Aus den Feuilletons

Fernseh-Abgesang und Jubelarien

Vor Beginn der Jahrespressekonferenz der Staatsoper steht Generalmusikdirektor Daniel Barenboim am Montag (02.04.2007) vor der Oper in Berlin.
Daniel Barenboim vor der Staasoper in Berlin: Für seinen "Tannhäuser" wird er bejubelt. © Rainer Jensen / dpa
Von Tobias Wenzel · 13.04.2014
Oliver Kalkofe hofft auf die baldige Einstellung des ZDF. Das sagt er jedenfalls im Interview mit der "tageszeitung". Während das Fernsehen neue Häme abbekommt, wird die "Tannhäuser"-Inszenierung an der Staatsoper Berlin von "FAZ" und "SZ" gefeiert.
Na, Lust auf Lesen oder einen Opernbesuch? Oder wie wär’s mit Fernsehen? Scripted Reality oder Dokusoap bei den Privaten zum Beispiel - "von der Straße geklaubte Laiendarsteller, die irgendeinen Scheiß zusammenspielen, den vorher der Schimpanse des Praktikanten mit Fingerfarben auf einem Bierdeckel niedergeschrieben hat".
So jedenfalls die Definition von Oliver Kalkofe. Vor zwanzig Jahren lief die erste Folge von "Kalkofes Mattscheibe", sein satirischer Blick auf die kranke Fernsehwelt. Über die spricht er mit Jürn Kruse von der TAZ.
Auch die öffentlich-rechtlichen Kanäle werden abgewatscht. Das angekündigte Ende der Sendung "Wetten, dass ..?" sei ein Armutszeugnis:
"Mit dem Aus von 'Wetten, dass ..?‘ hätten sie gleich die Einstellung des ZDF verkünden können. Der Termin wird hoffentlich noch bekannt gegeben."
Also doch lieber in die Oper?
"Sieben Jahre lang hat der sterbliche Liedermacher Tannhäuser mit der unsterblichen Pornoqueen Venus durchgevögelt, jetzt kann er nicht mehr",
schreibt Reinhard J. Brembeck in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG über Wagners Oper und zeigt sich begeistert von der musikalischen Umsetzung durch die Berliner Staatsoper:
"Und dann ist da Barenboim, Barenboim, Barenboim. Sein 'Tannhäuser' hat Weltklasse. Unüberhörbar geprobt, spielt die Staatskapelle Feines und Filigranes, übergießt die Partitur mit Wärme und Sinnenrausch, meidet geschickt Oberflächenglanz und kalte Präzision, atmet mit den Sängern und ihren Verzweiflungen."
"Wahrlich, ein Fest!", freut sich auch Jan Brachmann in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG und haut ein Ausrufungszeichen nach dem anderen heraus:
"Und dann Peter Seiffert als Tannhäuser! Sechzig Jahre soll dieser Mann dem Papier nach schon zählen, singt aber wie ein strahlender Frühdreißiger."
Als "niedlich" und als "Dekoration" bezeichnet Brachmann dagegen die Inszenierungsleistung von Sasha Waltz. Für Manuel Brug von der WELT hat die sonst im modernen Tanz gefeierte Choreographin hier gar "versagt".
Ulrich Amling vom TAGESSPIEGEL wagt als einziger einen Totalverriss der Berliner Tannhäuser-Premiere.
"Wer könnte leugnen, dass es am Ende ein Triumph war",
fragt Amling pseudorhetorisch – um dann genau das zu tun. Er sah ein
"schleppendes, müdes Vorspiel, das durchsuppt auf den ganzen Abend. Harfenschläge rutschen ab, Hörner patzen, Sänger ringen um Luft".
Ein wenig meint man herauszulesen: Der Musikkritiker ist beleidigt.
"Da ließ der Maestro eigens geladene Journalisten sitzen und entschwand grußlos",
schreibt über Daniel Barenboim, den Entschwinder, Ulrich Amling, der Sitzengelassene, der uns also vor dieser Oper warnt.
Also doch lieber ein Buch lesen? Zum Beispiel "Deutschland von Sinnen" von Akif Pirinçci, diesen "Pöbelbestseller" gegen "selbstbewusste Frauen, Homosexuelle und Ausländer", wie ihn Georg Diez und Thomas Hüetlin im SPIEGEL nennen. Diese Ressentiments des Buchautors teile sein Verleger Thomas Hoof. Der gründete einst die Luxusproduktkette "Manufactum". Der SPIEGEL sieht Verbindungen zwischen dem "Filzpantoffel-Fundamentalismus" der heimatbezogenen Produkte und der Ideologie des Verlegers. Einer Ideologie, die
"diese vermeintlich guten Dinge in ein seltsames Licht rückt, wenn Hoof sie mit Werten vom rechten Rand der Gesellschaft unterfüttern lässt: Auf einmal sehen die Beile, die lammfellgefütterten Ansitzhosen, die Sturmlampen ein wenige anders aus. Es gibt sie noch, die bösen Dinge."
Etwas anders erklärt sich Friedrich Küppersbusch in der TAZ die böse Kraft des pöbelnden Autors Akif Pirinçci. Der wurde mit Büchern berühmt, in denen eine Katze als Detektiv ermittelt. Darauf spielt Küppersbusch an:
"Ich sage nur: Katzenkrimis. Unterschätzte Gattung. Der schmale Grat von Katze zu Kotze und so. Wie auch Lewiratschoff, die erst pöbelt und nun katzenkrimit. Ich plädiere für eine strenge Zulassungsprüfung für Katzenkrimiautoren unter der Leitung von Elke Heidenreich."