Babba schreibt, Lillemor tippt
In ihrem neuen Buch jongliert die bald 80-jährige schwedische Schriftstellerin Kerstin Ekman mit den Identitäten. Ihre Heldin, die gefeierte Erzählerin Lillemor, wird plötzlich selbst zur Figur in einem Roman.
"Großes Finale in der Schwindlerbranche" heißt Kerstin Ekmans neuer Roman im schwedischen Original. Die erfahrene Autorin meint damit in erster Linie nicht, wie man vielleicht denken könnte, die Politik, sondern ihre ureigene Branche, die der Literatur.
Ihre Heldin ist die 80-jährige Großschriftstellerin Lillemor (was man auch mit "Muttchen" übersetzen kann) Troj, die einst reihenweise Krimis schrieb, seither aber zur ehrenwerten Dichterin und zum geschätzten Mitglied der Schwedischen Akademie wurde (die immerhin den Literaturnobelpreis vergibt). Das alles und vieles mehr (Studium in Uppsala, Arbeit als Lehrerin, Umzug nach Norrland usw.) erinnert schwer an Kerstin Ekman selbst (deren zweiter Name Lillemor lautet). Lillemor ist Ekmans Alter Ego.
Doch in einem Punkt unterscheidet sich Kerstin Ekman von ihrer Figur (hoffen wir zumindest ... ). Lillemor ist nämlich schon früh mit einer Barbro "Babba" Andersson einen Pakt eingegangen: Babba bot ihr an, für sie Romane zu schreiben, denn sie braucht die Anonymität, um kreativ zu sein, außerdem sei Lillemor viel attraktiver und geselliger.
Ab sofort sind die beiden Geschäftspartnerinnen: Babba schreibt, Lillemor tippt. Bis Babba schließlich einen Roman über Lillemor verfasst und ihn an einen Verlag schickt. An diesem Punkt fängt "Schwindlerinnen" an, abwechselnd wird aus beider Sicht erzählt, Babbas Part interessanterweise in der Ich-Form.
Ekmans Roman dient dazu, die "Schwindlerbranche" Literatur zu entlarven: das hohle Geschwätz, den heuchlerischen Umgang, das fiese Geschäft, wo der Autorname zur Marke wird und die Kunst egal ist. Gleichzeitig gibt ihr das Buch Gelegenheit, ihre poetologischen Überlegungen zum Besten zu geben: "Es ist doch bloß ein Roman", denn "Geschichten sind Sprache, keine Wirklichkeit", "Literatur lebt von Literatur" und ist ein Ergebnis "der Langeweile" – alles keine ganz neuen Erkenntnisse.
Nach Meisterwerken wie dem packenden "Geschehnisse am Wasser" (dt. 1995) oder dem konzisen, anrührenden "Hundeherz" (dt. 2009) legt uns Ekman hier einen überlangen, redseligen Metaroman vor. Sie verliert sich in endlosen Details, und wir verirren uns in ihnen.
Ebenso ununterbrochen, wie der Rundfunkapparat in Babbas Elternhaus läuft, schnurrt die Erinnerungsmaschine in Babbas Kopf. So wird Erinnerung zu einem erstickenden Wortschwall.
Autofiktion und autobiografischer Roman sind in den letzten Jahren zu einer bestimmenden Richtung in der Literatur geworden. Kerstin Ekman hat den Roman dazu geschrieben. Ihre beiden Frauenfiguren, die Sein-Autorin Barbro Andersson und die Schein-Autorin Lillemor Troj, muss man wohl als die zwei Seiten der Über-Autorin Kerstin Ekman ansehen.
Metaromane dieser Art müssen freilich schon einen brillanten Stil und raffinierte Einfälle haben, um mitreißen zu können. Dieser hier ist leider ziemlich ermüdend.
Besprochen von Peter Urban-Halle
Kerstin Ekman: Schwindlerinnen
Roman
Aus dem Schwedischen von Hedwig M. Binder
Piper Verlag, München 2012
448 Seiten, 23 Euro
Ihre Heldin ist die 80-jährige Großschriftstellerin Lillemor (was man auch mit "Muttchen" übersetzen kann) Troj, die einst reihenweise Krimis schrieb, seither aber zur ehrenwerten Dichterin und zum geschätzten Mitglied der Schwedischen Akademie wurde (die immerhin den Literaturnobelpreis vergibt). Das alles und vieles mehr (Studium in Uppsala, Arbeit als Lehrerin, Umzug nach Norrland usw.) erinnert schwer an Kerstin Ekman selbst (deren zweiter Name Lillemor lautet). Lillemor ist Ekmans Alter Ego.
Doch in einem Punkt unterscheidet sich Kerstin Ekman von ihrer Figur (hoffen wir zumindest ... ). Lillemor ist nämlich schon früh mit einer Barbro "Babba" Andersson einen Pakt eingegangen: Babba bot ihr an, für sie Romane zu schreiben, denn sie braucht die Anonymität, um kreativ zu sein, außerdem sei Lillemor viel attraktiver und geselliger.
Ab sofort sind die beiden Geschäftspartnerinnen: Babba schreibt, Lillemor tippt. Bis Babba schließlich einen Roman über Lillemor verfasst und ihn an einen Verlag schickt. An diesem Punkt fängt "Schwindlerinnen" an, abwechselnd wird aus beider Sicht erzählt, Babbas Part interessanterweise in der Ich-Form.
Ekmans Roman dient dazu, die "Schwindlerbranche" Literatur zu entlarven: das hohle Geschwätz, den heuchlerischen Umgang, das fiese Geschäft, wo der Autorname zur Marke wird und die Kunst egal ist. Gleichzeitig gibt ihr das Buch Gelegenheit, ihre poetologischen Überlegungen zum Besten zu geben: "Es ist doch bloß ein Roman", denn "Geschichten sind Sprache, keine Wirklichkeit", "Literatur lebt von Literatur" und ist ein Ergebnis "der Langeweile" – alles keine ganz neuen Erkenntnisse.
Nach Meisterwerken wie dem packenden "Geschehnisse am Wasser" (dt. 1995) oder dem konzisen, anrührenden "Hundeherz" (dt. 2009) legt uns Ekman hier einen überlangen, redseligen Metaroman vor. Sie verliert sich in endlosen Details, und wir verirren uns in ihnen.
Ebenso ununterbrochen, wie der Rundfunkapparat in Babbas Elternhaus läuft, schnurrt die Erinnerungsmaschine in Babbas Kopf. So wird Erinnerung zu einem erstickenden Wortschwall.
Autofiktion und autobiografischer Roman sind in den letzten Jahren zu einer bestimmenden Richtung in der Literatur geworden. Kerstin Ekman hat den Roman dazu geschrieben. Ihre beiden Frauenfiguren, die Sein-Autorin Barbro Andersson und die Schein-Autorin Lillemor Troj, muss man wohl als die zwei Seiten der Über-Autorin Kerstin Ekman ansehen.
Metaromane dieser Art müssen freilich schon einen brillanten Stil und raffinierte Einfälle haben, um mitreißen zu können. Dieser hier ist leider ziemlich ermüdend.
Besprochen von Peter Urban-Halle
Kerstin Ekman: Schwindlerinnen
Roman
Aus dem Schwedischen von Hedwig M. Binder
Piper Verlag, München 2012
448 Seiten, 23 Euro