Ausweg aus der Traurigkeit
Wie in jedem Jahr seit dem Tod seiner Frau bereitet sich der Polizist Kimmo Joentaa in Jan Costin Wagners "Im Winter der Löwen" für die Einsamkeit der finnischen Weihnachtstage vor. Aber diesmal passiert etwas Überraschendes, was ihn aus der Melancholie reißt.
Dass sich innerhalb der deutschsprachigen Krimiszene in den letzten Jahren viel getan hat, ist kein Geheimnis mehr. Und ebenso offensichtlich ist es, dass nicht alle diese Erfolgsromane literarische Qualitäten aufweisen. Jan Costin Wagner, wohl die bemerkenswerteste Neuentdeckung des Genres, bildet da eine rühmliche Ausnahme und vor allem deshalb, weil es Wagner nie darum geht, die Erwartungen dieses viel strapazierten Genres zu bedienen.
Zum dritten Mal - nach "Eismond" (2003) und "Das Schweigen" (2007) - lässt Wagner, Jahrgang 1972, seinen Helden, den im finnischen Turku lebenden Kommissar Kimmo Joentaa, ermitteln. Grundiert von der düster-kalten Landschaft Finnlands, entfaltet "Im Winter der Löwen" ein Szenario, das - ohne der Gefahr zu erliegen, das Innenleben der Figuren zu stark zu betonen - wesentlich von der seelischen Dispostion seines Protagonisten lebt. Dieser trauert (seit "Eismond") intensiv um seine junge, an Krebs gestorbene Frau Sanna und ist, so der Romaneinstieg, damit befasst, das bevorstehende Weihnachtsfest mit Hilfe einer randvollen Wodkaflasche zu überstehen.
Doch es bleibt ihm keine Zeit, sich mit seiner Trauer einzuigeln, denn zum einen macht er die Bekanntschaft der Prostituierten Larissa, die sich kurzerhand entschließt, Bett und Küche des Ermittlers zu teilen. Und zum anderen stört ein grausamer Mord den Weihnachtsfrieden: Der renommierte Gerichtsmediziner Patrik Laukkanen kommt bei einem Ausflug auf Langlaufskiern ums Leben; mit zahllosen Messerstichen hat ihn ein offenbar rasend wütender Täter ins Jenseits befördert.
Als kurz darauf der Puppenbauer und Dummyproduzent Harri Mäkelä auf ähnliche Weise umkommt, machen sich Joentaa und sein Team fieberhaft daran, nach einer Verbindung zwischen den Opfern zu suchen. Eine Spur führt in die TV-Studios einer viel gesehenen finnischen Talkshow, bei der Laukkanen und Mäkelä Monate zuvor gemeinsam auftraten. Geschah damals, was zu den beiden Morden führte? Und: Wie gefährdet ist Moderator Hämäläinen?
Jan Costin Wagner versteht es, einen spannenden, schlüssigen Plot zu bauen, der zudem als eine nicht ins Plakative verfallende Medienkritik angelegt ist. Zentral bleibt indes immer – gleichgültig, ob es um die Psyche Joentaas oder die Hämäläinens geht – das Bestreben zu zeigen, wie Menschen in Ausnahme- und Grenzsituationen reagieren und zu fragen, ob es ihnen gelingt, öffentliches und privates Auftreten miteinander in Einklang zu bringen. Dass die Kimmo-Joentaa-Romane auch im Ausland große Beachtung finden, wundert da nicht mehr. Und obschon am Ende von "Im Winter der Löwen" Joentaas Leben erstmals in etwas hellerem Licht erscheint, ist offensichtlich, dass dessen Geschichte noch längst nicht zu Ende erzählt ist. Wie erfreulich.
Rezensiert von Rainer Moritz
Jan Costin Wagner: Im Winter der Löwen
Roman, Eichborn Berlin Verlag 2009,
288 Seiten, 17,95 Euro
Zum dritten Mal - nach "Eismond" (2003) und "Das Schweigen" (2007) - lässt Wagner, Jahrgang 1972, seinen Helden, den im finnischen Turku lebenden Kommissar Kimmo Joentaa, ermitteln. Grundiert von der düster-kalten Landschaft Finnlands, entfaltet "Im Winter der Löwen" ein Szenario, das - ohne der Gefahr zu erliegen, das Innenleben der Figuren zu stark zu betonen - wesentlich von der seelischen Dispostion seines Protagonisten lebt. Dieser trauert (seit "Eismond") intensiv um seine junge, an Krebs gestorbene Frau Sanna und ist, so der Romaneinstieg, damit befasst, das bevorstehende Weihnachtsfest mit Hilfe einer randvollen Wodkaflasche zu überstehen.
Doch es bleibt ihm keine Zeit, sich mit seiner Trauer einzuigeln, denn zum einen macht er die Bekanntschaft der Prostituierten Larissa, die sich kurzerhand entschließt, Bett und Küche des Ermittlers zu teilen. Und zum anderen stört ein grausamer Mord den Weihnachtsfrieden: Der renommierte Gerichtsmediziner Patrik Laukkanen kommt bei einem Ausflug auf Langlaufskiern ums Leben; mit zahllosen Messerstichen hat ihn ein offenbar rasend wütender Täter ins Jenseits befördert.
Als kurz darauf der Puppenbauer und Dummyproduzent Harri Mäkelä auf ähnliche Weise umkommt, machen sich Joentaa und sein Team fieberhaft daran, nach einer Verbindung zwischen den Opfern zu suchen. Eine Spur führt in die TV-Studios einer viel gesehenen finnischen Talkshow, bei der Laukkanen und Mäkelä Monate zuvor gemeinsam auftraten. Geschah damals, was zu den beiden Morden führte? Und: Wie gefährdet ist Moderator Hämäläinen?
Jan Costin Wagner versteht es, einen spannenden, schlüssigen Plot zu bauen, der zudem als eine nicht ins Plakative verfallende Medienkritik angelegt ist. Zentral bleibt indes immer – gleichgültig, ob es um die Psyche Joentaas oder die Hämäläinens geht – das Bestreben zu zeigen, wie Menschen in Ausnahme- und Grenzsituationen reagieren und zu fragen, ob es ihnen gelingt, öffentliches und privates Auftreten miteinander in Einklang zu bringen. Dass die Kimmo-Joentaa-Romane auch im Ausland große Beachtung finden, wundert da nicht mehr. Und obschon am Ende von "Im Winter der Löwen" Joentaas Leben erstmals in etwas hellerem Licht erscheint, ist offensichtlich, dass dessen Geschichte noch längst nicht zu Ende erzählt ist. Wie erfreulich.
Rezensiert von Rainer Moritz
Jan Costin Wagner: Im Winter der Löwen
Roman, Eichborn Berlin Verlag 2009,
288 Seiten, 17,95 Euro