Auszeit fürs Gehirn
Was haben Cicero, Winston Churchill, Mark Twain und John Lennon gemeinsam? Sie alle schätzten die Bettruhe als kreative Pause. Auch René Descartes, der Begründer des modernen Rationalismus, entwickelte seine Gedanken mit Vorliebe morgens im Bett. Und wenn der französische Dichter Saint-Pol-Roux sein Mittagsnickerchen hielt, hängte er an seine Tür das Schild "Poet bei der Arbeit".
Auch wir gönnen wir uns bei "Radiofeuilleton – Im Gespräch" heute zwei Stunden Muße. Und wir zeigen: Müßiggang ist nicht immer aller Laster Anfang, sondern der Beginn vieler guter Ideen.
"Für mich selber ist Muße, an den Punkt zu kommen, an dem man weiß, was man wirklich tun möchte", sagt der Wissenschaftsjournalist und Sachbuchautor Ulrich Schnabel.
"Das heißt nicht nur Abhängen oder Spazierengehen. Bei mir war es eben, das Buch zu schreiben. Der Grund für das Buch war meine eigene Betroffenheit, dass ich aus einer Phase des Gehetztseins raus wollte und mir sagte, 'es muss doch anders gehen'."
Wir leben – so Schnabel - in einer Beschleunigungsgesellschaft, alles müsse immer schneller, effektiver gehen. Wie leben in einer Online-Gesellschaft, das Internet, E-Mails, SMS- und Handy-Terror bestimmten unseren Alltag. Unser Körper, unser Geist, aber auch unser Gehirn kämen nicht mehr zur Ruhe. Die Folge: Jegliche Kreativität gehe flöten.
Deshalb plädiert Ulrich Schnabel in seinem neuen Buch "Muße. Vom Glück des Nichtstuns" für das Rückbesinnen auf die schöpferische Pause – so wie sie Dichter und Denker von jeher praktizieren.
"Auszeit ist keine verlorene Zeit, sondern ich brauche sie, um Dinge zu sortieren nach Relevanz und Wichtigkeit. Man muss lernen, zu fokussieren und Dinge wegzulassen."
"Kreativ sein heißt mit spielerischer Neugier nach neuen Lösungen zu suchen", sagt der Neurobiologe Prof. Dr. Gerald Hüther – ein großer Verfechter der Muße und der Gelassenheit.
"Damit so ein kreativer Prozess gelingt, muss man über ein möglichst reichhaltiges Spektrum unterschiedlichster Erfahrungen verfügen und man muss spielerisch mit diesem gespeicherten Wissen umgehen können, darf also nicht 'unter Druck' stehen. Leistungsdruck, übermäßige Erwartungen und Anforderungen, die Stress erzeugen, machen jede Kreativität zunichte. Unter solchen Bedingungen fällt einem kaum je etwas Neues ein."
Der Hirnforscher leitet die Abteilung für neurobiologische Grundlagenforschung an der Psychiatrischen Klinik der Universität Göttingen und beschäftigt sich seit mehr als drei Jahrzehnten mit unserem Gehirn.
Einer seiner Leitsprüche: "Das Hirn wird so, wie man es benutzt."
Eines der wichtigsten Zutaten dabei: Die Begeisterung. Wenn man etwas mit Begeisterung tue, würden neuroplastische Botenstoffe ausgeschüttet.
"Das ist so etwas wie ein Düngemittel fürs Gehirn. Wenn das ausgeschüttet wird, werden Genprodukte neu abgeschrieben, neue synaptische Verschaltungen gebildet. Diese Gießkanne mit Dünger muss eingeschaltet werden, damit sich was tut."
Je mehr dieses Begeisterungsdüngers man dem Hirn gebe, umso besser könne es sich entwickeln. Kleine Kinder seien dafür das Beste Beispiel:
"Im Alter von zwei Monaten beginnt eine Explosion im Hirn, es werden Unmengen von Verschaltungen hergestellt, ein Baby wartet, dass es losgeht. Mit 13, 14 Jahren haben wir schon eine Kümmerversion dessen, was hätte kommen können."
Und zwischen 21 und 79 Jahren tue sich in Sachen Motivation und Explosion gar nichts mehr im Gehirn. Stattdessen schütteten wir es zu mit unwichtigen Alltäglichkeiten.
Sein Motto: "Wir können uns zu jedem Zeitpunkt des Lebens ändern."
Das menschliche Gehirn habe ein unglaubliches Potenzial – man müsse es nur lebenslang herausfordern, sonst verkümmere es.
"Auszeit fürs Gehirn – Die produktive Kraft der Muße" - Darüber diskutiert Gisela Steinhauer heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr gemeinsam mit dem Hirnforscher Gerald Hüther und dem Wissenschaftsjournalisten Ulrich Schnabel.
Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 / 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.
Informationen im Internet:
Über Prof. Dr. Gerald Hüther
Literaturhinweis:
Ulrich Schnabel: "Muße. Vom Glück des Nichtstuns", Blessing-Verlag 2010
"Für mich selber ist Muße, an den Punkt zu kommen, an dem man weiß, was man wirklich tun möchte", sagt der Wissenschaftsjournalist und Sachbuchautor Ulrich Schnabel.
"Das heißt nicht nur Abhängen oder Spazierengehen. Bei mir war es eben, das Buch zu schreiben. Der Grund für das Buch war meine eigene Betroffenheit, dass ich aus einer Phase des Gehetztseins raus wollte und mir sagte, 'es muss doch anders gehen'."
Wir leben – so Schnabel - in einer Beschleunigungsgesellschaft, alles müsse immer schneller, effektiver gehen. Wie leben in einer Online-Gesellschaft, das Internet, E-Mails, SMS- und Handy-Terror bestimmten unseren Alltag. Unser Körper, unser Geist, aber auch unser Gehirn kämen nicht mehr zur Ruhe. Die Folge: Jegliche Kreativität gehe flöten.
Deshalb plädiert Ulrich Schnabel in seinem neuen Buch "Muße. Vom Glück des Nichtstuns" für das Rückbesinnen auf die schöpferische Pause – so wie sie Dichter und Denker von jeher praktizieren.
"Auszeit ist keine verlorene Zeit, sondern ich brauche sie, um Dinge zu sortieren nach Relevanz und Wichtigkeit. Man muss lernen, zu fokussieren und Dinge wegzulassen."
"Kreativ sein heißt mit spielerischer Neugier nach neuen Lösungen zu suchen", sagt der Neurobiologe Prof. Dr. Gerald Hüther – ein großer Verfechter der Muße und der Gelassenheit.
"Damit so ein kreativer Prozess gelingt, muss man über ein möglichst reichhaltiges Spektrum unterschiedlichster Erfahrungen verfügen und man muss spielerisch mit diesem gespeicherten Wissen umgehen können, darf also nicht 'unter Druck' stehen. Leistungsdruck, übermäßige Erwartungen und Anforderungen, die Stress erzeugen, machen jede Kreativität zunichte. Unter solchen Bedingungen fällt einem kaum je etwas Neues ein."
Der Hirnforscher leitet die Abteilung für neurobiologische Grundlagenforschung an der Psychiatrischen Klinik der Universität Göttingen und beschäftigt sich seit mehr als drei Jahrzehnten mit unserem Gehirn.
Einer seiner Leitsprüche: "Das Hirn wird so, wie man es benutzt."
Eines der wichtigsten Zutaten dabei: Die Begeisterung. Wenn man etwas mit Begeisterung tue, würden neuroplastische Botenstoffe ausgeschüttet.
"Das ist so etwas wie ein Düngemittel fürs Gehirn. Wenn das ausgeschüttet wird, werden Genprodukte neu abgeschrieben, neue synaptische Verschaltungen gebildet. Diese Gießkanne mit Dünger muss eingeschaltet werden, damit sich was tut."
Je mehr dieses Begeisterungsdüngers man dem Hirn gebe, umso besser könne es sich entwickeln. Kleine Kinder seien dafür das Beste Beispiel:
"Im Alter von zwei Monaten beginnt eine Explosion im Hirn, es werden Unmengen von Verschaltungen hergestellt, ein Baby wartet, dass es losgeht. Mit 13, 14 Jahren haben wir schon eine Kümmerversion dessen, was hätte kommen können."
Und zwischen 21 und 79 Jahren tue sich in Sachen Motivation und Explosion gar nichts mehr im Gehirn. Stattdessen schütteten wir es zu mit unwichtigen Alltäglichkeiten.
Sein Motto: "Wir können uns zu jedem Zeitpunkt des Lebens ändern."
Das menschliche Gehirn habe ein unglaubliches Potenzial – man müsse es nur lebenslang herausfordern, sonst verkümmere es.
"Auszeit fürs Gehirn – Die produktive Kraft der Muße" - Darüber diskutiert Gisela Steinhauer heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr gemeinsam mit dem Hirnforscher Gerald Hüther und dem Wissenschaftsjournalisten Ulrich Schnabel.
Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 / 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.
Informationen im Internet:
Über Prof. Dr. Gerald Hüther
Literaturhinweis:
Ulrich Schnabel: "Muße. Vom Glück des Nichtstuns", Blessing-Verlag 2010