Autokinos in Zeiten von Corona

"Es geht los, wir sind wieder im Kino!"

05:11 Minuten
Zwei Besucher des Autokino sitzen im Auto und gucken auf die Leinwand. Das Kino in Essen hat auch während der Corona-Pandemie geöffnet.
Seit Anfang März hat die Bundesnetzagentur 43 Rundfunkfrequenzen für Autokinos zugeteilt, so viele wie nie zuvor. © picture-alliance / dpa / Fabian Strauch
Von Felicitas Boeselager · 28.04.2020
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Seit der Coronakrise sind Autokinos wieder angesagt - denn sie bieten die Möglichkeit, kontaktlos Kultur zu erleben und etwas zu unternehmen. Die Filme sind zwar nicht neu, aber dafür wird der Besuch trotzdem zum Ereignis.
"Ich bin ja aufgeregt, dass wir nach so langer Zeit wieder ins Kino können, ich hab so richtige Unternehmungslust seit langer Zeit wieder, ich hab mich auch richtig schön gemacht deshalb. Wie geht’s dir?"
"Ich hab mich jetzt nicht extra hübsch gemacht, weil ich ja wusste, dass wir im Auto sitzen."
Gemeinsam mit einem Freund fahre ich an diesem Abend ins Autokino nach Hatten in Niedersachsen, die Sonne steht schon tief, an uns zieht die Frühlingslandschaft vorbei. Lars war noch nie im Autokino. Und ich kann mich nicht mehr dran erinnern.
Ich hoffe auf Popcorn und vor allem auf Ablenkung vom Alltag. Es läuft der französische Film "Ziemlich beste Freunde", ein Film, den Lars und ich zwar schon kennen, aber sehr schön finden.
Das Autokino wurde spontan auf einem Freibadgelände aufgebaut. Es liegt direkt neben einer Landstraße, ein Parkplatz; auf dem rund 65 Autos Platz haben, vor ihnen steht ein großer Truck mit einem riesigen LED-Bildschirm, wie beim Public Viewing eines Fußball-Spieles. Alles ziemlich unspektakulär.

Große Nachfrage

Junge Männer in gelben Westen und weißen Masken weisen uns den Parkplatz zu. Wir haben einen super Platz bekommen, dabei ist das Kino restlos ausverkauft; und zwar alle Vorführungen, erzählt mir der Veranstalter Jan Meiners, den ich vor den Autos unter dem riesigen Bildschirm treffe.
"Die Nachfrage war riesig, also wir haben schon anhand der Facebook-Veranstaltungsgruppe gesehen, dass da wirklich Tausende drin sind. Haben dann entsprechend die Kapazitäten auf unserer Internetseite auf bis zu 10.000 Besucher gleichzeitig hochgeschraubt, als wir dann mit dem Vorverkauf gestartet sind, hatten wir über 27.000 Besucher gleichzeitig und wir hatten zweieinhalb Stunden lang weder Kinosystem noch Internetseite, weil alles abgeschmiert ist, das war wirklich der Wahnsinn."
Zurück im Auto suchen wir die richtige Frequenz im Radio, damit wir den Ton vom Film hören können. Entgegen meiner Hoffnung gibt es keinen Stand mit Popcorn, oder Getränken, das ist den Veranstaltern nicht genehmigt worden.
Jan Meiners ist auf den Truck vor den Bildschirm geklettert, gleich geht es los und ich bin tatsächlich ein bisschen aufgeregt. Einige andere hier wohl auch: "Es geht los, wir sind wieder im Kino!"

Gemütlich und ausgelassen

Am Anfang stört die Sonne ein bisschen, die auf den Bildschirm scheint und auch die Autos und die Fahrradfahrer auf der Landstraße lenken etwas ab. Dafür gibt es aber auch entscheidende Vorteile: Man kann es sich richtig gemütlich machen, den Sitz ganz nach hinten schrauben und die Füße aufs Armaturenbrett legen.
Und dann nimmt mich der Film doch ganz gefangen. Und es fühlt sich auch ein bisschen so an, als wäre ich ein Teenager in einem amerikanischen Film der 60er- oder 70er Jahre.
So laut hätte ich mich in einem normalen Kino sicher nicht getraut zu lachen und mitzuleiden. Jedenfalls nicht, ohne mit Popcorn beworfen zu werden. Es ist schön, so einen privaten, fast intimen Raum zu haben und dennoch mit vielen anderen Menschen gemeinsam etwas zu erleben.

Was es im normalen Kino nicht gibt

Trotzdem gibt es aber auch Momente, die mich schmerzhaft wieder an die Welt draußen erinnern. Zum Beispiel als die beiden Protagonisten gemeinsam mit vielen anderen Menschen in einem Konzert sind.
Besonders schön ist ein Moment, in dem im Film die Sonne untergeht und sich auch in unserem Rückspiegel die untergehende Sonne spiegelt. Während es um uns herum langsam dunkler wird, geht der Film zu Ende.
Langsam fahren alle Autos wieder nach Hause, wir bleiben, wie im echten Kino, noch ein bisschen sitzen und zehren von unserem Kulturerlebnis.
"Das Thema des Films ist ja so eine Klaviermelodie und hinter der Leinwand haben sich die Bäume im Wind bewegt und irgendwie waren die Bäume so ein Teil des Ganzen und das ist eine Erfahrung, die kannst du sonst nicht so im Kino haben."
"Und was ich richtig toll finde, ist, dass wir richtig was unternommen haben, wir sind losgefahren, woanders hin, wir haben was erlebt. Und jetzt gehen wir nach Hause und haben was unternommen und das haben wir lange nicht mehr."
"Das ist ein richtig gutes Gefühl."
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