Autoschrauber im Weinberg des Herrn

Von Heike Ularich |
In der Essener Kfz-Werkstatt "Alte Schmiede" hängt ein Plakat, das die Liebe Gottes preist. In der Pause geht es auch mal um Glaubensfragen. Hier können sich schwierige Jugendliche zum Kfz-Mechatroniker ausbilden lassen. Die Atmosphäre, sagt ein Auszubildender, sei anders als in anderen Firmen.
Robert Bosch: "Alle unsere Meister und unsere Bürokraft sind Christen. Wenn wir ne Dienstbesprechung machen, dann wird gebetet. Auch sicherlich für die Werkstatt und natürlich auch für die persönlichen Dinge. Wir verstehn uns als Mitarbeiter im Weinberg Gottes."

Ein Gutsbesitzer heuerte am frühen Morgen Tagelöhner für seinen Weinberg an und wurde mit ihnen einig, dass sie einen Denar als Lohn erhalten sollten. Am Vormittag, Mittag und Nachmittag schickte der Gutsbesitzer weitere Männer in seinen Weinberg, mit dem Versprechen, ihnen zu geben, was Recht ist.

Der Evangelist Matthäus, Kapitel 20, Vers 1-16

Als er aber am Abend jedem, der gearbeitet hatte, den gleichen Lohn auszahlte, murrten diejenigen, die schon in der Frühe begonnen hatten. Doch der Herr sagte zu Ihnen: "Seid ihr neidisch, weil ich gut bin?" Denn die Letzten werden die Ersten sein, und die Ersten die Letzten.

Robert Bosch: "Wir haben bei uns in der Werkstatt ein großes Plakat hängen, da steht drauf wir wollen die Liebe Gottes weitergeben, das sehen auch die Kunden. Aber wir sind jetzt keine missionarische Werkstatt."

Aber wenn Christen im Alltag ihr Christsein vorleben, dann wird ganz nebenbei missioniert. Thomas von Laar arbeitet als Kfz-Meister mit den Jugendlichen zusammen:

"Ein Auszubildender fing hier an. Und dem haben wir den christlichen Glauben einfach vorgelebt. Wir haben als Mensch eine Verantwortung vor Gott und vor den Menschen, und auf diesem Wege einen Teil der Verantwortung wiederzugeben. Wir leben das Christsein vor und das kriegen die da schon mit, weil wir alle zusammen Frühstückspause, Mittagspause machen und dann sprechen wir über Gott und die Welt, auch über Glaubensfragen unter uns Kollegen. Ja, auf diese Art Weise missionieren wir sogar auch."

Die Auszubildenden nehmen das Angebot an, oder auch nicht. Marcel und Mark:

Marcel: "Ich bin nicht so gläubig, finde ich nicht schlimm, warum nich'."

Mark: "Ich persönlich glaube nicht so sehr an Gott, aber für mich ist das kein Problem. Es gibt Leute, die glauben an Gott, es gibt welche, die glauben nicht. Es gibt viele Arten von Menschen."

Robert Bosch: "Man hatte das Problem, die zu integrieren, in normale Betriebe, und da hatte man gesagt: 'Jetzt drehen wir den Spieß um, jetzt machen wir selber ne Werkstatt, damit wir die Jugendlichen ausbilden können.'"

2003 wurde die "Alte Schmiede Essen" als Verein und gemeinnützige GmbH gegründet. Der Unternehmer Hans-Hermann Beilharz stellte das Grundstück mit dem Gebäude im Essener Stadtteil Borbeck zu Verfügung. Er brachte das unternehmerische Know-how mit. Drei Essener Vereine, christliche Jugendwerke, finanzierten das Projekt aus der Erkenntnis heraus: Jugendliche haben auch deshalb Probleme, weil sie erst gar keine Lehrstelle bekommen. Bis heute als zweiter Geschäftsführer mit im Boot ist der Sozialpädagoge Robert Bosch:

"Damals konnte keiner sagen, wie lange wir durchhalten können. Klar war von vorne rein, dass die Sache sich selber tragen muss. Wir konnten also entsprechend auch auf den Profit achten."

Es wurde eine ganz normale Autowerkstatt gegründet. Die Jugendlichen sollten nicht in Watte gepackt werden.

Robert Bosch: "Was aber auch positiv ist, weil pädagogisch betrachtet ist dieser Ernstcharakter der Arbeit sehr wichtig, weil wir wollen ja die Jugendlichen fit machen für den ersten Arbeitsmarkt. Wir haben ja auch reale Kunden und nicht nur Phantasieprodukte, und wo man auch Geld verdienen muss, das geht eben auch, und zügig arbeitet und viele Aufträge absolvieren kann."

Für die Arbeiter im Weinberg Gottes bedeutet dies vor allem eine ehrenamtliche Tätigkeit von 40 bis 60 Stunden im Monat. Und die Meister tragen mehr Verantwortung als in herkömmlichen Betrieben.

Thomas van Laan: "Das Besondere ist eigentlich nur, dass man sich besonders intensiv mit den Jugendlichen auseinandersetzen muss. Mit Jugendlichen zusammenzuarbeiten, die schlecht in der Schule sind, die sind handwerklich begabt, und das macht Spaß, mit denen zu arbeiten. Aufgrund der Tatsache, weil sie ja schwererziehbar sind, muss man halt besonders richtungsweisend vorgehen, müssen vielmehr überprüfen. Schließlich sind wir ja als Meister für die Qualitätssicherung verantwortlich."

Zurzeit werden 5 Jugendliche zwischen 17 und 20 Jahren ausgebildet. Alle haben schlechte oder keine Schulabschlüsse. Einige haben abgebrochene Lehrstellen hinter sich. Die Industrie- und Handelskammer Nordrhein-Westfalen empfiehlt den Realschulabschluss für die Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker. Es ist eine anspruchsvolle Ausbildung.

Marcel: "Klar war ich glücklich drüber, dass ich hier die Ausbildung anfangen konnte. Weil mit 'nem Hauptschulabschluss ist es schwer, so eine Lehrstelle zu kriegen, weil es wirklich auch nicht einfach ist mit der ganzen Elektronik."

Robert Bosch: "Kurz gesagt, die Jugendlichen müssen verstehen, wie ein Auto funktioniert und wie sie es reparieren können. Ich kümmere mich auch um Probleme darüber hinaus, teilweise dass die Nachhilfe bekommen für die Schule, weil sie in der Regel nicht stark sind oder waren. Wir sind eine der ganz wenigern Autowerkstätten, die Sozialpädagogen haben in ihren Reihen. Es geht hier ja nicht um Autos, sondern es geht hier um Menschen."

Marcel: "Also ist nicht so wie in anderen Firmen, dass man sich beschimpft oder sich anschreit, oder so."

Marcel und Mark werden dieses Jahr ihre Ausbildung beenden. Sie nehmen jedoch mehr als nur den Gesellenbrief mit.

Marcel: "Ich nenne mal ein Beispiel, wenn ich hier mal zu spät zwei Stunden kam, dass ich nicht irgendwelche Geschichten erzähle, sondern das ich ehrlich bin, weil man damit eigentlich weiterkommt. Das nehm’ ich auf alle Fälle mit."

Robert Bosch: "Häufig wird gesagt, wir wären günstig und billig, das stimmt nicht. Wir haben mindestens genauso hohe Preise wie unsere Mitbewerber auf dem freien Markt, teilweise sogar schon höher."

Robert Bosch beschreibt den harten Konkurrenzkampf. Nicht alle umliegenden Werkstätten sind auf die christliche Konkurrenz gut zu sprechen. Bekommen sie schon mal Hilfe aus Gottesdienstkollekten für teure Hebebühnen. Außerdem gibt es Fördertöpfe für Spezialwerkzeug, wie etwa optische Spezialschraubschlüssel für den gehörlosen Stefan.

Robert Bosch: "Eigentlich müssten wir noch teurer sein. Man darf nicht vergessen, wir bilden Jugendliche aus, die es nicht so leicht lernen, und wir haben drei Meister, aber keine Gesellen. Wenn wir nur auf Geld gucken würden, dann würden wir gar keine Auszubildenden nehmen und dann würden wir den Laden selber betreiben, dann könnten wir auch Geld verdienen, dat wollen wir eben nicht."

"Gut gemacht - statt gut gemeint". Bis jetzt ging dieses Motto auf. Die hier ausgebildeten Kfz-Mechatroniker waren später auf dem ersten Arbeitsmarkt erfolgreich.

Robert Bosch: "Wir haben selber die Liebe Gottes erfahren. Und wir sind davon überzeugt, dass das ne Sache ist, die man weitergeben muss, aber auch weitergeben kann. Wir unterscheiden uns schon hier im Miteinander von anderen Betrieben. Und denken, dass in diesem Klima der Wertschätzung und der Achtung die Jugendlichen gut ausgebildet werden können."