Backpacking in High-Heels

Von Bettina Ritter |
Sie war in 39 Ländern auf fünf Kontinenten, jetzt will Katja Hentschel auch andere Frauen ermutigen, die Welt zu entdecken. Dazu betreibt die 29-Jährige einen Internetblog über das Reisen – mit Pumps und Lippenstift.
„So, hier sind wir jetzt auf der Travelettes-Seite.“

Katja Hentschel sitzt in einem langen, im 70er-Jahre Stil gemusterten Sommerkleid vor ihrem Laptop am Fenster ihrer Zwei-Zimmer-Wohnung in Berlin Prenzlauer Berg. Holzboden, ein antiker Tisch mit Spiegel, Kachelofen.

„Auf der Startseite sind rechts die beliebtesten Posts, ganz oben haben wir gerade Tree-Camping. Da hängen Zelte im Baum. Das hat super eingeschlagen, das wurde viel angeklickt, von mehr als 12.000 Leuten.“

In Schweden im Baum-Zelt schlafen, in New York City eine Fress-Tour durch die Restaurants machen oder in Indien im Tempel leben – auf Travelettes.net berichtet Katja Hentschel zusammen mit ein paar anderen jungen Frauen über ihre Reiseerfahrungen und -abenteuer. Bei der Frage, in wie vielen Ländern sie in ihren 29 Lebensjahren schon war, muss Katja Hentschel nicht lang überlegen.

„Ich kann ja mal die Weltreise abgrasen. Das fing an in Thailand, dann ging's nach Laos, Vietnam, Kambodscha, Malaysia, Singapur, Bali, Australien, Neuseeland...“

Auf 39 Länder in fünf Kontinenten kommt die Bloggerin mit den platinblond gefärbten Haaren und dem knallroten Lippenstift. Seit sie denken kann, habe sie einen „wahnsinnigen Hunger“ danach, die Welt kennen zu lernen, sagt Katja Hentschel, die in Sachsen-Anhalt aufwuchs.

„Ich komme aus einer sehr kleinen Stadt, und habe mich da immer eingezwängt gefühlt. Sobald ich mit dem Abi fertig war, bin ich so weit weg, wie's irgendwie ging, bin nach San Francisco, war da Au-Pair, bin dann nach Barcelona, habe dann in Paris studiert, dann diese Weltreise gemacht, und hatte immer Fernweh.“

„Oh Gott, ich glaube, der ist da ganz oben. Da muss ich erstmal nen Stuhl ran holen ...“

Katja Hentschel öffnet ihren Wandschrank und zieht einen rot-grauen Trekking-Rucksack vom obersten Regalbrett. Am Tragegurt hängt noch die letzte Gepäckkennzeichnung vom Flughafen.

„Von Mexiko wahrscheinlich, war ich ja zuletzt.“

Fünf Wochen Mexiko. Vor der Reise hatte die etwa 1,70 Meter große junge Frau ein bisschen Angst, gibt sie zu. Schließlich wurde sie in Südamerika schon einmal ausgeraubt und sogar festgenommen. In Venezuela saß sie mit einem Drogenschmuggler im Bus. Der Ausflug endete auf einer Polizeiwache im Nirgendwo, wo sie durchsucht wurde und sich bis auf die Haut ausziehen musste. Trotz der Risiken reist sie am liebsten allein und möchte mit ihren Geschichten auch andere, vor allem Frauen, dazu verführen. Felsenfest überzeugt ist sie davon, dass eine Weltreise das gesamte Leben verändern kann.

„Du bist ein komplett anderer Mensch, du hast wahrscheinlich andere Interessen, andere Ambitionen, wahrscheinlich kündigst du deinen Job und machst dein eigenes Ding, vielleicht triffst du die Liebe deines Lebens und ziehst nach Australien, das ist einer unserer Autorinnen passiert, vielleicht schreibst du ein Buch, vielleicht fängst du an, in Goa eine Hütte zu bauen und am Strand Schmuck zu verkaufen, keine Ahnung.“

Katja Hentschels einjährige Weltreise endet vor zwei Jahren in Berlin. Hier beginnt sie, Partys und Street-Fashion zu fotografieren, eine Idee, die sie aus New York mitbringt. Sie spricht Menschen auf der Straße an, deren Outfits sie außergewöhnlich findet und stellt die Bilder auf ihre zweite Internetseite Glamcanyon.

„Was mich inspiriert hat, war, dass man zum einen unsere Kultur live mitschneiden kann für die Nachwelt. Für mich ist es ein Stück weit Reportage. Zum einen Nachtleben, zum anderen aber auch tagsüber, gar nicht so fernab von meinem Hintergrund als Psychologin eigentlich. Ich freu mich schon, in 20 Jahren auf diese Bilder zurückblicken zu können und zu sagen, so sah's aus in Berlin und in New York und in Paris 2010, 2011.“

Das Fotografieren hat sich Katja Hentschel nach und nach selbst beigebracht. Heute ist es ihr Beruf. 2003 schenkte ihr ihre Mutter, eine Bankkauffrau, die erste Kamera. Inzwischen werden ihre Bilder in Mode- und Stadtmagazinen abgedruckt, sie arbeitet für Werbekampagnen und fotografiert Album-Cover für deutsche Musiker wie Jennifer Rostock. Außerdem hat sie gerade einen Vertrag unterschrieben über ein Buch: 33 der besten Travelettes-Reisegeschichten sollen veröffentlicht werden. Der Verlag wurde über ihre Internetseite auf sie aufmerksam.

„Das Ding ist halt, wenn man einen wirklich guten Blog macht, dann ist man innerhalb von sechs Monaten schon richtig groß, oder man kann es sein.“

Derzeit sei das Reisen nicht mehr das Wichtigste in ihrem Leben. Nummer eins ist im Augenblick die Karriere, sagt Katja Hentschel und strahlt. Jeden Morgen stehe sie mit einem Lächeln im Gesicht auf, weil ihr ihre Projekte so viel Spaß machen. Und später? Unbedingt Familie, Kinder. Jetzt aber kümmert sie sich erstmal mit um ihr aktuelles Baby – Traveletts.net. Sie könne sich vorstellen, dass aus der Internetseite ein internationales Unternehmen werde. Wenn auch Träume Reisen sind, bleibt Katja Hentschel jedenfalls ihrer größten Leidenschaft treu.