Autos mit Wasserstoffantrieb

Die vernachlässigte Alternative

08:55 Minuten
Heckansicht eines Brennstoffzellen-Hybridbus der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB)
Brennstoffzellen-Bus in Stuttgart: Fahrer und Anwohner schätzen, dass er so leise ist. © picture alliance / dpa / Marijan Murat
Von Angelika Hensolt · 05.03.2019
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Die Brennstoffzelle ist eigentlich eine alte Technologie. Die Autobauer investierten hierzulande aber massiv ins E-Auto. Dabei bietet das Fahren mit Wasserstoff einige Vorteile – wie zwei in Stuttgart eingesetzte Busse beweisen.
Haltestelle Marienplatz, Stuttgart: Etliche Leute stehen hier und warten auf den Bus mit der Nummer 41 – leise zischend kommt der um die Ecke gebogen, aus dem Dach steigt hinten ab und zu eine kleine Wasser-Dampfwolke. Die Nummer 41 ist einer von zwei Wasserstoffbussen, die im Stuttgarter Stadtverkehr unterwegs sind. Die Fahrgäste finden es gut:
"Es ist umweltschonender. Wegen unserem Klima. Wegen unserem Feinstaub. So ein altes Dieselauto braucht mehr. Es ist ein Muss und Wasserstoff eine zukunftsträchtige Technologie, weil man etwas unternehmen muss gegen Feinstaubemission und die Umweltverschmutzung. Toll finde ich das. Wär viel besser, wenn alle Busse so wären."

Ein Beitrag für bessere Luft in Stuttgart

Gebaut hat den Bus Mercedes-Benz, eine Tochter des Autobauers Daimler, der in Stuttgart seinen Sitz hat. Die baden-württembergische Landeshauptstadt hat immer wieder mit zu hohen Feinstaubwerten zu kämpfen und deshalb ältere Diesel-Fahrzeuge ausgesperrt.
Die Wasserstoffbusse sind ein Beitrag der Stuttgarter Straßenbahnen AG für bessere Luft, meint Pressesprecherin Birgit Kiefer:
"Die SSB sieht es als ihre Aufgabe an, Mobilität in Stuttgart möglichst umweltfreundlich zu gestalten. Auch ausprobieren von neuen Technologien, was kann man machen, um die Luftverschmutzung möglichst gering zu halten. Das ist ein Versuch zu sehen, wie weit trägt so ein Wasserstoffbus, wie kann man das gestalten für die Zukunft."
Der Mercedes-Bus, Citaro heißt er, hat auf dem Dach große Tanks, hinten am Fahrzeug sind die Brennstoffzellen untergebracht. Dort reagiert gasförmiger Wasserstoff mit Sauerstoff und erzeugt Strom. Der füttert wiederum eine Batterie, die einen Elektromotor antreibt. Der Vorteil: Die Busse stoßen keine Emissionen aus und ihre Batterie ist deutlich kleiner als beim reinen E-Auto. Aber: Wasserstoff herzustellen ist sehr energieintensiv. Wirklich ökologisch ist ein Wasserstoffauto also nur, wenn bei der Herstellung Öko-Strom verwendet wurde.

Tagesprogramm wird ohne Zwischentanken geschafft

Trotzdem: Für den Stadtverkehr sind die Busse deutlich besser geeignet als rein elektrisch betriebene Fahrzeuge, meint Professor Christian Mohrdieck, der das Thema Wasserstoff beim Autobauer Daimler verantwortet:
"Bei den Bussen ist der große Vorteil, dass damit dann ein Tagesprogramm eines solchen Busses ohne Zwischentanken erledigt werden kann. Ganz wie heute bei den Verbrennungsmotoren auch gefahren wird. Die weiteren Vorteile sind, das haben wir auch von Anwohnern erfahren, dass diese Busse sehr leise sind. Das schätzen auch die Fahrer."

Leises Fahren freut Fahrer und Anwohner

"Der zischt nur so durch die Straßen. Also leise. Man hört nur so ein Surren. Ein Dieselmotor ist halt laut. für die Fahrgäste ist es sehr viel angenehmer. Ist ein angenehmes Fahren ... ist ein angenehmes Fahren, ja. Und ich tue was Gutes."
Sagt Mike Buss, der heute hinterm Steuer des Wasserstoffbusses mit der Nummer 41 sitzt. 300 Kilometer und mehr macht er pro Tag mit dem Bus im Stadtverkehr. Dafür reicht eine Tankfüllung locker – ein E-Bus müsste in dieser Zeit mehrmals geladen werden.
Nicht nur Busse, auch Pkws werden mit Wasserstoff betrieben. Bislang allerdings nicht besonders viele. Das einzige serienreife Modell eines deutschen Herstellers, der Mercedes GLC F-CELL steht momentan am Daimler-Standort in Kirchheim Nabern. Christian Mohrdieck präsentiert es nicht ohne Stolz:
"Ich fühle mich so, als wenn ein Baby geboren ist, das eine länger als neun Monate dauernde Schwangerschaft hinter sich hat. Und insofern fühle ich mich so ein bisschen wie ein Vater."
"In diesem Fahrzeug sehen wir vorne, da wo man einen Motor erwartet, das Brennstoffzellensystem und auf den ersten Blick sieht es nicht anders aus wie ein Motor. Es hat eine Luftansauung. Keine Ölwanne, dafür einen Befeuchter. Es hat einen 'Stack' anstelle eines Zylinderblocks."

Nur ein einziges Pkw-Modell ist serienreif

Im "Stack" sind mehrere Brennstoffzellen hintereinander geordnet, das sieht ein bisschen so aus wie Disketten, die in einem Kasten stecken.
"Ich habe dann im Tunnel des Fahrzeugs einen Wasserstoffbehälter einen zweiten unter der Rücksitzbank. Kann insgesamt 4,4 Tonnen Wasserstoff speichern. Und im Heck habe ich eine Besonderheit. Das ist eine Weltneuheit. Wir haben nämlich die Brennstoffzelle mit einer Plugin-Batterie kombiniert."
"Das Fahrzeug nutzt die Batterie natürlich intelligent. Wenn die Kollegin meint, die muss jetzt mal aufs Gas treten, dann sagt das Fahrzeug Schau ich doch mal, ob ich die Energie lieber aus der Batterie nehme als aus der Brennstoffzelle. Denn die Brennstoffzelle hat es am liebsten, wenn sie in einem ausgewogenen Zustand ist. Diese ganzen peaks werden eher von der Batterie gezogen."
Erklärt Madeleine Herdlitschka und gibt mal kurz Gas. Die Daimler-Mitarbeiterin fährt den "Neuen" im Moment immer wieder Probe. Angetrieben wird der SUV von einem 200 PS starken E-Motor, allein mit Wasserstoff fährt er 447 Kilometer, durch den Akku mit externer Ladefunktion kommen noch mal fast 50 Kilometer Reichweite aus der Steckdose dazu.

Das Wasserstoffauto nutzt eine alte Technologie

Von außen ist das erste deutsche Wasserstoffauto mehr als auffällig: Der Geländewagen strahlt in Blau und Orange, mit einer gezeichneten Molekülstruktur auf dem Dach und am Heck. Aktuell wird er an ausgewählt Kunden "vermietet" – an Menschen, die Fahrzeuge im Premiumsegment schätzen und neuen Technologien gegenüber aufgeschlossen sind.
Dabei ist die Brennstoffzelle eigentlich eine alte Technologie, Anfang des 19. Jahrhunderts entdeckt. Und dann lange Zeit vergessen. Viele Autobauer experimentierten damit, stellten die Versuche aber irgendwann wieder ein – und investieren inzwischen ihre Kraft lieber in den Aufbau der E-Mobilität, erklärt Autoexperte Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach:
"Zunächst hat tatsächlich die E-Mobilität das Rennen gemacht. Ich glaube, das liegt im Wesentlichen daran dass es einen starken Wettbewerber gibt namens Tesla, der den Premiumherstellern richtig Marktanteile weggenommen hat und gezeigt hat, dass reine E-Mobilität funktioniert und auch begeistern kann. Vor dem Hintergrund sind andere Technologien dann in den Hintergrund gerückt."

Toyota und Hundai sind schon viel weiter

Die Autobauer investierten massiv ins E-Auto, alles andere musste da erstmal hintenanstehen. Vor allem bei den deutschen Anbietern. Andere sind da schon weiter:
"Am weitesten beim Thema Brennstoffzelle sehen wir Toyota und Hundai, die auch Serienfahrzeuge am Markt haben. Beide beschäftigen sich schon seit vielen Jahren mit dem Thema und trauen sich zu, einem beschränkten Nutzerkreis diese Brennstoffzellen-Fahrzeuge auch anzubieten."
Besonders erfolgreich ist das Wasserstoffauto in Japan: Die Regierung dort fördert den Auf- und Ausbau der Technologie mit Milliarden. 2020, wenn die Olympischen Spiele in Tokio stattfinden, sollen im Land 40.000 Brennstoffzellenautos fahren. Wer sich entscheidet, einen Mirai, das ist das Wasserstoffauto von Toyota, anzuschaffen, bekommt über 20.000 Euro Zuschuss vom Staat. Die deutschen Hersteller hinken da hinterher, VW, BMW und Audi haben aber zumindest angekündigt, in naher Zukunft Modelle auf den Markt zu bringen.
"Wir fahren jetzt nach Wendlingen. Da ist nämlich eine Wasserstofftankstelle von unseren Kollegen von Shell."
Ein Handicap für die neue Technologie: Wasserstoff-Tankstellen sind rar in Deutschland. Der Tankvorgang an sich ist sehr komfortabel und dauert nur ein paar Minuten. Nicht wie beim E-Auto mehrere Stunden:
"Wir haben fast 60 Wasserstofftankstellen in Deutschland. Betrieben von unserem Joint Venture, dass wir mit unseren Partnern von Shell, Total und Air Liquide vor einigen Jahren gegründet haben. Und da sind wir schon. Da steht es geschrieben: Wasserstoff kostete nämlich pro Kilo 9,50 Euro. In unseren GLCF passen 4,4 Kilo rein. Und man sagt im Schnitt: pro 100 Kilometer braucht ein Fahrzeug ein Kilo."

Hoher Anschaffungspreis wegen geringer Stückzahlen

9 Euro 50 kostet das für 100 Kilometer, ähnlich viel wie bei einem Benziner. Richtig teuer sind die Wasserstoffautos aber in der Anschaffung. Ein Toyota Mirai beispielsweise kostet fast 80.000 Euro, das Modell von Hundai liegt bei rund 65.000 Euro, das Daimler-Fahrzeug gibt es aktuell nur zur Miete. Verantwortlich für den hohen Preis ist natürlich auch die geringe Stückzahl.
Dazu kommen die Kosten für das sehr teure Edelmetall Platin, das als Katalysator eingesetzt wird. Experten gehen aber davon aus, dass die Kosten in den nächsten Jahren sinken – einfach, weil die Hersteller in der Produktion mit immer weniger Platin auskommen. Autoexperte Bratzel ist auf jeden Fall überzeugt davon, dass das Wasserstoffauto eine Zukunft hat:
"Ich glaube tatsächlich, dass es Sinn machen würde, das Thema Brennstoffzelle mit weitaus größerer Dynamik bei den deutschen Herstellern voranzutreiben. Wir glauben, dass insbesondere für schwere Fahrzeuge, Lkws, Busse, aber auch für die Langstrecke sich Wasserstoff durchaus eigenen könnte."
Vieles ist aktuell noch Zukunftsmusik. Aber, dass Wasserstoff und Brennstoffzelle in den Mobilitätskonzepten von morgen eine Rolle spielen werden, davon sind die meisten Experten überzeugt. Busfahrer Mike setzt auf jeden Fall auf die neue Technologie:
"Für mich, also für den Fahrer, ist es die Zukunft. Für mich: definitiv."
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