Autorin Silvia Bovenschen

Schreiben mit "grimmiger Heiterkeit"

Silvia Bovenschen (2008)
Silvia Bovenschen in ihrer Berliner Wohnung © imago / Christian Thiel
Silvia Bovenschen im Gespräch mit Britta Bürger · 23.05.2016
Trotz ihrer schweren Krankheit wurde Silvia Bovenschen eine der führenden Intellektuellen Deutschlands. Britta Bürger besuchte sie in ihrer Berliner Wohnung und sprach mit ihr über Feminismus, Literatur und ihre langjährige gleichgeschlechtliche Beziehung.
Silvia Bovenschen erfuhr mit Mitte 20, dass sie an multipler Sklerose leidet. Sie lehrte dennoch 20 Jahre lang Literaturwissenschaft an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main:
"Das Lesen war eine Möglichkeit, sich in ganz ferne Bereiche entführen zu lassen, und ich war lesesüchtig. Ich habe alles gelesen, was mir unter die Augen kam. Also man konnte mir auch kein größeres Glück bereiten als mir ein Buch zu schenken, und ich hab mich durch die Bibliothek meines Vaters gefressen. Ich hab wirklich wahnhaft viel gelesen. Ich glaube deshalb bin ich Literaturwissenschaftlerin geworden – solange ich las, hatte ich nie das Gefühl, dass ich arbeite."

Vordenkerin des Feminismus

In ihrer Studentenzeit war sie - wie viele andere - vom Gedankengut der 68er Bewegung fasziniert. Sie hörte unter anderem die Vorlesungen des Philosophen und Soziologen Theodor W. Adorno und war Mitglied diverser Gruppierungen, die auf der Suche nach neuen Ideen waren. Da in diesen linken Kreisen laut Bovenschen von Gleichberechtigung keine Rede sein konnte, gründete sie mit anderen den Frankfurter "Weiberrat" und wurde zur Vordenkerin des Feminismus. Ihre Dissertation "Die imaginierte Weiblichkeit" wurde zu einem feministischen Standardwerk. Rückblickend bilanziert Silvia Bovenschen:
"Ach, vieles, was wir damals gemacht haben, war nicht so ganz unsinnig, aber sie möchte nicht auf die Rolle der Feministin reduziert werden: "Es gibt da eine Schluckauf-Geschichte: Wenn da immer wieder diskutiert wird, warum die Frauen es vielleicht schwerer haben, wenn sie einen anstrengenden Beruf erlernen und ausüben wollen. Ich denke manchmal, das darf nicht wahr sein. Das höre ich jetzt seit 40 Jahren, die gleichen Aussagen und Argumenten – oder seit 50 Jahren."
Sehr früh hat sich Bovenschen auch öffentlich zu ihrer lesbischen Beziehung mit der Malerin Sarah Schuhmann bekannt. Seit 40 Jahren sind sie ein Paar. Sie leben in einer gemeinsamen Wohnung, die Silvia Bovenschen wegen ihrer Krankheit nur noch selten verlässt. Aber Sarah habe immer zu ihr gehalten:
"Wenn es mir schlecht ging, war sie immer zur Stelle. Ich weiß gar nicht, ob ich hier läge, wenn sie nicht gewesen wäre."

Ein Buch als Danksagung

Im vergangenen Jahr widmete sie ihrer langjährigen Lebensgefährtin, das Buch "Sarahs Gesetz"; eine Freundschafts- und Liebesgeschichte, aber auch eine sehr persönliche Danksagung für eine ganz besondere Beziehung:
"Also uns gibt es sozusagen nicht im Plural, weil in vielen Dingen haben wir sicher noch ganz unterschiedliche Grunddisposition. So die Art und Weise, auf etwas zu reagieren, auf etwas Erstaunliches oder ein Phänomen. Oder: Ich habe mich früher immer gewundert über Ehepaare, die gesagt haben 'Wir sehen gern Picasso' oder 'Wir haben diesen Film gern'. Da dachte ich, das kann doch nicht sein, dass zwei Menschen ... Also in diesem Sinne sind wir sicher kein Wir."
Britta Bürger hat Silvia Bovenschen in ihrer Berliner Wohnung besucht und mit ihr über ihre Liebe zur Literatur, den Aufbruch der 60er Jahre und ihre besondere Beziehung zu Sarah Schumann gesprochen.
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