Bachmann-Preisträger schreibt für Computerzeitschriften

Moderator: Holger Hettinger |
Der diesjährige Preisträger des Ingeborg-Bachmann-Preises, Thomas Lang, lebt in München und schreibt dort für Computerzeitschriften. 2002 erschien im Wagenbach-Verlag sein Roman "Than". Im Gespräch nennt er seinen Gewinnertext "Am Seil" ein Kammerspiel für zwei Personen.
Hettinger: Herr Lang, alle Teilnehmer bekommen ja unmittelbar nach der Lesung eine ziemlich ausführliche Rückmeldung von den Juroren, da kann man die Stimmungslage schon so ein bisschen einschätzen. Für Sie gab es durchweg positive Kritik, Sie waren auch sofort als Favorit im Rennen. Hat Sie die Entscheidung der Jury dennoch überrascht?

Lang: Ja, man hört natürlich so ein Geraune und Geflüster über den Tag rüber dann von verschiedenen Leuten, die verschiedene Einschätzungen abgeben. Ich habe natürlich mitgekriegt, dass meine Lesung ganz gut gelaufen ist und die Diskussion ganz gut gelaufen ist. Aber dieses Favoritenfeeling war für mich irgendwie nicht so klar, weil es gibt am Schluss diese Abstimmung, die ja öffentlich ist, und ich glaube, dass es da gewisse Unwägbarkeiten auch gibt. Für mich war es bis zum Schluss einfach sehr, sehr spannend.

Hettinger: Stichwort Öffentlichkeit. Die ist ja in Klagenfurt sehr stark vertreten. Das Ganze wird im Fernsehen übertragen, die Fernsehkameras sind im Prinzip ständig auf die Protagonisten gerichtet. Was war das für eine Erfahrung für Sie?

Lang: Die Kameras, finde ich, vergisst man eigentlich relativ schnell und man bewegt sich dann letztendlich doch, weil so viel vielleicht auch drum herum ist, so viel Leute, die einen ansprechen, dass man einfach so da durchläuft und das Gefühl hat, es wäre nichts.

Hettinger: Dieses Zerpflücken der Texte, ganz salopp formuliert, ich stelle mir das einfach so vor, mir wäre da nicht sonderlich wohl zumute. Für Sie gab es sehr viel Lob und diejenigen, die die Kritik da äußern, das sind ja so richtig große Hausnummern im Literaturbetrieb, Großkritiker, Literaturwissenschaftler. Wie war das für Sie, man hat ja auch so eine gewisse Selbstsicht auf einen Text und dann kommen da diese hohen Damen, hohen Herren und sagen da was. Gab es da Schnittmengen oder haben Sie Ihren Text da noch mal ganz neu erfahren?

Lang: Erstmal war es für mich so, erstaunlicherweise, weil ich auch erwartet hatte, dass es sehr aufregend und sehr schlimm werden könnte, dass ich doch so relativ entspannt war. Nach der Lesung, nach der Darstellung hat man ja eigentlich das, was man selber tun kann, getan. Das andere wirkte dann so ein bisschen auf mich ein und ich konnte das so wahrnehmen. Es ist natürlich so, dass man da nicht so ganz locker mit umgeht, vielleicht, wenn wirklich diese bedeutenden oder renommierten Kritiker sich mit dem eigenen Text auseinander setzen. Aber es ist ja auch auf der anderen Seite wirklich eine tolle Sache, eine Gelegenheit, selbst wenn es in der Öffentlichkeit passiert.

Hettinger: Der Preisträger Thomas Lang in Klagenfurt. Ihre Erzählung heißt: "Am Seil". Worum geht es da?

Lang: Es schildert eine Situation, es ist wirklich ein kleines Kammerspiel, das davon ausgeht, dass zwei Personen, nämlich Vater und Sohn, eigentlich das Gefühl haben, beide am Ende ihres Weges angekommen zu sein. Es sind lebensüberdrüssige Figuren, die zusammenfinden, mehr oder weniger zufällig am Zeitpunkt ihres Lebens, weil sie vorher lange keinen Kontakt hatten. Der Vater versucht den Sohn zu instrumentalisieren, um ihm bei seinem Vorhaben irgendwie zu helfen. Es geht um den Konflikt, um die Spannung, um das, was da zwischen den beiden passiert. Es geht, ja, vielleicht auch noch um ein bisschen mehr, was ich schwer benennen kann.

Hettinger: Wie kommt man auf so einen Stoff?

Lang: Das ist immer unterschiedlich. In dem Fall war es so, dass so eine Grundidee einfach irgendwann auf mich zukam. Die ersten Notizen liegen schon eine ganze Weile zurück, der Stoff beschäftigt mich im Grunde genommen schon länger und ich habe ihn dann liegen lassen und immer mal so ein bisschen mit gespielt, ein bisschen was aufgeschrieben und so. Also, es ging in diesem Fall wirklich von einer Idee aus, diese Konstellation zu haben: Zwei Figuren, irgendwie die eine eigentliche relativ am Ende ihres Weges angekommen, also ein alternder oder auch schon alter Mann, der jetzt krank ist und der vom Leben eigentlich nicht mehr viel zu erwarten hat, und dieser naturgemäß jüngere Sohn, der dann eben eigentlich das gleiche Gefühl hat. Davon ging es aus.

Hettinger: Es gibt von jedem Kandidaten beim Bachmann-Preis, beim Bachmann-Wettbewerb so ein kleines Vorstellungsvideo. Da sind Sie zu sehen mit der These, dass Sie sich weniger von der Realität inspirieren lassen als vielmehr von Filmen, Namen wie David Lynch fallen da, Visconti. Auch die Jury hat gesagt, dass ist gemacht wie "Vertigo". Ist die Realität nicht mehr interessant genug?

Lang: Ich glaube, das ist vielleicht ein kleines Missverständnis. Natürlich ist die Realität unheimlich interessant und spannend. Ich gehe schon mit offenen Augen durch die Gegend und lasse mich auch von der Realität inspirieren. Es ist aber in der Tat so, dass mir Filme oft eine gewisse Spannung geben, so eine Grundspannung irgendwie, die mir dann wieder sozusagen die Freude gibt am Text zu arbeiten, an meinem eigenen Text.

Hettinger: Texte von Ihnen kann man auch im Internet lesen, es gibt aber auch einen Roman, den Sie bei Wagenbach veröffentlicht haben, "Than" heißt der, vor drei Jahren. Gibt einem so eine Romanveröffentlichung eine gewisse Sicherheit für die Arena Klagenfurt?

Lang: Ich denke, dass es nicht schadet, allerdings ist es natürlich drei Jahre her und jetzt hat man auch nicht mehr so den unmittelbaren Rückenwind, dieses tolle Gefühl, dass jetzt gerade ein Buch erschienen ist oder so. Aber es ist natürlich so, dass man in gewisser Weise schon mit dem Literaturbetrieb in Berührung gekommen ist. Ich habe eine Reihe von Lesungen gehabt zum Beispiel und war mit dieser Vorlesesituation nicht ganz unvertraut. Insofern ist es natürlich schon, sagen wir mal, hilfreich.

Hettinger: Der Literaturbetrieb ist nun versammelt in Klagenfurt und wenn er nicht dort ist, dann schaut er doch zumindest sehr interessiert auf das, was hier beim Bachmann-Wettbewerb geschieht und Sie sind da jetzt im Fokus. Erfahren Sie den Betrieb jetzt, in diesen Tagen, in diesen Stunden, noch einmal von einer neuen Seite?

Lang: Ich glaube, besonders in der letzten Stunde erfahre ich ihn von einer ganz neuen Seite. Vorher - ich war auch schon einmal hier vor sechs Jahren in diesem Klagenfurter Literaturkurs und kannte also die Veranstaltung und so ein bisschen die Atmosphäre im Studio und so. Das war für mich jetzt nicht so überraschend, aber was jetzt seit der Preisverleihung auf mich zukommt, das erlebe ich im Moment schon eher stürmisch.

Hettinger: Wie kommt man überhaupt nach Klagenfurt zu diesem Wettbewerb? Gibt es da ein Prozedere?

Lang: Grundsätzlich ist das Prozedere so, inzwischen braucht man eine Verlagsempfehlung, um auf die Juroren zugehen zu können, dass man sich mit einem Text bewirbt. So ist es bei mir gewesen, ich habe dann Burkhard Spinnen meinen Text geschickt und Burkhard Spinnen hat mich irgendwann angerufen, hat gesagt, der Text gefällt mir, ich würde Sie gerne einladen.

Hettinger: Sucht man sich da denjenigen aus, der einem so stilistisch oder menschlich am nächsten ist?

Lang: Natürlich ist es unverzichtbar, dass man dann auch mit einem Juror irgendwie übereinstimmt. Das ist natürlich auch in gewisser Weise auch ein kleines Abenteuer, weil man nicht vorher sagen kann, ob der Juror jetzt wirklich etwas mit dem Text anfangen kann. Aber im Fall mit Burkhard Spinnen und mir ist es wirklich sehr, sehr gut gelaufen und ich glaube, dass es dann eine sehr gute Stärkung ist für die eigene Position hier, denn man weiß, der Juror steht halt wirklich hinter einem, der steht hinter dem Text. Wenn das geklärt ist, dann gibt einem das schon ein gutes Gefühl.

Hettinger: Ihre Lebensgeschichte, Ihre Vita liest sich sehr interessant. Sie sind in einem kleinen Ort in Nordrhein-Westfalen geboren, leben jetzt mit Ihren zwei Kindern in München und schreiben für Computerzeitschriften. Ich mit meiner klischeebeladenen Weltsicht bringe das irgendwie nicht so richtig zusammen: Schriftsteller und Computerzeitschrift, wie machen Sie diesen Spagat?

Lang: Das hat so seine zwei Seiten. Auf der einen Seite ist es natürlich richtig, dass diese Arbeit für Computerzeitschriften, dass es da um Gebrauchstexte geht, da gibt es ganz klare Anforderungen, eben auch sozusagen Stilvorgaben wie man in Fachzeitschriften schreibt, die einem vielleicht auch im Einzelfall nicht immer so passen, die man dann aber doch akzeptiert. Das kann manchmal vielleicht auch ein kleines bisschen Leid auslösen. Auf der anderen Seite ist es natürlich auch ein Vorteil, diese beiden Sphären dann wirklich trennen zu können. Die eine Sache ist nämlich eben Zeitschriftenartikel, Gebrauchstexte schreiben, das mache ich dann, das hake ich ab und das andere ist eben dann die schriftstellerische Arbeit, die davon unberührt bleibt.

Hettinger: Wobei - ich kann mir gut vorstellen, dass die Redakteurskollegen bei den Computerzeitschriften für die Sie schreiben, Sie jetzt mit der gebotenen Ehrfurcht behandeln, denn ein Bachmann-Preisträger, der für Computerzeitschriften schreibt, hat man ja auch nicht alle Tage.

Lang: Ach ich erwarte eigentlich nicht, dass sich da soviel ändert.

Hettinger: 22.500 Euro, das ist die Dotierung dieses Preises. Wissen Sie schon, ganz profan gefragt, was Sie mit dem Geld machen?

Lang: Ja, Sie haben es gerade schon erwähnt, ich habe eine kleine Familie in München, die will auch versorgt werden, und da ergibt sich die Planung ganz von alleine.
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