Ausstellungen in Zeiten von Corona

Was Museen von der Netzkunst lernen können

06:11 Minuten
Das Württembergische Landesmuseum in Stuttgart - mit einem Transparent mit der Aufschrift: "Wir haben digital geöffnet".
Museen verlagerten beim ersten Lockdown ihre Ausstellungen fast 1:1 ins Netz. Mit Netzkunst hat das wenig zu tun, erklärt Tilman Baumgärtel. © imago images / Lichtgut / Leif-Hendrik Piechowski
Tilman Baumgärtel im Gespräch mit Gabi Wuttke · 16.01.2021
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Netzkunst – von der Kunstwelt weitgehend ignoriert – gibt es seit 25 Jahren. Museen, die coronabedingt schließen müssen, könnten gerade von dieser Internet-Kunstform lernen, findet Medienwissenschaftler Tilman Baumgärtel. Doch noch passiere zu wenig.
"Die besondere Pointe in der Netzkunst ist, dass sie für das Netz geschaffen worden ist und mit dessen Eigenschaften arbeitet", sagt Tilman Baumgärtel. Er ist Professor für Medientheorie an der Hochschule Mainz. Zwar hätten Museen im Zuge der Corona-Pandemie ihre Ausstellungen im Internet gezeigt, sei es in Form von gestreamten Führungen, Videovorträgen oder Veranstaltungen, sei es, indem sie dreidimensionale Modelle von Museumsräumen schufen. Doch das hat mit Netzkunst wenig gemein, wie Baumgärtel erklärt.
Dabei gibt es durchaus Museen, die versuchen, eigene virtuelle Galerien zu betreiben, "die halt nicht nur eine 3-D-Kopie von ihren physischen Räumen sind, sondern eine eigene Sammlung an Webarbeiten und Apps haben, die man herunterladen kann". Das Guggenheim-Museum in New York beispielsweise betreibe eine Internetseite mit Netzkunst und gebe auch selbst Netzkunst in Auftrag, berichtet Baumgärtel. "So etwas gibt es leider in Deutschland bisher noch nicht."

Nach 25 Jahren wird Netzkunst wahrgenommen

Das für Museen so schwierige Corona-Jahr 2020 "hat der Netzkunst in gewisser Weise in die Hände gespielt", sagt Baumgärtel. Endlich seien die besonderen Eigenschaften der Netzkunst, die es seit 25 Jahren gibt, von der Kunstwelt zur Kenntnis genommen worden:
"Künstler hat am Internet von Anfang an interessiert, dass sie da ein eigenes Medium haben, einen eigenen Raum sozusagen, die eigene Seite oder die eigene App, wo man auch erst einmal unabhängig von Institutionen wie Museen oder Galerien sich so ein Freiraum schaffen kann."

Virtuelle Produzentengalerie

All diese Eigenschaften vereint die Ausstellung "Well now, WTF", die bereits im April ans Netz ging. "Das ist im Grunde eine virtuelle Produzentengalerie, die von drei Künstlerinnen und Künstlern organisiert und zusammengestellt worden ist", sagt Baumgärtel. Gemeint sind Faith Holland, Lorna Mills und Wade Wallerstein. Sie haben die Infrastruktur bereitgestellt, und inzwischen beteiligen sich mehr als hundert Künstlerinnen und Künstler mit eigenen Seiten und Werken, wie Baumgärtel berichtet:
"Das ist für Künstler, die sich so ein bisschen jenseits des Kunstmainstreams und der Kunstwelt einordnen, eine gute Gelegenheit – auch um traditionelle Kunstinstitutionen herum zu navigieren und sich so einen eigenen Raum zu schaffen."
(ckr)
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