Australien und seine Flüchtlingspolitik

Grausames Traumland

Eine ältere Frau demonstriert gegen die Unterbringung von Flüchtlingskindern auf der australischen Insel Nauru. "Offshore Jails are NO place for children", steht auf ihrem Plakat.
Unterstützer von Flüchtlingen protestieren im australischen Brisbane gegen die Unterbringung von Flüchtlingen auf der Insel Nauru. © picture alliance / dpa / Dan Peled
Von Lena Bodewein  · 28.06.2016
Am Wochenende wird in Australien ein neues Parlament gewählt. Ministerpräsident Malcolm Turnbull setzt auf eine stabile Mehrheit für seine liberal-konservative Koalition. Neben der Wirtschaftspolitik ist der Umgang mit Flüchtlingen Thema im Wahlkampf.
"Ich hatte noch nie von Nauru gehört. Ich dachte, es wäre ein großes Land und gehörte irgendwie zu Australien."
Shanmuganathan Nagaveeran, kurz Ravi, ist aus der Hölle geflüchtet, um in der Hölle zu landen. Der politischen Verfolgung in Sri Lanka ist er entkommen, um 2012 im Auffanglager Nauru zu landen.
"Nauru ist ein schrecklicher Ort. Die Umgebung hat mich verrückt gemacht, mich völlig enttäuscht und meine Träume und Hoffnungen komplett zerstört. Ich habe nur grüne Armeezelte gesehen, ein Lager und Offiziere und Bagger und ich dachte nur, oh nein, schon wieder ein Gefängnis."
Eine Insel fast auf dem Äquator, 3000 Kilometer entfernt von Australien, hunderte Seemeilen von der nächste Nachbarinsel, ein Nichts im Nirgendwo. Einst war es das reichste Land der Welt, in den 60er- und 70er-Jahren, als Phosphat in Massen abgebaut wurde und der Düngerzusatz heiß begehrt war. Doch der jahrzehntelange Abbau der einzigen Ressource hat die Insel verwüstet. Sie ist öd und leer, eine Mondlandschaft mit Müll, ohne Grün, ohne Geld. Auch darum hat Nauru im Austausch für kräftige Finanzhilfen erlaubt, dass Australien 2001 ein Auffanglager für Flüchtlinge errichtete.
"Die Lebensbedingungen waren schrecklich. Wir waren 30 Leute, eingeschlossen, es gab jede Menge Moskitos, aber keine Moskitonetze. Wir konnten nicht telefonieren, es gab nur zwei Toiletten, es gab keine Ventilatoren, dabei war es schrecklich heiß, 40, 42 Grad, jeden Tag. Wir konnten nur bis 6 Uhr schlafen, danach war es zu heiß, und wir konnten auch nicht vor zwei, drei Uhr morgens einschlafen, es gab kaum etwas zu essen, nur ein, zweimal am Tag. Wir saßen nur rum und fragten uns: Was wird mit uns geschehen?"

"Versucht nicht, nach Australien zu kommen"

Australien will mit seiner Flüchtlingspolitik abschrecken. Niemand soll sich aufgefordert fühlen, sich mit einem Boot auf die Reise nach Downunder zu machen. Premierminister Malcolm Turnbull kämpft vor den Wahlen am 2. Juli um eine neue Amtszeit. Und er gibt sich als unnachgiebiger Hardliner.
"Wir schwingen keine theoretischen Reden über unseren Grenzschutz. Das ist nichts, worüber es Spekulationen oder Debatten gibt. Wir wissen, was passiert, wenn eine so starke Grenzschutzpolitik wie die unter Premierminister John Howard aufgegeben wird. Das war 2008. Ich war damals Minister. Wir wissen: 1200 Menschen sind ertrunken, mindestens. Und 50.000 Menschen kamen illegal hier an, es war eine Kata-strophe."
Shanmuganathan Nagaveeran hat inzwischen sein Bleiberecht bekommen. Als Tamile wäre eine Rückkehr nach Sri Lanka lebensgefährlich. Er lebt in Perth, studiert und reist durchs Land, um sein Buch mit den Zeichnungen und Gedichten aus Nauru vorzustellen, "Von Hölle zu Hölle" heißt es. Er spricht über das, was auf Nauru passiert, und versucht, bei den Australiern Verständnis dafür zu wecken, warum Flüchtlinge sich überhaupt auf die beschwerliche Reise machen, um eine neue Heimat zu suchen.
"Das ist meine erste und letzte Reise, das ist mein erster und letzter Asylantrag. Ich will das nie wieder tun. Meiner Familie und meinen Freunden, allen, rate ich, versucht nicht, nach Australien zu kommen, haltet alles aus, was ihr in eurer Heimat aushalten müsst, wenn ihr sterbt, sterbt lieber in eurer Heimat."
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