendasein gepflegt: Man hörte Jazz und las Groschenhefte, diskutierte mit den Schriftstellern Queneau und Leiris, Picasso kam vorbei, Man Ray fotografierte und Bataille schwang laute Reden über sein Konzept des poetischen Raums. Währenddessen arbeitete Prévert an seinem Ruf als Bürgerschreck und verfasste kämpferische Theaterstücke für die Agitprop-Gruppe groupe d'ottobre. Zwischendurch entstanden poetische Drehbücher, zum Beispiel für den Film "Die Kinder des Olymp" von Marcel Carné. Vier Männer bemühen sich um die Vorstadtschönheit Garance, darunter der fantasietrunkene Pierrot:
"Ich liebe Sie, Garance. Lieben Sie mich? - Sie reden wie ein Kind. Es wird in Büchern geliebt, in Träumen. - Die Träume, das Leben, aber das ist doch dasselbe!"
Auch für Prévert bestand keine strikte Trennung zwischen Kunst, Traum und Leben. Alles war mit allem verwoben. Manchmal kritzelte er Gedichte auf Kassenzettel und verteilte sie am Kneipentresen an Huren und Dauertrinker. Die Texte kursierten in ganz Paris und hatten Kultstatus. 1941 las er einige seiner Gedichte im Radio Zone Sud, der nationalen Rundfunkanstalt des freien Frankreich, vor. Am nächsten Tag waren sie in aller Munde.
"Abertausend Jahre Zeit
Fassen nicht
die kleine Sekunde Ewigkeit
Da du mich küsstest
Da ich dich küsste
Eines Morgens unterm Wintersonnenlicht
In einem Park zu Paris
Zu Paris
Auf dieser Erde
die ein Stern ist"
1948 erlitt der Lyriker bei einem Sturz aus einer Fenstertür schwere Verletzungen. Seine Genesung nahm Jahre in Anspruch, und der Großstadtmensch Prévert zog mit Frau und Tochter aufs Land, um sich zu erholen. 1955 kehrte er nach Paris zurück, arbeitete für die Oper und das Fernsehen und machte Ausstellungen. Am 11. April 1977 starb Jacques Prévert. Seine Gedichte und Filme und vor allem seine Chansons sind eingegangen in das Repertoire der Volkskultur. Von seinen Freunden Juliette Gréco und Yves Montand gesungen, sind es Huldigungen an das einfache Paris, an die Liebe und die Vergänglichkeit des Augenblicks.