Backen als Lebenshilfe

Rezensiert von Barbara Wahlster |
"Zeit zum Toastbacken" ist der erste Roman der 1969 in Seoul geborenen Schriftstellerin JO Kyung Ran, mit dem sie sofort einen renommierten Preis für Nachwuchsschriftsteller gewonnen hat. Mittlerweile hat sie zwei weitere Romane veröffentlicht und eine Vielzahl von Erzählungen.
Nach dem Erzählband "Wie kommt der Elefant in mein Schlafzimmer" von 2003 ist es das zweite Buch dieser Autorin, das der Bielefelder Pendragon Verlag veröffentlicht; bisher eine Ausnahme für Vertreter der jüngeren Generation der koreanischen Literaten. Doch lassen sich gerade bei Jo Kyung Ran die Veränderungen innerhalb der Literatur Südkoreas exemplarisch nachvollziehen. Sie debütierte in den späten 90er Jahren, d.h. in einer Zeit, als die langjährige Militärdiktatur zu Ende ging und einen neuen Blick auf die Gesellschaft freisetzte – weg von den großen politischen Themen hin zum Alltag. Damit rücken auch scheinbar nebensächliche Themen ins Zentrum der Beobachtung: zufällige Begegnungen, intensive Gefühlsmomente, unerklärliche Ängste oder Stimmungen und vor allem die nicht aufzuhebende Distanz zwischen den Menschen.

Einsamkeit und Unverbundenheit kennzeichnen auch die Ausgangssituation der Protagonistin in "Zeit zum Toastbacken". Gleichzeitig versucht Yochin mit lakonischer Nüchternheit Erklärungen für die Kränkungen des Lebens zu finden und sich innerlich dagegen zu wappnen, unter anderem dank der hilfreichen Routine unterschiedlicher Handgriffe beim Backen, mit gnadenloser (Selbst-)Beobachtung und mit geradezu lakonischer Störrigkeit.

Mit Ende 20 wird sie gewissermaßen von der sterbenden Mutter verstoßen, die ihr den Zutritt zum Krankenbett verweigert. Ihr kompliziertes Verhältnis mit dem Untermieter des Elternhauses endet durch dessen spurloses Verschwinden. Ein ihr gegenüber gänzlich interesseloser Vater begeht ein Jahr nach dem Tod der Mutter Selbstmord und schließlich stellt sich heraus, dass die so aufdringlich scheinende, im Hause lebende Tante eigentlich ihre Mutter ist.

Auch von ihr wird sich Yochin trennen und schließlich eigene Wege gehen. Sie fasst eine Zukunft als Bäckerin ins Auge. Schließlich hat sie Kapitel für Kapitel geübt, hat Rezepte und Erinnerungen verwoben und als Aufmerksamkeit gedachte Ergebnisse ihres Könnens in den Abfall entsorgt.

Jo Kyung Ran hat die vier Jahre im Leben Yochins als eine Geschichte des Erwachsenwerdens, als eine Folge von Enttäuschungen und von wegfallenden Bindungen skizziert. Gleichzeitig entsteht dabei das Panorama einer Familie als Zwangsverbund, geprägt von Ungesagtem und Konventionen - mit einem versagenden Vater, einer sich entziehenden Mutter und der übereifrigen Tante.

Kein Wunder, dass Yochin glaubte, sich "ein Schutzschild gegen die Enttäuschungen über die Mitmenschen und andere Unglücksfälle" zulegen zu müssen. Leise und eindringlich erzählt die Autorin in beiläufigem, nie dramatisierendem Ton – dabei ganz eingenommen von der Perspektive ihrer Ich-Erzählerin, von ihrer melancholischen Verschlossenheit, die sich allmählich in patzigen Trotz kehrt:

"Aber nun hatte ich es satt, noch länger meine Zeit darauf zu verwenden, mich andauernd mit dem Stand der Dinge in meinem Leben auseinander zu setzen."

JO Kyung Ran: Zeit zum Toastbacken
Roman. Übersetzt und mit einem Nachwort von Jung Young-Sun und Herbert Jaumann
Pendragon Verlag, Bielefeld,
168 Seiten. 15, 40Euro