Backstage-Blitzer

Von Daniela Mayer · 11.04.2006
Eric Burdon mit Engelsflügeln auf dem Rücken, Iggy Pop mit vor Anstrengung hervortretenden Adern auf der Bühne, Michael Hutchence in Siegerpose bei einem der letzten Konzerte von INXS. Momentaufnahmen von internationalen Musikern und Bands, das ist die Leidenschaft und der Beruf der Musikfotografen Rainer Leigraf und Thomas von der Heiden. Seit 1996 arbeiten sie für den WDR Rockpalast, der jetzt sein 30-jähriges Jubiläum mit einer Ausstellung im Rock'n'Popmusem in Gronau feiert. Noch bis 11. Juni zeigen die beiden dort die eindrucksvollsten und persönlichsten Bilder ihrer Musikfotografie.
"Der Weg zur Musik fing an mit der Trennung von meiner Frau. Ich hab damals gelitten ohne Ende und irgendwann sagte ein Freund zu mir, du musst mal irgendwas tun und dann landete ich in diesem kleinen Jazzcafé und saß da direkt vor dem Saxophonisten. Und nach Monaten der Leere, plötzlich war da was. Plötzlich klang es genau so wie ich fühlte. Und das war eigentlich der Punkt, wo ich anfing Musik zu fotografieren. Also eine klassische Rock'n'Roll-Tragödie."

Rainer Leigraf weiß, wie er sich und das Bild des kreativen, melancholischen Fotografen am wirkungsvollsten in Szene setzt. Während der 44-Jährige von seiner vor 17 Jahren entdeckten Liebe zur Musikfotografie erzählt, sitzt er mit vorgebeugtem Oberkörper an einem braunen Holztisch, zwischen den Fingern die nächste Zigarette. Seine graue Wollmütze verdeckt beinahe seine Augen, die zwischen Kaffeetasse, Tabak und Mikrophon irgendwo ins Leere schauen.

Ihm gegenüber am Holztisch sitzt Thomas von der Heiden. Entspannt zurückgelehnt, die Beine von sich gestreckt, die Arme verschränkt, die langen blonden Haare offen über den Schultern. Der 34-Jährige präsentiert sich als Gegenstück von Rainer Leigraf. Gelassener, pragmatischer und in seiner Geschichte wesentlich direkter.

"Ich war der Depp mit der Kamera und hab da schon immer alles fotografiert, was sich bewegt hat. Also ich hab damals, wie man das so kennt, irgendwelche Hip Hopper Freunde aus Ratingen, und da war man dann auch dabei und hat die fotografiert in irgendwelchen kleinen Clubs und damit hat das dann angefangen und das hat mir am meisten gegeben. Nur damals hab ich keinen Weg gesehen, damit Geld zu verdienen."

Bis zum Angebot des WDR Rockpalasts. Nach einer Ausbildung und der Arbeit als Katalogfotograf bekam er die Chance, Musiker und Bands für den Rockpalast zu fotografieren - gemeinsam mit Rainer Leigraf. Ein ehemaliger Werbefotograf, inzwischen Vater zweier Kinder, aber beruflich ein Einzelkämpfer wie er. Von Anfang verband die beiden vor allem eines: die Leidenschaft für die Musikfotografie. Seit zehn Jahren sind sie inzwischen schon gemeinsam auf Tour, reisen zu Festivals und Konzerten internationaler Stars in ganz Deutschland. Für Thomas von der Heiden kein Stress sondern

"genau das, was ich machen will. Stressig ist das eigentlich nur für das gesamte Umfeld, also für die Freundschaften, die hops gehen, für sämtliche Liebesbeziehungen, die der Reihe nach wieder hinten runter fallen, weil wenn man so viel Liebe und Zeit und Kraft in seinen Job investiert, dann bleibt nicht viel über für andere."

Mit Ausnahme der Stars:

"Das geht von Santana über Neil Young über Iggy Pop… von Die Happy, Guano Apes, Sportfreunde Stiller…"

… über Udo Lindenberg, Nina Hagen und die Red Hot Chilli Peppers. Über 1000 Bands und Musiker haben die beiden Fotografen schon abgelichtet, jeder auf seine Art und mit einer klaren Verteilung der Rollen.

"Im Großen und Ganzen sieht's so aus, dass Rainer versucht oder ich ihm den Freiraum gebe, ich mach die ganze Bühne, dann hat er die ganze Zeit, sich um Kontakte zu kümmern und mit den Künstlern zu reden."

Für seine persönlichen Porträts der Musiker, backstage, jenseits der Show und geschminkten Fassaden. Rainer Leigraf schaut bevorzugt hinter die Kulissen, sucht das Gespräch und die Begegnung mit den Stars.

"Es gab diese Geschichte mit Eric Burdon, als wir dann da eine Stunde am See saßen und einfach nur erzählt haben. Und er mir so seine privaten Umstände schilderte, und da kommt dann plötzlich so ein Punkt, wo man auf einer Ebene ist. Und das Bild beinhaltet dann Begegnung."

Und Emotionen. Die von Eric Burdon.

"Ein bisschen traurig, Traurigkeit, Melancholie, Kraft."

Und die von Rainer Leigraf.

"Ich glaube, die Bilder, die man auswählt, sind im Grunde Selbstporträts. Ich hab mal eine Musikerin gefragt. Was ist das? Ist das deine oder meine Traurigkeit. Und sie sagte zu mir: it's ours. Fand ich toll."

Oft sind es nach einem Festival nur ein oder zwei Bilder, die das ausdrücken, was Rainer Leigraf sucht, doch das entspricht seinem Prinzip.

"Entweder nimmt man sich Zeit oder man lässt es. Wir machen nicht diese Paparazzischiene."

Auch vor der Bühne nicht. Dort steht bei Konzerten Thomas von der Heiden, im Fotografengraben, inmitten der Jagd nach dem spektakulärsten Bühnenbild. Er sieht die Stars in Maske und Pose und will sie auch genau so zeigen:

"Aber wenn man jetzt ein richtig gutes Foto machen will, dann muss man sich im Grunde genommen das ganze Konzert angucken und dann spürt man irgendwann, was ist jetzt für den Sänger typisch, typisch in dem Sinne, was ist er selber, und wenn man das dann eingefangen kriegt, ist das ein gutes Foto für mich."

140 solcher guten und persönlichen Fotos stellen Thomas von der Heiden und Rainer Leigraf zurzeit in der Rockpalast-Ausstellung im Deutschen Rock-n-Popmuseum Gronau aus.

"Ein Teil sind nur Bühnenfotos von mir, ein Teil sind nur Porträts von Rainer und wir haben so genannte Pärchen, wo immer ein Bühnenfoto und ein Porträt nebeneinander stehen, die dann kommunizieren, oder auch nicht, wo der Sänger ähnlich aussieht oder auch anders."

Wie Marla Glen zum Beispiel. Verschwitzt, den Mund weit aufgerissen und die Gesichtszüge durch ihren Schrei verzerrt, zeigt sie das Bühnenbild von Thomas von der Heiden. Ruhig, gefasst mit direktem und melancholischen Blick, das Porträt von Rainer Leigraf. Die beiden Seiten einer Musikerin und ihrer Fotografen.