Ausstellung zur Kunst-Revolte

Dekonstruktion von Rembrandt und Rubens

Eine Besucherin der Ausstellung "Die klassische Documenta von 1956" im Schloss Wilhelmshöhe in Kassel.
Eine Besucherin der Ausstellung "Die klassische Documenta von 1956" im Schloss Wilhelmshöhe in Kassel. © dpa / picture alliance / Uwe Zucchi
Von Ludger Fittkau · 12.01.2016
Der Kasseler Künstler und Documenta-Begründer Arnold Bode löste mit einer revolutionären Präsentation von Rembrandt-Werken Mitte der 50er-Jahre eine Kontroverse aus. Eine kunsthistorische Ausstellung im Schloss Wilhelmshöhe zeichnet die Debatte nach.
Alles begann mit den Rahmen. 63 Rembrandts und andere bedeutende Werke Alter Meister kamen erst zehn Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges aus Wien nach Kassel zurück. Ohne alte Rahmen, den die waren bei der kriegsbedingten Auslagerung der Kunstwerke in Nordhessen geblieben und verbrannten. Für den Documenta-Begründer Arnold Bode ergab sich damit die Chance, einen eigenen Reform-Rahmen für die Werke zu schaffen. Justus Lange ist in der Museumslandschaft Hessen Kassel verantwortlich für die Gemäldegalerie Alter Meister und hat mit seinem Team die Kontroverse um die Bode-Ausstellung 1956 in Kassel rekonstruiert, die mit den Rahmen begann:
"Bode hat quasi einen uniformen Rahmen entwickelt, wie er es nannte 'Passepartout-Rahmen' mit einer schmalen, inneren, schwarzen Leiste, breiten Leinwandstreifen und einer äußeren, holzbelassenen Leiste. Und so wurden also kleine, große, mittlere Werke, Rembrandt, Rubens, Jordans, Dürer wer auch immer, die wurden doch sehr egalisierend gerahmt."
Doch damit nicht genug. Arnold Bode hängte die Gemälde im Passepartout-Rahmen auf Plastikplanen in einen abgedunkelten Saal und setzte Scheinwerfer ein- damals ein absolutes Novum.
Rembrandt und Rubens werden quasi dekonstruiert und neu zusammengesetzt.
Originalfotos aus dem Jahre 1956 dokumentieren in der heute eröffneten kunsthistorischen Ausstellung diese damals umstürzende Inszenierung des Ausstellungsraumes. Konzeptpapiere in Vitrinen, Zeitungsartikel und exemplarische Hängungen mit und ohne Bode-Rahmen zeigen gut, wie Bode ästhetisch an das anknüpft, war er im Jahr zuvor auf seiner "Documenta 1" ausprobiert hatte. Justus Lange:
"Raum ist ja ein ganz wichtiger Begriff für Bodes Inszenierungskonzept, in dem er eben im Fridericianum diese Raumkonzepte mit Göttinger Plastics, mit Metallständern, mit Dingen, die frei im Raum stehen, schon mal durchgeführt hat. Da kann man ganz schön die Verbindung sehen, wie er eigentlich Raumkonzepte der Documenta in die Präsentation der Alten Meister ein Jahr später überführt. Was die Kritik auch dazu geführt hat, von einer 'klassischen Documenta' zu sprechen. Das ist kein Begriff von uns, sondern ein Begriff der Zeit."
Ein Beitrag zur Nachkriegsdiskussion
Diese klassische Documenta löste einen heftigen Kritikerstreit aus, wie Zeitungsausschnitte in der Ausstellung belegen. Traditionalisten des Kunstbetriebs warfen Bode vor, mit seiner Inszenierung die Aura der alten Meisterwerke zu zerstören. Erneuerer waren über sein Konzept begeistert. Bode selbst veränderte noch während der Ausstellung die Präsentationsform, indem er farbige Holzplatten hinter die Werke montierte und damit die direkte Verbindung mit dem Plastikhintergrund auflöste. Zu Bodes Konzept gehörte es 1956 bereits auch, bestimmte Schlüsselwerke besonders herauszuheben:
"Das war bei Rembrandt natürlich der Jakobssegen. Das war bei Rubens der Triumpf des Siegers, das war bei den Italienern Tizians Feldherrenbildnis. Also immer letztlich auch Dinge, die in der modernen Ausstellungsgestaltung auch heute immer eine Rolle spielen, dass man die sogenannten key pieces für die Besucher sofort erkenntlich dort hinhängt, vielleicht in einer Sichtachse, damit sie besondere Aufmerksamkeit bekommen."
Mit der experimentellen Präsentation der Alten Meister lieferte Arnold Bode 1956 einen bedeutenden Beitrag zur Nachkriegsdiskussion um das zukünftige Museum, da ist sich Justus Lange sicher. Viele Elemente der Bodeschen Ausstellungs-Revolution seien in den nachfolgenden Jahrzehnten prägend gewesen:
"Dass man überhaupt Räume inszeniert, das ist etwas, was uns in heutigen Ausstellungen als quasi gegeben jeden Tag vor Augen tritt. Das sind doch Dinge, die man darauf zurückführen kann. Die Spot-Beleuchtung, das ist auch etwas, was Bode quasi neu entwickelt hat, das Tageslicht quasi rausgedrängt hat. In einer klassischen Gemäldegalerie möchte man immer möglichst viel Tageslicht haben, das ist heute nach wie vor so. Aber die Kombination von Kunstlicht und Tageslicht – das ist ja auch etwas, was man hier auch schön sehen kann – das ist auch etwas, wo Bode mit seinem Versuch durchaus Anstoß gegeben hat."
Ein Jahr vor der nächsten Documenta in Kassel bietet das Schloss Wilhelmshöhe mit der kleinen Kabinettsausstellung einen guten Einblick in das Aufbruchsdenken der Nachkriegs-Ausstellungmacher um den Documenta-Begründer Arnold Bode. In Kombination mit einem Besuch der großartigen Gemäldegalerie im UNESCO-Weltkulturerbe Bergpark Wilhelmshöhe zum Warmlaufen auf das Großereignis 2017 unbedingt empfehlenswert.
Mehr zum Thema