Ausstellungen in Warschau abgesagt

Kunst nach Vorschrift der Regierung

05:13 Minuten
Außenansicht des Museums für zeitgenössische Kunst Ujazdowski-Schloss in Warschau
Von oben diktiert: Was im Museum für zeitgenössische Kunst im Ujazdowski-Schloss in Warschau gezeigt werden darf, wird in Polen von der PiS-Partei bestimmt. © imago stock&people
Von Florian Kellermann · 01.03.2020
Audio herunterladen
Die rechtskonservative Partei PiS krempelt den Kulturbetrieb in Polen um. So lässt der umstrittene neue Direktor des Museums für zeitgenössische Kunst in Warschau bereits geplante Ausstellungen absagen. Sie seien zu sehr am "linken Zeitgeist" orientiert.
Die bisherige Museumsleitung habe schlecht geplant, erklärt der neue Direktor Piotr Bernatowicz. Das Budget der Einrichtung sei zu klein, um alle Vorhaben umzusetzen. Doch ein Blick auf die gestrichenen Projekte lässt Zweifel aufkommen, ob das der echte Grund war. Es scheint, als wolle Bernatowicz mit dem Rotstift sofort an seiner Agenda arbeiten.

Zu sehr am linken Zeitgeist orientiert

Die im Ujazdowski-Schloss gezeigte Kunst sei bisher zu hermetisch gewesen, kritisierte er im öffentlichen polnischen Radio, zu sehr am linken Zeitgeist orientiert: "Eine pluralistische Auffassung von Kunst liegt mir nahe. Ich will das ganze Spektrum dessen, was es gibt, zeigen. Auch die Kunst, die aus konservativen Kreisen stammt, soll vorkommen, obwohl sie heute nicht populär ist."
Gestrichen wurde unter anderem eine Ausstellung der belgischen Künstlerin Miet Warlop, bekannt für ihre Installationen und Performance-Kunst. Sie wurde gemeinsam mit der Berliner Einrichtung "Kunst Werke" geplant. Warlop hatte wie viele andere internationale Kunstschaffende die Ernennung von Bernatowicz kritisiert.

Am Geld fehlt es nicht

Dessen Vorgängerin Malgorzata Ludwisiak widerspricht der Argumentation, es fehle an Geld. Unter ihrer Führung habe das Museum nie Verluste gemacht. Die Einrichtung im Ujazdowski-Schloss könne schließlich auch eigenständig Einnahmen generieren, unter anderem durch Vermietung.
Malgorzata Ludwisiak, ehemalige Direktorin des Museums für zeitgenössische Kunst in Warschau
Malgorzata Ludwisiak, ehemalige Direktorin des Museums für zeitgenössische Kunst in Warschau, hatte die Ausstellungen schon vor Jahren geplant.© JaapArriens - imago stock&people
Im privaten Radio-Sender "TOK FM" sagte sie: "Ende des vergangenen Jahres konnte ich den neuen Direktor kurz treffen und ihn in die verschiedenen Vorgänge einweihen. Die erstrecken sich schließlich über mehrere Jahre hinweg. Am Plan für 2020 haben wir zwei Jahre lang gearbeitet, er wurde mit langer Vorlaufzeit beim Ministerium eingereicht."
Welche eigenen Projekte er im Museum für zeitgenössische Kunst umsetzen will, hat Bernatowicz bisher nicht verraten. Die regierungskritische Zeitung "Gazeta Wyborcza" berichtete allerdings, dass er seine Mitarbeiter zur Montage einer Installation in einem anderen, neuen Museum abgestellt hat.
Es handelt sich um das Museum für die sogenannten verfemten Soldaten, die nach dem Zweiten Weltkrieg im Untergrund gegen das damals gerade installierte kommunistische Regime kämpften. Diese Einrichtung, die in einem ehemaligen Gefängnis entsteht, ist eine Herzensangelegenheit der rechtskonservativen Regierungspartei PiS.

"Der Totengräber des Museums"

Eigene Ideen muss Bernatowicz spätestens für das kommende Jahr präsentieren. Doch ihm gehe kein Ruf voraus, meint Mikolaj Iwanski, Dozent an der Kunst-Akademie in Stettin:
"Ich habe 20 Jahre in Posen gelebt und sehr genau beobachtet, was in der dortigen städtischen Galerie, dem Arsenal, vor sich gegangen ist, als Bernatowicz dort Direktor war. Er macht im Prinzip immer wieder die gleiche Gruppenausstellung – eine Art Aufstand rechtsgerichteter Künstler gegen den sogenannten Mainstream. Aber es wird ihm schwerfallen, für eine Einrichtung wie das Ujazdowski-Schloss dafür genug Künstler zu finden. Ich fürchte deshalb, er wird weniger der Direktor, als vielmehr der Totengräber dieses Museums sein."
Gestrichen hat Bernatowicz auch die Zusammenarbeit mit einer Künstlergruppe, die von ihr sogenannte antifaschistische Kunstereignisse organisiert hat. Diese sollten bis zum 8. Mai stattfinden. Er habe nichts gegen eine Auseinandersetzung mit dem Faschismus, erklärte der Direktor. Aber die Künstler hätten sich mit dem Thema nicht gründlich genug befasst.

Überall Direktorenposten neu besetzt

Die PiS-Regierung hat schon eine ganze Reihe von Direktorenposten an Museen neu besetzt - mit ihr genehmen Kandidaten. Schwieriger fiel ihr das allerdings am Warschauer Museum für die Geschichte der polnischen Juden "Polin". Denn dort haben auch andere Institutionen ein Mitspracherecht.
Kulturminister Piotr Glinski konnte sich deshalb nur weigern, dessen alten und wiederum designierten Direktor Dariusz Stola neu zu berufen. Stola war unter anderem mit einer Ausstellung angeeckt, die modernen Antisemitismus thematisiert.
Das Museum Polin in Warschau
Auch am Warschauer Museum für die Geschichte der polnischen Juden „Polin“ sollte der Posten des Direktors willkürlich neu besetzt werden.© Jens Büttner/dpa
Zehn Monate blieb das Museum "Polin" ohne Direktor. Erst vor wenigen Tagen ergab sich ein Kompromiss. Stola verzichtete auf sein Amt. Minister Glinski konnte so Stolas bisherigen Stellvertreter Zygmunt Stepinski berufen.
Mehr zum Thema