Ausverkauf der Hansestadt

Von Axel Schröder · 09.08.2012
30.000 Objekte gehören zur völkerkundlichen Sammlung der Stadt Lübeck. Viele von ihnen könnten kommunalen Sparmaßnahmen zum Opfer fallen. Es sind beunruhigende Szenarien, die in Lübeck den Ausverkauf von mehr als nur einem Museum durchspielen.
Die Einschläge kommen näher, die Debatte über Mittelkürzungen in der Museenlandschaft der Hansestadt Lübeck wird in den vergangenen Jahren immer wieder mal geführt, zuletzt 2009. Nun herrscht wieder Aufregung im Norden.

Im Zentrum steht die Sparliste des sozialdemokratischen Bürgermeisters Bernd Saxe: danach droht dem Museum für Natur und Umwelt die Schließung, ebenso der Geschichtswerkstatt Herrenwyk. Und, diese Idee ist besonders umstritten: Auch der Verkauf von Exponaten der lübschen Völkerkundesammlung könnte Geld in die Stadtkasse spülen. Von Exponaten, die Lübecker Bürgerinnen und Bürger oder auswärtige Sammler der Stadt gestiftet haben. Peter Sünnenwold, kulturpolitischer Sprecher der CDU, ist entsetzt:

Peter Sünnenwold: "Es kann ja wohl nicht angehen, dass man mal Stiftungen entgegengenommen hat – Geschenke! – mit dem Zweck, sie auszustellen, sie zu bewahren und den Bürgern Zugang zu diesen Objekten zu gewähren. Um dann jetzt zu sagen: Wir überlegen, sie eventuell zu verkaufen. Ich halte das für unmoralisch!"

Weniger unmoralisch findet Sünnenwold, über die Museumschließung und die Übergabe der Geschichtswerkstatt Herrenwyk an andere Träger nachzudenken. Immerhin ist die Haushaltlage der Hansestadt schon seit Jahren angespannt, rund 1,3 Milliarden Euro Schulden stehen in den Büchern, allein die dafür fälligen Zinsen gehen in die Millionen. Beim Kampf gegen den Verkauf von Stifterexponaten hat der CDU-Mann in Professor Hans Wißkirchen einen Verbündeten. Er ist Leitender Direktor der Lübecker Museen und Wißkirchen schüttelt den Kopf über die Idee, die Geschenke anderer Leute zu verkaufen.

Hans Wißkirchen: "Da ist es schon so, dass die Leute unsicher werden und fragen: "Sind denn meine Dinge da eigentlich sicher in den Museen?" Als solche sehen wir uns ja auch: als Sammlungsorte. Und von daher ist so eine Diskussion, auch wenn dazu jetzt nicht kommt, auch einfach – das ist der beste Begriff: geschäftsschädigend! Denn es macht die Grundlage des Museums, das Sammeln einfach schwieriger in heutigen Zeiten."

Zuletzt gab es eine Podiumsdiskussion zu dem Thema, alle Anwesenden waren schockiert von den Kürzungsplänen der Lübecker Stadtoberen, kündigten Widerstand an und beklagten sich vor allem über Bürgermeister Bernd Saxe. Der reagiert auf die Kritik nordisch gelassen und gibt – zumindest teilweise - Entwarnung.

Bernd Saxe: "Ich kann ja gut verstehen, dass die kulturpolitisch interessierte Öffentlichkeit immer gleich sehr erregt reagiert. Aber in diesem Falle gibt es nicht, was Anlass dazu böte. Es hat hier natürlich Überlegungen gegeben. Wir sind in einer sehr schwierigen Haushaltssituation. Und da wird alles auf den Prüfstand gestellt. Und alles heißt im Wortsinne: alles! – Und auch diese Idee war auf dem Tisch und sie ist verworfen worden!"

Anders sieht es dagegen bei der Debatte um die Schließung des Museums für Natur und Umwelt aus. Diese Debatte, so Saxe, werde weiter geführt. Überall müsse gespart werden, eben auch im kulturellen Bereich. Museumsdirektor Wißkirchen lässt dieses Argument nicht gelten. Schließlich seien schon vor Jahren Einsparpotentiale bei allen zehn Häusern des Lübecker Museumsverbunds untersucht worden.

Wißkirchen: "Was mich dabei ärgert und was ich unfair finde, ist: wir haben auch jetzt ein Konzept vorgelegt, wie wir unseren Zuschuss in den nächsten zwei Jahren um fünf Prozent absenken können. Das haben wir aufgrund der Zusammenlegung der Museen und einer klugen Haushaltspolitik auch nachweisen können. Und wir werden auch alle Museen weiterhin offenhalten können mit einer Zuschussreduzierung.

Und dann sollte man diese Pläne erst einmal ruhen lassen und sie nicht immer als leichte Drohung im Hinterkopf behalten. Denn Lübeck ist eine Kulturstadt, sie ist die kulturelle Hauptstadt des Landes Schleswig-Holstein – das sagt auch Herr Albig. Weil die Fakten einfach klar sind. Kiel kann da nicht mithalten …"

… und wegen dieser herausragenden kulturellen Bedeutung Lübecks müsse sich auch das Land wieder finanziell an der städtischen Museenlandschaft beteiligen. 4,5 Millionen Euro gibt die Hansestadt Lübeck selbst pro Jahr für die zehn Einrichtungen des Museumsverbunds aus. Die 120.000 Euro, die früher einmal das Land Schleswig-Holstein als Zuschuss dazu gab, entfallen schon seit Jahren.

Obwohl die Stadt unter anderem das Günther-Grass-, Willy-Brandt- oder das Buddenbrook-Haus beherberge. Kleine Museen, die über Lübecks Grenzen hinweg Strahlkraft und Bedeutung hätten. Bisher sieht die Kieler Landesregierung keinen Handlungsbedarf. Hans Wißkirchen fordert, dass sich das ändert.

Wißkirchen: "Eine Kommune von der Größe Lübecks ist mit dieser kulturellen Tradition und diesen Sammlungen allein überfordert! Wir kriegen nur vom Bund einen Zuschuss, einen kleinen, für das Buddenbrook-Haus – das ist auch richtig so! – und für das Grass-Haus. Ohne Hilfe des Landes Schleswig-Holstein werden wir auf die Dauer diesen Standard nicht halten können!"